René Münch
DER RICHTER IN MIR
Eine wahre Geschichte von Opfern und Tätern
Diese Geschichte dient der Aufarbeitung
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2015
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Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig
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Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
Inhalt
Sehr geehrter Herr Richter, heute nicht!
Akteneinsicht beim BStU Dresden
Zur Vorgeschichte der Familie Karge – die Familie meiner Mutter
Mein Aufenthalt im Haftkrankenhaus Klein-Meusdorf, 1962
Auflistung Dauersäuglings-, Kinder-, Speziai- und Durchgangsheime sowie Jugendwerkhöfe in der DDR
Erster Bericht nach der Überführung aus dem Haftkrankenhaus
4 Bilder von Maria Merbitz, Halbschwester väterlicherseits
Halbbruder Ralf mütterlicherseits
Als Minderjähriger im Kalten Krieg
Mal was Positives aus dieser Zeit
Ausschulungsantrag mit Beurteilung
Fonds Heimerziehung – Erlebnisbericht
Vorwort
In der vorliegenden psychologischen Aufarbeitung konfrontiere ich mich mit der Verfassung der DDR und belege, dass der Unrechtsstaat DDR gegen seine eigene Verfassung verstoßen hat, um Menschen psychisch hinzurichten. Ich habe mich mit Zeitzeugen unterhalten und berichte hier, wie es Betroffenen ging, als zum 13.08.1961 die Mauer hochgezogen wurde. Während dieser Aufarbeitung bleibt es nicht aus, dass ich in die Vergangenheit abtauche – jetzt bitte keine Angst, ich lebe im Hier und Jetzt und nicht in der Vergangenheit. Mir ist nicht die Vergangenheit an sich wichtig, sondern ihre Aufarbeitung. Ich schaue lieber in die Zukunft als zurück. Deshalb schließe ich die einzelnen Abschnitte dieses Buches mit kleinen Geschichten ab, in denen ich beschreibe, womit ich mich heute beziehungsweise im Augenblick beschäftige.
Seitdem ich denken und handeln kann, bin ich gezwungen, Entscheidungen, die mich und mein Leben betreffen, selbst zu fällen. Bis zu meinem einundfünfzigsten Lebensjahr gab es auf familiärer Seite niemanden, mit dem ich mich über Privates und Probleme unterhalten konnte. Warum das so war, beschreibe ich in meinem ersten Buch „Der Staat in der Republik“ – ich möchte mich in hier nicht wiederholen. Ich gehe davon aus, dass die meisten Menschen sich, wenn nötig, Rat und Unterstützung in der Familie holen. Das konnte ich nicht, und so habe ich mir in meinen Gedanken einen Richter eingerichtet, mit dem ich mich austausche. Für die meisten mag dies absurd klingen, doch mir blieb nichts anderes übrig, denn sonst wäre ich unter die Räder gekommen.
Der Richter in meinem Kopf ist sehr hart und hat stets versucht, mich als Verlierer dastehen zu lassen. Doch er kennt meine starre Haltung nicht, die mich dazu zwingt, verschiedene Instanzen gedanklich durchzugehen. Dabei betreibe ich auch Recherchen. Der Richter in mir kann mich hinrichten, mich als Verlierer dastehen lassen und dafür sorgen, dass es mir schlecht geht. Ich selbst hingegen kann entscheiden, ob ich das tue, was der Richter in mir verlangt, oder ob ich auf dem Weg durch die verschiedenen Instanzen dagegen ankämpfe.
Ich beginne meine Aufarbeitung mit Situationen, die mir als Kleinstkind widerfahren sind. Von dem Tag an, wo ich gezwungen war, selbst Entscheidungen zu treffen, geht es oft sehr hart zu, weil