„Ja, sicher!“, murmelte Flavius kaum hörbar zurück; sein Freund glotzte ihn indes mit vielsagendem Blick an.
„Äh, also, Kleitos, wir, also Eugenia und ich, würden später vielleicht doch noch in die Stadt fliegen …“, sagte Princeps, wobei er es vermied, Jarostow allzu lange anzusehen.
„Verstehe!“, brummte dieser. Er erhob sich von seinem Platz.
„Wisst ihr, ihr zwei, es ist nicht gerade weise, wenn man ständig nur vor dem Halo-Simulator hängt und seine wertvolle Lebenszeit mit Farancu Collas oder ähnlichem Blödsinn verschwendet“, meinte Eugenia mit ernster Miene.
„Ansichtssache …“, gab Kleitos leicht eingeschnappt zurück. Flavius hob beschwichtigend die Hände, seine Freundin verhalten anlächelnd.
„Es macht allerdings eine Menge Spaß!“, fügte er leise hinzu.
Sie funkelte ihn mit ihren hellblauen Augen an. Das tat sie selten, aber wenn es geschah, flößte es Princeps durchaus Respekt ein.
„Wir wissen alle nicht, wie lange wir dieses Leben noch leben können, falls ihr wisst, was ich euch damit sagen will. Vielleicht ist morgen nicht nur unser kleiner Frieden hier, sondern alles andere auch vorbei. Es gibt sinnvollere Dinge als diese dummen Halo-Spiele.“
„Ja, schon gut, ich habe ja nicht darauf bestanden, dass wir heute noch eine Runde zocken. Fliegt in die Stadt, kein Problem. Dann gehe ich jetzt eben …“, murrte Kleitos, während er seinen Kumpel vorwurfsvoll ansah.
„So meinte ich das nicht“, versuchte sich dieser zu verteidigen, doch Jarostow winkte ab.
„Also, bis die Tage! Viel Spaß in Lethon!“, grantelte der bullige Legionär aus Wittborg. Dann ergriff Kleitos seine Jacke, die er über die Lehne des Sofas geworfen hatte, als er es sich vor vier Tagen in Flavius Wohnung gemütlich gemacht hatte und seitdem nicht mehr gegangen war.
„Wie gesagt, viel Spaß!“ Jarostow stapfte beleidigt zur Haustür, welche sich sofort summend öffnete, nachdem sie sein genetisches Profil erkannt hatte.
Seit dem Ende des thracanischen Bürgerkrieges hatten sich Aswin Leukos, der Oberstrategos von Terra, und sein Freund Magnus Shivas, der Statthalter des Proxima Centauri Systems, keinen Tag Ruhe gegönnt. Hinter den beiden lag ein grausamer Bürgerkrieg, in welchem sie die Streitkräfte der Optimaten nach langen, entbehrungsreichen Kämpfen in die Knie gezwungen hatten.
Dieser blutig errungene Sieg war jedoch lediglich die Grundlage für das, was jetzt folgen sollte. Nun musste der Kampf ins Herz des Goldenen Reiches getragen werden, ins Heimatsystem der Menschheit selbst, um den verräterischen Imperator Juan Sobos vom Thron zu stoßen. Eine verwegene Vorstellung, wenn man bedachte, dass dieser über weitaus mehr Soldaten und Kriegsschiffe als seine Gegner verfügte. Dennoch gab es keine Alternative, denn Sobos würde ihnen im Proxima Centauri System auf Dauer keine Ruhe lassen und es war anzunehmen, dass er bereits eine Streitmacht ausgesandt hatte.
Doch der terranische General, den sein gerissener Widersacher einst unter falschen Voraussetzungen ins benachbarte Sternensystem geschickt hatte, um ihn von Terra wegzulocken und ihn anschließend zu beseitigen, war fest entschlossen, diesmal selbst in die Offensive zu gehen. Dafür bedurfte es jedoch umfassender Vorbereitungen, wobei die Rekrutierung und Ausbildung neuer Soldaten sowie die Bereitstellung kampffähiger Raumschiffe oberste Priorität hatten.
Mit Hilfe von Magnus Shivas versuchte Leukos zudem, die Ordnung auf Thracan wiederherzustellen und die Kriegsschäden so gut es ging zu beseitigen. Ganze Regionen, vor allem auf dem Nordkontinent Groonlandt, waren im Verlauf der Kämpfe verwüstet worden.
Inzwischen war es dem terranischen General und seinen Mitstreitern gelungen, wieder eine rudimentäre Nahrungsmittelversorgung aufzubauen. Zu Beginn des Bürgerkrieges waren gewaltige Agrarsektoren und Wasserspeicher gezielt von den Optimaten zerstört worden, was Millionen Menschen den Hungertod gebracht hatte. Mittlerweile galt die Katastrophe zwar als überwunden, doch änderte dies nichts daran, dass die Versorgungslage in vielen Megastädten immer noch kritisch war.
