Horst Bosetzky
Der schwarze Witwer
Ein Katzmann-Krimi
Kriminalroman
Jaron Verlag
Horst Bosetzky alias -ky lebt in Berlin und gilt als «Denkmal der deutschen Kriminalliteratur». Mit einer mehrteiligen Familiensaga sowie zeitgeschichtlichen Spannungsromanen avancierte er zu einem der erfolgreichsten Autoren der Gegenwart. Zuletzt erschienen im Jaron Verlag von ihm die biographischen Romane «Kempinski erobert Berlin» (2010) und «Der König vom Feuerland. August Borsigs Aufstieg in Berlin» (2011) sowie die ersten Bände seiner Romanserie «Wie Berlin und Brandenburg wurden, was sie sind: Unglaubliche Geschichten aus dem Mittelalter» (ab 2011). Zu der bekannten Krimireihe «Es geschah in Berlin» trug er mehrere Bände bei, zuletzt «Mit Feuereifer» (2011) und «Unterm Fallbeil» (2012).
Originalausgabe
1. Auflage 2012
© 2012 Jaron Verlag GmbH, Berlin
1. digitale Auflage 2013 Zeilenwert GmbH
Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.
Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin
ISBN 9783955520533
Inhaltsverzeichnis
EINS
Dicht an einem großen Walde lebte ein alter Mann, der hatte drei Söhne und zwei Töchter; die saßen einstmals beisammen und dachten eben an nichts, als plötzlich ein prächtiger Wagen angefahren kam und vor ihrem Hause still hielt. Dann stieg ein vornehmer Herr aus dem Wagen, trat in das Haus und unterhielt sich mit dem Vater und seinen Töchtern, und weil ihm die eine, welche die jüngste war, überaus wohl gefiel, so bat er den Vater, dass er sie ihm zur Gemahlin geben möchte. – Dem Vater schien das eine sehr gute Heirath, und er hatte schon lange gewünscht, dass seine Töchter noch bei seinen Lebzeiten versorgt sein möchten. Allein die Tochter konnte sich nicht entschließen, ja zu sagen. Der fremde Ritter nämlich hatte einen ganz blauen Bart, und vor dem hatte sie ein Grauen und es ward ihr unheimlich zu Muth, so oft sie ihn ansah. – Sie gieng zu ihren Brüdern, die tapfere Ritter waren, und fragte diese um Rath. Die Brüder aber meinten, sie solle den Blaubart nur nehmen … So ließ sie sich denn bereden und ward die Frau des fremden Mannes …
Als die junge Gemahlin dort ankam, herrschte großer Jubel im ganzen Schloße und auch der König Blaubart war ganz vergnügt. Das gieng etwa vier Wochen lang so fort; da wollte er verreisen und übergab seiner Gemahlin alle Schlüßel des Schloßes und sagte: «Du darfst überall im ganzen Schloße umher gehen und aufschließen und besehen, was Du willst; nur die eine Thür, zu welcher dieser kleine goldene Schlüßel gehört, die darfst Du, so dein Leben Dir lieb ist, nicht aufschließen!» O nein, sie wollte diese Thür auch gewiß nicht öffnen, sagte sie. – Als aber der König eine Weile fort war, hatte sie keine Ruhe mehr und dachte beständig daran, was wohl in der Kammer sein möchte, die er ihr verboten hatte, und war schon im Begriff, sie aufzuschließen; da kam aber ihre Schwester dazu und hielt sie noch davon zurück. Allein am Morgen des vierten Tags konnte sie es nicht mehr über’s Herz bringen und schlich sich heimlich mit dem Schlüßel hin und steckte ihn in das Schloß und öffnete die Thüre. Aber wie entsetzte sie sich da, als das ganze Zimmer voller Leichen lag, und das waren lauter Weiber.
KONRAD KATZMANN mochte zwölf Jahre alt gewesen sein, als er das Märchen vom König Blaubart zum ersten Mal gelesen hatte, aber es sollte sein Denken und Verhalten noch bestimmen, als er schon auf die dreißig zuging – im Fall Dr. Florschütz.
Dr. med. Robert Florschütz, mit weiteren Vornamen Richard und Rodger, war am 27. Juni 1880 in Ortrand zur Welt gekommen, einem Städtchen an der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen, das mal zum einen, mal zum anderen Land gehört hatte und 1816 zur preußischen Provinz Sachsen gekommen war. Wie es der Geschichte des Ortes entsprach, kam denn auch Roberts Vater, der Internist und Chefarzt Dr. Richard Florschütz, aus Berlin und seine Mutter aus Leipzig. Sie war Tochter eines Fabrikanten, und beider Welten hatten den Jungen erheblich geprägt: Einerseits wollte er Arzt werden, andererseits aber auch Unternehmer und etwas herstellen und vertreiben. So hatte er in Berlin Medizin studiert und im Krieg auch in diversen Lazaretten gearbeitet, dann aber,