Wie gesagt, verdankte ich es auch meiner Frau Bridget, die immer wieder davon anfing, ich solle doch regelmäßig und aktuell Kontakt zu Lesern halten, die sich womöglich fragten, warum ich mir überhaupt die Mühe machte, eine Website ins Netz zu stellen, wenn ich darauf nie wirklich etwas schrieb. (Ich glaube, einmal war es so schlimm, dass der Terminplan auf meiner alten, gekaperten Website seit zwei Jahren überholt war.)
So machte ich mich also voller Erleichterung, am Leben zu sein, an meinen ersten Brief, und irgendwo da draußen gab es theoretisch eine unbekannte Anzahl von Lesern, die darauf warteten, zu lesen, was ich schreiben würde. Es war nicht leicht, wisst ihr. Ich hatte mir eine Weile lang andere christliche Websites angeschaut, um mich mit den verschiedenen Stilen und Inhalten vertraut zu machen, die bei dieser Kommunikationsform üblich sind. Was fand ich da? Nun, nachdem ich mich durch ein paar davon gescrollt hatte, fühlte ich mich an die viktorianischen Steintafeln erinnert, die man häufig an den Wänden von Kathedralen und großen Kirchen in Großbritannien sieht. Ich kann mir vorstellen, dass es in deutschen Gotteshäusern ein ähnliches Phänomen gibt.
Die Verstorbenen, von denen auf diesen Gedenktafeln die Rede ist, werden nicht nur betrauert. Nein, es ist noch viel schlimmer. Diese leuchtenden Beispiele menschlicher Vollkommenheit haben offenbar eine gähnende Kluft heulenden Elends im Leben eines jeden Menschenwesens hinterlassen, das im Umkreis von mindestens zwanzig Meilen von ihrem Zuhause lebte. So liebevoll, barmherzig, großzügig, fromm und verehrt waren diese heldenhaften Gestalten, dass man sich kaum vorstellen kann, wie ihre Angehörigen, Freunde und Mitmenschen ohne sie überhaupt überleben konnten. Und es gibt so viele von ihnen. Hat denn Gott sich einfach die am köstlichsten duftenden Rosen gepflückt und all die „faulen Eier“ zurückgelassen, bis er keine Auswahl mehr hatte? (Es gibt übrigens einen olfaktorischen Zusammenhang zwischen diesen beiden Metaphern, falls ihr korinthenkackerischen teutonischen Puristen es nicht bemerkt habt.)
Jene niedergeschlagenen Hinterbliebenen müssen sich voller Trauer bewusst geworden sein, dass ihnen nun eines von zwei Dingen bevorstand. Entweder gelang es ihnen, sich zu einer Höhe der Tugend aufzuzwingen, die sie dafür qualifizierte, ebenfalls frühzeitig gepflückt zu werden, oder sie standen vor der Aussicht, sich trostlos dahinzuschleppen, bis sie die siebzig erreicht hatten und Gott sich widerstrebend an seine Seite der Langlebigkeitsvereinbarung halten musste.
Oder – und dies ist natürlich nur eine weit entfernte Möglichkeit – könnte es sein, dass diese überschwänglichen Belobigungen ein klein wenig übertrieben waren?
Was hatte das mit christlichen Websites zu tun? Nun, eigentlich nur, dass viele von denen, die ich mir anschaute, sich außerordentlich positiv anhörten, wenn ich es so ausdrücken darf. Versteht mich nicht falsch. Ich meine nicht, dass bekannte Christen gleich als Erstes auf ihrer Homepage ihre zehn schlimmsten und hartnäckigsten Sünden aufzählen sollten, so faszinierend das auch zweifellos für die Mehrzahl ihrer Leser wäre. Aber es wäre doch schön, wenn unter der Goldbeschichtung einmal ein wenig bleierne Menschlichkeit hervorlugen würde. Für mich bestand das Problem natürlich darin, dass ich, nachdem ich mich durch all diese Selbstbeweihräucherungen gewühlt hatte, ziemlich stolz auf meinen Entschluss war, diese spezielle Falle tugendhaft zu umschiffen. Ach je, man hat es nicht leicht, nicht wahr? Nachdem ich all dies meinen leidgeprüften Lesern erklärt hatte, kam ich zu dem Schluss, es wäre wohl am besten, einfach zu sagen, ich sei ein wunderbarer Mensch mit ein paar geringfügigen und interessanten Fehlern.
