Altstadt-Blues 2.0. Waltraut Karls. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Waltraut Karls
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783961455577
Скачать книгу
PKW steht im absoluten Halteverbot!«

      Vielleicht ein blöder Joke? Mona Blume sprang wie elektrisiert aus dem Bett, stieß gegen die halbvolle, unverschlossene Cola daneben, die sich schäumend über den Teppich ergoss. Verflixt! Diesen Spleen vom Stehen lassen der offenen Flaschen musste sie sich endlich abgewöhnen. Troll rollte widerwillig zur Seite.

      »Das kann gar nicht sein«, krächzte sie heiser in den Hörer, »wer ist denn da?«

      »Hier ist das Verkehrsüberwachungssamt und wenn Sie Ihren Wagen nicht gleich wegbewegen, wird er abgeschleppt!«

      Doch kein Scherz! Diese Stimme, eine eiskalte Dusche könnte momentan nicht besser wirken.

      »Aber machen Sie schnell!«

      »Ich komme sofort«, hörte sie sich antworten und schob das Mobilteil unsanft zurück in die Basisstation. Hektisch riss sie einige saugstarke Blätter von der nahe liegenden Dick & Durstigrolle und presste sie auf den ausgedehnt, klebrigen Fleck. Troll umrundete die junge Frau jetzt schwanzwedelnd, beobachtete mit fragendem Blick, wie sie hektisch die Klamotten vom Vorabend bestieg. Jeans und T-Shirt, Sandalen.

      »Nein! Keine Zeit, Troll. Später.«

      Ein flüchtiger Blick in den Spiegel, zwei Bürstenstriche übers Haar, ungewaschen ging sie sonst nirgends hin, aber das schien ein Notfall zu sein! Hausschlüssel, Autoschlüssel in den Rucksack und diesen über die Schulter. Türe zu und die steile Treppe hinunter. Der Hund winselte laut hinter ihr her.

      Vor ihrer Haustür – Fußgängerzone – erblickte Mona an deren-Ende, einen gelben ADAC-Abschleppwagen in Aktion und rundherum viele bunte Marktstände. Reges Treiben überall. Wieso um diese frühe Zeit? Ach ja, der Samstags-Wochenmarkt, normalerweise auf dem Domplatz, war wegen des Johannisfestes verlegt auf den Hopfengarten-Parkplatz. Mona schwante nichts Gutes und erhöhte ihre laxe Schrittfrequenz. Shit! Ihr schwarzer Golf parkte einsam inmitten zweier Marktstände, die soeben mit buntem Obst und knackigem Gemüse bestückt wurden. Die Marktleute schoben die noch halb leeren Tische freundlicherweise schon zur Seite, als Mona die peinliche Bescherung ansteuerte.

      »Sorry! Und vielen Dank«, stammelte sie verlegen mit hochroten Wangen. Hinter dem Autoheck erwartete sie eine hellblond getönte Politesse mittleren Alters ganz in Zweierleiblau, die vollschlanke Figur stocksteif aufgebaut wie eine Zinnsoldatin.

      »Jetzt, abba – ganz fix«, schnauzte sie mit bärbeißigem Blick, ohne ihre Pose zu verändern, als die Studentin den Schlüssel hastig ins Schloss schieben wollte. Just in diesem Moment entdeckte Mona den Strafzettel, der an der verschmutzten Windschutzscheibe prangte. Sie angelte ihn mit spitzen Fingern und wenig Begeisterung unter dem Scheibenwischer hervor. Fünfundzwanzig Euro für Parken im absoluten Halteverbot mit Behinderung. Das durfte doch nicht wahr sein! Umgehend war sie dem alarmierenden Weckruf gefolgt. Wütend drehte Mona sich um, fauchte der Matrone dieses entgegen und dass, das Parkverbot üblicherweise erst um acht Uhr begann. Die Speckrollen wogten, als sich die uniformierte Gesetzeshüterin unbeeindruckt vor ihr aufbaute. Den rechten Arm in die Diagonale gehievt, zielte der fleischige Finger auf ein astverdecktes Zusatzschild über dem Original, begleitet vom einem Hinweis mit deutlichem Unterton:

      »DAS – steht schon länger! War lange genug in der Lokalpresse angekündigt.« Noch etwas verschlafen folgte Monas Blick dem Fingerzeig. Tatsächlich waren dort der heutige Samstag und der kommende Montag als Halteverbotstage ausgewiesen, ab sechs Uhr. So ein Mist! Beim gestrigen Parken in der Dämmerung war sie wieder mal so in Eile, dass sie natürlich nicht nach Änderungen Ausschau hielt, vor allem nicht in dieser Höhe hinter dichtem Geäst. Ein Zeitungsabo bezog sie nicht, die kostenlosen Wochenblätter wurden entweder nicht geliefert, verschwanden regelmäßig von der Türschwelle oder segelten windzerknüllt – quer durch die Fußgängerzone.

      Doofe Nuss! Etwas mehr Kulanz gegenüber den parkmäßig stark gebeutelten Bewohnern der Altstadt könnte wahrhaft nicht schaden. Der Bewohnerausweis war die pure Geldverschwendung. Abends gab es keine freien Plätze wegen einer Flut von Berechtigungen, die die Anzahl der Plätze bei Weitem überstieg. Oder weil gerade die Straße aufgebuddelt wurde oder Fremdnutzer und Kinobesucher alles wild zuparkten. Kein Wunder, dass einem jegliche Lust verging, sich nach zwanzig Uhr motorisiert aus der Altstadt zu bewegen. Bei der Rückkehr wartete garantiert immer der nervtötende Stress einer Sisyphus-Suche!

