Copyright © Claudius Verlag, München 2016
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Umschlaggestaltung: Mario Moths, Marl
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016
ISBN: 978-3-532-60012-2
INHALT
1. Das Ding an sich oder was ist Wahrheit?
2. Verstandesdenken oder warum wir eine übergeordnete Wirklichkeit nicht begreifen können
3. Zeit und Raum oder wie wir eine Realität definieren, die nur relativ ist
4. Wie Weltanschauungen entstehen oder warum man sich für eine bestimmte Sicht der Dinge entscheidet
5. Glaube ist Vertrauen oder wann wird eine Aussage wahr?
6. Charakterfragen oder was unseren Glauben bestimmt
7. Das Darüberstehende oder wie man glaubt, was nicht zu verstehen ist
8. Die Sprache der Religionen oder wie man das Unbeschreibliche in Worte fasst
9. Die Pervertierung des Glaubens oder wie leicht man manipuliert werden kann
10. Extremformen des Glaubens oder wo das Unmenschliche seinen Platz hat
11. Der Glaubenssprung oder wie man zu einer emotionalen Sicht der Dinge gelangt
12. Gesunder Glaube oder leben religiöse Menschen länger und gesünder?
13. Aberglaube oder was ist dran an Astrologie, Horoskopen und Glaskugeln?
14. Über Fehlbarkeit und Versuchungen oder wie Utopisten Glaubwürdigkeit herzaubern
15. Schöne neue Welt oder wo sitzt bei einem Computer das Bewusstsein?
Einleitung
Zu glauben ist schwer, nichts zu glauben ist unmöglich.
Victor Hugo
Im Jahr 2013 brachte das Magazin Der Spiegel in einer Sonderausgabe eine Übersicht über Religion und Glauben. Wer das Inhaltsverzeichnis der Ausgabe las, hatte das Gefühl, sich in einem Supermarkt zu befinden. In bunten Spalten (Regalen) gab es Angebote mit den Aufschriften: Christentum, Islam, Buddhismus, Judentum, Katholizismus, Protestantismus, Freikirchen, ganzheitliche Astrologie. Und natürlich Esoterik in allen Variationen. Der interessierte Leser konnte auswählen, welche Sparte seinen Bedürfnissen am meisten entsprach. Glaube als Mitnahmeartikel. Es fehlte nur der „Warenkorb“.
Aber was ist überhaupt Glaube?
Der Begriff Glaube umfasst vieles und lässt sich nicht allein auf religiöse oder weltanschauliche Ansichten reduzieren – auch in der Wissenschaft gibt es unzählige „gesicherte Fakten“, die nie bewiesen werden konnten und lediglich auf dem Konsens einer Gemeinde von Fachgelehrten beruhen. Zudem fällt auf, wenn wir in die Wissenschaftsgeschichte schauen, dass Objektivität ein zeitabhängiger Begriff ist. Was gestern „objektiv richtig“ war, kann heute falsch sein. Ein Dilemma, das dem Glauben Raum gibt und ihm gewissermaßen Tor und Tür öffnet. Auch politischen Programmen und Entscheidungen liegen, was man sich kaum bewusst macht, oft nur geglaubte und nicht beweisbare Inhalte zugrunde. In diesem Sinne ist es gar nicht so abwegig, wenn Parlamentsdiskussionen – überspitzt formuliert – bisweilen wie Glaubenskriege erscheinen, die gern mit viel Rhetorik und Aggression ausgetragen werden.
Solche Beobachtungen werfen die Frage auf, ob ein Mensch überhaupt ohne Glauben leben kann. Was geschähe, stützte er sich allein auf gesichertes Wissen? Wäre er da nicht wie ein Roboter, der in unvorhergesehenen Situationen völlig hilflos ist?
Der Mensch reagiert anders. Er wird versuchen, sich dem Unbekannten anzunähern, und diese Suche nach einer Neuorientierung führt fast zwangsläufig zu Glaubensinhalten. Der Grund: Unsere Wissensbasis allein ist einfach zu dürftig, um für alle Lebenssituationen Bewältigungsstrategien und Sicherheit zu bieten. Mehr noch: Unser Wissen steht zu unserem Unwissen in einer Relation, die in Ziffern ausgedrückt eine verschwindend kleine Zahl ergeben würde.
Was wiederum die Frage aufwirft, wie weit wir mithilfe von Erfahrung und Wissenschaft eigentlich in die Erkenntnis von Wahrheiten eindringen können. Es gibt Grenzen, wo das gesicherte Wissen aufhört und der Glaube beginnt, doch es gibt sogar Wissenschaften, die diesem Bereich begrenzten Verstehens zuzuordnen sind wie Quantenmechanik und Chaostheorie. „Wer sich nur auf den Verstand verlässt, kommt aus dem Elementaren nicht heraus“, hat der dänische Philosoph Sören Kierkegaard es einmal auf den Punkt gebracht.
Die Grenzen, die unserem Wissen und Verstehen gesetzt werden, sind nicht allein rational, sondern auch kognitiv bedingt, denn unser neuronal arbeitendes Gehirn entstand während der Evolution als Instrument der Selbsterhaltung, nicht der Welterkenntnis. Und möglicherweise sind unserem Verstehen sogar Grenzen gesetzt, die nie überschritten werden können.
Ein schier unerschöpfliches Thema, doch es ist nicht unbedingt das, woran wir zuerst denken, wenn das Stichwort „Glaube“ fällt. Die weltanschaulich-religiöse Sicht, um die es hier vor allem geht, wird nicht weniger kontrovers diskutiert als die Grenzen der Wissenschaft. Nicht zuletzt die Frage, was man sich unter Gott und einem Weiterleben nach dem Tod vorzustellen