Und so machte ich es auch. Ich stellte klar, dass ich wirklich vorhatte, von Januar an jeden Monat einen Brief für die Website zu schreiben, um alle Interessierten an (einem Teil von) dem teilhaben zu lassen, was in der Welt der Familie Plass passiert. Zugleich erwähnte ich auch, dass ich schon immer eine kindliche Freude an den Mitteilungen hatte, die mich erreichten. Fühlt euch frei, sagte ich, mir auch von eurem Leben zu erzählen, und ich versprach, so oft und so zügig darauf zu antworten, wie ich konnte.
Es war ein gutes Gefühl, meinen ersten Brief auf die altmodische Art zu unterzeichnen. Herzlichst, Euer Adrian.
Ich freute mich schon darauf, den nächsten Brief zu schreiben.
FEBRUAR
Liebe Leute,
wer behauptet, es gäbe keine Wunder mehr in dieser säkularen Zeit, möge bitte die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass ich meinen Februar-Brief tatsächlich im Februar schreibe. Danke an alle, die mir während des letzten Monats geschrieben haben. Ich werde euch möglichst bald antworten.
Die Highlights dieses Monats? Nun, es gibt immer wieder Kleinigkeiten, die mich zum Lachen bringen. Neulich saß ich mit meiner Frau und einem Freund in der Eisdiele, und wir ließen uns ein „Whisky-Eis“ schmecken (Whisky mit so ziemlich allem ist etwas ganz Besonderes, Whiskymarmelade bringt mich der himmlischen Seligkeit so nahe, wie ich ihr diesseits des Grabes nur kommen kann), als die Kellnerin, eine junge Polin, an unserem Tisch vorbeikam. Geleitet von dem Drang, meinem Entzücken über das Eis Ausdruck zu geben, sagte ich: „Dieses Eis ist mal was ganz anderes!“
Eine verwirrte Miene breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie schaute mich an, dann das Eis, dann wieder mich. „Was denn?“, erkundigte sie sich.
Ich merkte, dass ich mich mit der Redewendung vergaloppiert hatte, und versuchte es ihr zu erklären.
„Nein, nein, es ist schon Eis, es ist nichts anderes. Ich meine – ich wollte damit nicht sagen, dass es kein Eis ist. Ich meinte nur, dass es etwas ganz Besonderes ist. Das ist so eine Redewendung, es ist …“
Mein wirrer Redeschwall versiegte, und sie zog weiter, um an anderen Tischen zu bedienen.
Es bedarf keiner Erwähnung, dass Bridget und unser Freund sich über meine Verlegenheit köstlich amüsierten.
Eigentlich hätte ich meine Lektion diesbezüglich schon vor Jahren lernen müssen. Eines Nachmittags kam Alina, die aus Aserbaidschan stammt, mit einer riesigen Teekanne in der Hand aus der Küche.
„Ah“, sagte ich, „das nenne ich mal eine Teekanne.“
Wieder diese verwirrte Miene. (Und wieder eine Redewendung für etwas ganz Besonderes!)
„Ich nenne das auch eine Teekanne …“
Ich entschuldige mich bei allen in Osteuropa – im Voraus.
Für mich war einer der ernsthaften Höhepunkte des Monats der Durchbruch zu einem Punkt, an dem ich tatsächlich anfing, Freude am Schreiben des Buches zu haben, an dem ich zur Zeit arbeite. Das Buch trägt den Titel „Der Schattendoktor“. Die Hauptfigur ist ein Mann, der in einem Haus tief in der Wildnis der Grafschaft Sussex in Südengland lebt. Seine Lebensaufgabe besteht darin, auf seine eigene, ziemlich ungewöhnliche Weise denen zu helfen, die mit Schatten in ihrem Leben zu kämpfen haben. Solche Schatten gibt es in allen möglichen Formen und Größen, darunter Erpressung, Trauerfälle, Glaubenskrisen, grauenhafte Nachbarn und der Verlust eines Haustieres. Unterstützt wird er in seiner Arbeit von Jack Merton, einem jungen Mann, der noch viel