      *

      Die füllige Politesse wendete sich ab, scheinbar befriedigt ob ihrer bravourös abgewickelten Dienstpflicht, wie Mona der aufgehellte Gesichtsausdruck signalisierte. Sie watschelte mit ausladenden Schritten hinüber zur brünetten Kollegin, die den Fahrer des monströsen Abschleppwagens im Kasernenton dirigierte. Dieser Tag fing ja schon gut an! Mona blickte ihr hinterher und wollte leicht verdrossen ihr Auto besteigen, als hinter dem Biolandstand ein fremdländisch wirkender Mann mit geballter Faust auftauchte, laut fluchend in unverständlicher Sprache. Ohne Zeit zu verlieren, packte er die nächststehende Blauberockte ruppig am Kragen und schüttelte sie kräftig hin und her, wie eine Katze ihr Junges beim Transport. Schleunigst war der zornige Wüterich umzingelt und vom einzigen männlichen Kollegen der Politessen gepackt. (Wie nannte man diesen eigentlich?) Die herbeigeeilten Mitstreiterinnen attackierten den Herrn aufs Heftigste, gestikulierend und laut keifend. Die Vermutung, dass sein PKW am Haken hing, drängte sich Mona auf. Da konnte sie sich wohl glücklich schätzen, dass die Politesse sie zuvor informiert hatte. Den emotionsgeladenen Job dieser wenig beliebten Damen wollte Mona nicht geschenkt haben. Ständig wüste Beschimpfungen, verbale Attacken und mehr von den »rabiaten« Autofahrern, den Melkkühen der Politik.

      *

      Die pausbäckige Bäuerin nickte verständnisvoll, aber sichtbar erfreut, als Monas betagter Golf sich slalommäßig den Weg aus dem begrenzten Terrain bahnte. Mona lenkte ihn nach rechts in die ehemalige Rotlichtmeile der Neutorstraße, an der Ampel rechts an Cinestar-Kino und Südbahnhof vorbei, am Radhaus den Berg links hoch und an der Ampel wieder rechts in den Eisgrubweg. Entlang der gesamten Straße, Stoßstange an Stoßstange, parkende Autos. In der Goldenluftgasse – auch nichts. Oh yeah, sie war noch so unausgeschlafen. Enerviert versendete Mona ein Stoßgebet an Christophorus, den Schutzpatron der Autofahrer, und bat um einen freien Parkplatz. Als hätte dieser ihr Flehen prompt erhört, erblickte Mona im Rückspiegel einen Typ mit Pferdeschwanz und dunkelrotem Jack-Wolfskin-Rucksack auf sie zu steuern. Er trottete breit grinsend vorbei zu einem orang efarbenen, verbeulten Polo mit Steilheck. Stieg ein, startete mit rauchigen Auspuffgasen, setzte zurück, kurbelte, zeigte ihr immer noch grinsend das Victoryzeichen und knatterte lautstark davon. Wunderbar! Schnell diesen raren Glücksfallplatz okkupieren, ehe ein anderer kam. Monas Auto parkte jetzt unterhalb des Zitadellenwegs, schräg gegenüber der frisch renovierten Burschenschafts-Villa, wie das an der Fassade befestigte Metallschild verriet. ›Katholische Deutsche Studentenverbindung Rhenania- Moguntia‹.

      Hier konnte ihr treues Gefährt wohl verweilen bis zum kommenden Dienstag, wenn die Pflicht sie wieder zur Uni rief. Im Eilschritt trabte sie bergab. Vorbei an den hochherrschaftlichen Gründerzeitvillen, die Treppen am Feuerberg-Bräu hinunter (Pfui, stank es hier!), mit kleinem Schlenker zur Altstadtbäckerei, um fix einige Schrippenbrötchen zu besorgen. An den vorderen Marktständen, die bis zur Hälfte in den Bürgersteig ragten, entdeckte sie im Augenwinkel eine günstige Lücke zwischen den frühen Käuferreihen. Sie schob sich hinein und erstand ein Kilo Salatkartoffeln, fünf kleine Zwiebeln und zwei flache, weißfleischige Weinbergspfirsiche.

      Die hauchdünnen Plastiktüten schlenkernd eilte sie nach Hause in der Hoffnung, dass der Hund nicht das ganze Haus geweckt hatte mit seinem Gewinsel. Er kratzte wild an der Tür, als er Mona kommen hörte, und begrüßte sie ausgelassen hochspringend, als kehrte sie zurück von einer langen Reise. Eigentlich waren sie ein eingespieltes Team und es war für ihn längst Routine, einige Stunden allein zu verbringen. Heute hatte die Studentin jedoch gegen ihr Ritual verstoßen: Ihm eine Schale vom frisch gezapften, kalkfrischen Kranenberger zu servieren, von Micha als Helau-Cocktail getauft. Das erwartete er stets vom Ersten, der morgens aus dem Bett »aufstieg«, womit Mona ihn jetzt geschwind beglücken konnte.

      *

      Der glänzend schwarze Troll mit weißen Pfoten und Hals war eine schöne Mischung, vermutlich