Der terranische Oberstrategos schenkte seine größte Aufmerksamkeit jedoch einem viel schwerwiegendem Problem, denn um das Sol-System zu erreichen, benötigte er Raumschiffe. Leukos brauchte eine ganze Flotte, die seine Heere nach Terra bringen konnte. Doch an Raumschiffen mangelte es den Thracanai besonders; zumindest an solchen, die man für militärische Zwecke einsetzen konnte.
Auf den Raumhäfen der Nachbarplaneten Crixus und Glacialis befanden sich allerdings noch einige Dutzend leichte und mittelschwere Kreuzer; außerdem gelang es den Loyalisten, das eine oder andere Schiff, welches während der Kämpfe beschädigt worden war, zu reparieren. Aber alles in allem war es kaum möglich, eine schlagkräftige Armada, die einer terranischen Kriegsflotte trotzen konnte, aufzustellen.
Als Großkampfschiffe mit starker Panzerung und Bewaffnung waren nur noch die Polemos und die Lichtweg geblieben, zwei Raumriesen der Lictor Klasse, die beide schon viel erlebt hatten und nun auf ihre nächsten Einsätze warteten.
Der Raumhafen von Remay, der von den Magmabomben der Terraner zu Beginn des thracanischen Bürgerkrieges in Schutt und Asche gelegt worden war, glich dagegen noch immer einem verbrannten Ruinenfeld. Ihn wieder aufzubauen, würde Jahre dauern. Diese Zeit aber hatte Aswin Leukos nicht, und auch die vielen dort noch stehenden Schiffe, die von den Feuerstürmen der Magmabomben in verkohlte Gerippe verwandelt worden waren, konnten ihm jetzt nicht mehr helfen, obwohl er sie dringend gebraucht hätte.
Somit gab es noch unendlich viel vorzubereiten, denn für einen Vorstoß ins Sol-System fehlten dem Oberstrategos bisher sowohl die Kraft, als auch die Mittel. Aber Leukos war dennoch fest entschlossen, den Kampf bis nach Terra zu tragen, bis vor die Haustür des verhassten Verräterkaisers Juan Sobos. Zur Erreichung dieses Ziels bedurfte es allerdings mehr als nur reinen Heldenmutes und grimmiger Kampfentschlossenheit.
Ohne genügend Kriegsschiffe, Soldaten und Waffen war es vollkommen unmöglich, auch nur in die Nähe der Erde zu kommen. Deshalb musste improvisiert werden, um das Beste aus dem Wenigen herauszuholen, was nach dem verheerenden Bürgerkrieg noch übrig geblieben war.
Der holographische Bildschirm, der in der Mitte des Raumes schwebte, zeigte glasklare, dreidimensionale Bilder voller Gewalt und Schrecken. Nicht nur auf Thracan, sondern im gesamten Proxima Centauri System, tobte ein neuer Anaureaneraufstand, der alles Vorangegangene in den Schatten stellte.
Juan Sobos schmunzelte, genau wie die Angehörigen seiner optimatischen Seilschaft, die ihn heute im Archontenpalast von Asaheim besuchten. Schrille Schmerzensschreie gellten durch den Raum, als ein unschuldig aussehendes Mädchen von einer Gruppe zerlumpter Ungoldener ergriffen und in ein brennendes Haus gestoßen wurde. Man hatte das Gefühl, sich direkt im Zentrum einer aufständischen Horde zu befinden. Und so sollte es auch wirken.
„Die Zerstörung der Slumstadt San Favellas und die grausame Vergeltungsaktion des verrückten Imperators Credos Platon hat die anaureanischen Massen auf Thracan nur noch wütender gemacht. Die Ruhe nach dem ersten Aufstand währte nur kurz, denn nun ist alles endgültig außer Kontrolle geraten“, erklärte ein Nachrichtensprecher mit düsterer Stimme.
Wieder schrieen Menschen durcheinander. Ein brüllender Anaueraner sprang durch das Bild und stürzte sich auf einen ängstlich winselnden Greis in weißem Gewand. Dann wurde das dunkle, fratzenhafte Gesicht des Ungoldenen immer größer und bedrohlicher, bis es für einen kurzen Augenblick den holographischen Schirm gänzlich ausfüllte. Die primitive, gewalttätige Gestalt stieß einen blökenden Laut aus, der sich mit dem Todesröcheln des sterbenden Aureaners vermischte.
„Grausig!“, meinte Sobos.
„Die Bilder machen den Eindruck, als wären sie hastig, wie im Vorbeilaufen, aufgenommen worden“, bemerkte einer der Anwesenden, ein grauhaariger Mann in roter Toga, dem mehrere Transmitterknoten auf Terra gehörten.
„Alles brennt im Hintergrund, das ist immer gut. Schaurig, schaurig“, schob der Archon lächelnd nach.
Markerschütternde