Zum Weiterlesen: Drei Gedichte aus „Neue Gedichte“ Paris (1903–06): „Der Knabe“ (1903), „Der Panther“ (1903), „Das Karussell“ (1906). Alle Gedichte sind im neuen plastisch-sachlichen Stil.
Nach Vortragsreisen über Rodin in Dresden, Prag, Hamburg und Berlin, zwischen 1905 und 1906, erfährt Rilke im März 1906, dass sein Vater mit 68 Jahren starb. Er fährt nach Prag und erledigt alle Formalitäten. Im Mai entlässt ihn Rodin fristlos, da er Briefe eigenmächtig beantwortete. Rilke nimmt es erstaunlich gelassen hin, er empfindet die wiedergewonnene Freiheit als wohltuend.
1907 im November stirbt Paula Modersohn-Becker, drei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter an einer Lungenembolie. Tief erschüttert vom frühen Tod entsteht 1908 das „Requiem für eine Freundin“.
Eine Erholungsreise führt Rilke auf Capri. Mit 35 Jahren erhält er 1910 eine Einladung zu einer Nordafrikareise, die ihn bis März 1911 bis nach Ägypten führt, über Venedig kehrt er nach Paris zurück. Sein einziger Roman „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ erscheint. Eine Arbeit, die Kräfte zehrend für ihn war. Dieser Tagebuchroman entstand zwischen 1904 bis 1910. Er ist Rilkes einziges großes Prosawerk. Ein Thema von „Armut und vom Tode“, wie der dritte Teil des Stundenbuches und beruht auf denselben Paris Erfahrungen, die jedoch hier mit neuen revolutionären sprachlichen Mitteln bewältigt sind.
Er hat keine herkömmliche Romanhandlung. Geschildert wird die Einsamkeit eines Dichters aus Dänemark. Er beginnt mit den Aufzeichnungen und Beobachtungen, die Malte beim Streifen durch Paris macht, soziale Missstände in Wohnvierteln, Hospitälern und mit Sterbenden, aber auch mit der Suche, was ein Dichter wissen muss, um gute Verse dichten zu können: Nämlich viele Erfahrungen über das Leben kennen zu lernen. Er erzählt von seiner Kindheit auf Schloß Ulsgaard, von seiner Mutter, die früh starb, die er sehr liebte, von Ängsten, Erscheinungen, von Verwandten, seinem Vater. Diese Beschreibungen versöhnten mich für den doch belastenden Anfang, wo ich mich manchmal fragte: „Was will mir Rilke damit sagen?“
Rilke ist mit diesem Roman weit in den literarischen Raum der europäischen Moderne eingedrungen, noch vor Joyce, Proust und Kafka, in der Form eines Ich-Romans, die im 20. Jahrhundert repräsentative Geltung erlangen sollten.
Im September 1911 übersiedeln Clara Rilke und Tochter Ruth nach München. Zur Scheidung, der Wunsch ging von ihr aus, kam es nicht, man einigte sich aufs Freundschaftliche.
Für den Dichter waren immer wieder liebenswerte Menschen da, die sich seiner annahmen, Mäzene, die ihm in schwierigen Situationen halfen, so auch die Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe. Auf ihrem Besitz Lautschin in Böhmen, dem Felsenschloss Duino bei Triest, entstanden seine „Duineser Elegien“ 1912 und „Das Marienleben“ 1913, welches er dem Worpsweder Jugendstil Maler Heinrich Vogeler widmete. Rilke förderte mit Hilfe seiner Mäzene junge begabte Menschen, ermöglichte der alternden Schauspielerin Eleonore Duse weitere Auftritte. Von seiner Spanienreise kehrte der Dichter 1913 nach Paris zurück, wo er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges lebte. Aus dieser Zeit stammen auch die Briefe an Rodin.
Zum Weiterlesen: drei „Briefe an Rodin“ (Paris 1913)
Nach Kriegsausbruch 1914 meldet sich Rilke 1915 zur Musterung und Einberufung in Wien. Bis 1916 im Juni leistet er Militärdienst, dann arbeitet er fünf Monate im Kriegsarchiv, Wien. Tief erschöpft versucht er sich bei Hofmannsthal in Rodaun zurückzugewöhnen. Wieder in München erlebt er den Ausbruch der November-Revolution, weder der Zusammenbruch der österreichischen Monarchie, noch des deutschen Kaiserreichs berühren ihn. Er bemüht sich daran zu glauben, dass die neuen Staatsformen und staatstragenden Kräfte ein Europa wiedererstehn lassen. Im Frühjahr 1919 verlässt Rilke Deutschland, er ist nie mehr zurückgekehrt.
Eine Lesereise führt ihn durch die Schweiz. Doch auch hier hatte er mit den Kriegsfolgen zu kämpfen. Ausländer erhielten nur eine begrenzte Aufenthaltserlaubnis. Sein österreichischer Pass wurde ungültig, ein tschechischer verschaffte Abhilfe. Durch den Verfall der deutschen Währung entstanden ihm weitere Schwierigkeiten. Da trat das Wunder „der Schweizer Gastfreundschaft“ ein, welche sich während seiner Leseabende gebildet hatte. Die hilfreichste und herzlichste dieser Freundschaften knüpfte sich mit Frau Nanny Wunderly-Volkart, sie stand Rilke bis zu seinem frühen Tod bei.
Auf einem Ausflug ins Wallis die Rhone aufwärts bis nach Sierra entdeckte er den alten Wohnturm aus dem 13. Jahrhundert: das Château de Muzot. Es stand leer und konnte gemietet werden. Nachdem es für den Winter bewohnbar gemacht wurde, konnte Rilke 1921 dort einziehen, gemietet von dem Mäzen Werner Reinhart.
Hier lebte der Dichter fünf Jahre, versorgte den gepflegten Rosengarten, dem er den Gedichtkreis „Die Rosen“ widmete.
Hier vertiefte er sich in das Werk Paul Valérys, das er auch ins Deutsche übersetzte, das ihm Offenbahrung wurde bis an sein letztes Krankenlager.
1922 heiratete seine Tochter Ruth. Zum 50. Geburtstag 1925 erhielt er eine Berufung in die Akademie der Künste Berlin, die er aus gesundheitlichen Gründen dankend ablehnte. Unerträgliche Schmerzen und Fieberanfälle zwangen ihn immer wieder in das Sanatorium in Valmont. Sehr spät erkannte man dort eine nicht heilbare Leukämie an der Rainer Maria Rilke am 29. Dezember 1926 starb. Am 2. Januar 1927 wurde er von treuen Freunden auf den Friedhof von Raron zu Grabe getragen. Sein Grabstein schmückt das Wappen der Rilkes und die Zeilen eines Rosengedichtes:
„Rose, oh reiner Widerspruch Lust,
Niemandes Schlaf zu sein unter soviel Lidern“.
Zum Weiterlesen: Zum Schluss drei Gedichte, „Herbsttag“ (1902), „Herbst“ (1902) aus „Buch der Bilder“, „Freilich ist es seltsam“ aus der ersten „Duineser Elegie“ (1912–21)
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