Mrs. Lewis. Patti Callahan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patti Callahan
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783961401581
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schwungvoll zu, sodass die Eiszapfen klirrend zu Boden fielen, steckte mir die Post in die Jackentasche und ging über den vereisten Gehweg zurück zum Haus. Drinnen stritten sich meine Söhne über irgendetwas. Als ich ihre Stimmen hörte, hob sich mein Blick. Ich sah unser weißes Bauernhaus mit der Veranda quer über die ganze Front – eine Oase, bis man eintrat. Die grünen Fensterläden, wie Lidschatten auf einer blassen Frau, öffneten den Blick in die Seele des Hauses, die einmal klar gewesen, nun aber von Zorn und Frustration verdüstert war.

      Die Eingangstür stand offen, unser vierjähriger Douglas kam herausgerannt, dicht gefolgt von seinem zwei Jahre älteren Bruder Davy.

      „Das gehört mir. Gib es zurück!“, brüllte Davy, der nur zwei Fingerbreit größer war als sein kleiner Bruder. Sein braunes Haar war zerzaust vom Rangeln und Toben. Er schubste Douglas vor sich her, bis beide mich erblickten und wie angewurzelt stehen blieben, als wäre ich plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht.

      „Mami!“ Douglas kam zu mir gerannt, schlang seine Arme um meine Hüften und vergrub sein Gesicht in den Falten meiner Jacke. „Davy hat mir gegen das Schienbein getreten“, heulte er. „Und dann hat er mich umgeschubst und sich auf mich gesetzt. Er hat sich viel zu fest auf mich gesetzt!“

      Gott musste viel Vergnügen daran haben, zwei Jungs so verschieden zu machen.

      Ich beugte mich zu Douglas hinab, strich ihm die Haare aus dem Gesicht und gab ihm einen Kuss auf seine runde Wange. In solchen Momenten war mein Herz voller Liebe zu den beiden Jungen, die Bill und ich auf die Welt gebracht hatten. Davy hatte seinen geschmeidigen Körper und seine unbändige Energie von Bill, aber die Empfindlichkeit, mit der Douglas auf Gemeinheiten aller Art reagierte, kam von mir. Er hatte noch nicht gelernt, sie zu verdecken, wie ich es tat.

      „So ein Unsinn!“ Ich rubbelte Davy über den Kopf und nahm Douglas an die Hand. „Gehen wir hinein und machen heiße Schokolade.“

      „Au ja!“, erwiderte Davy begeistert und rannte auf das Haus zu.

      Die ganze Zeit über brannte mir der Brief in der Tasche. Geduld, sagte ich mir. Geduld. Vorfreude ist die schönste Freude.

      Davy schoss durch die Eingangstür, freilich nicht ohne Topsy aufzuschrecken, der ein Gebell anstimmte, als müsste er uns vor einem monströsen Eindringling warnen.

      „Gib Ruhe, du zottelige Promenadenmischung“, rief ich, „sonst tut es mir noch leid, dass ich dich gerettet habe!“ Im Flur stieg ich über einen Haufen Spielzeugautos, während Topsy sich an meine Fersen heftete. Wir besaßen zu dieser Zeit einen regelrechten Zoo an Tieren – vier Katzen, zwei Hunde und einen Vogel –, und jetzt wünschte sich Davy noch eine Schlange.

      Bill war oben im ausgebauten Dachboden in seinem Arbeitszimmer und tippte, was seine Finger hergaben. Er arbeitete an seinem zweiten Roman, um die Rechnungen zu bezahlen, die sich schon so hoch stapelten, wie bald der Schnee liegen würde. Das Geschrei, Gebell und Durcheinander musste ihn von seiner Schreibmaschine verscheucht haben, denn plötzlich stand er am Fuß der Treppe.

      Douglas duckte sich, und ich ergriff seine Hand. „Keine Angst“, sagte ich leise. „Daddy wird nicht schreien. Es geht ihm jetzt besser.“

      Bill ließ hilflos die Arme hängen. Mit seinen knapp eins neunzig erinnerte mich mein Mann oft an einen schlanken, biegsamen Baum. Sein dichtes dunkles Haar war nach links gekämmt wie eine in sich zusammengestürzte Brandungswelle. Er war jetzt trocken, und seine verbalen Ausfälle hatten nachgelassen. Die Anonymen Alkoholiker mit ihren Zwölf Schritten, spirituellen Merksprüchen und ihrer gegenseitigen Rechenschaft innerhalb der Gruppe zeigten ihre Wirkung.

      Er deutete auf den umgefallenen Korb neben der Tür, aus dem sich Bücher aus der Bibliothek über den Boden ergossen, und schob seine randlose Brille nach oben. „Du könntest das eigentlich mal aufheben.“

      „Ich weiß, Schatz. Mache ich.“

      Ich warf ihm einen Blick zu. Sein blaues Hemd war zerknittert und falsch zugeknöpft. Die Jeans hingen lose an ihm herunter; er hatte im Lauf der stressigen letzten Monate einiges Gewicht verloren. Ich hingegen hatte zugenommen – das Leben war einfach nicht fair.

      „Ich habe versucht zu schreiben, Joy. Etwas zustande zu bringen in diesem Haus, das so voller Chaos ist, dass ich mich kaum konzentrieren kann.“

      „Hunde. Kinder.“ Ich versuchte ihn anzulächeln. „Was für eine Kombination.“ Ich ging in die Küche. Ich wollte die Situation entschärfen – der Streit, der sich hier anbahnte, wäre doch nur eine Wiederholung dessen, was wir schon tausendmal erlebt hatten, und dafür war ich nicht in Stimmung. Ich hatte schließlich einen Brief in meiner Tasche, der ein Hoffnungsschimmer war.

      Davy kletterte auf einen Stuhl, setzte sich an den zersplitterten Holztisch und faltete wartend die Hände. Ich schüttelte meine Jacke ab und hängte sie an einen Haken neben der Tür. Die Post legte ich auf den Küchentisch. Bis auf den Brief. Den wollte ich als Erste lesen. Ich wollte ihn für mich allein haben, wenn auch nur für einen Moment. Ich streifte die Handschuhe ab und stopfte sie in die Taschen, um ihn zu verstecken. Dann vergrub ich meine Hände in dem schmutzigen Geschirr, das sich in der Spüle stapelte – ein Zeugnis meiner mangelnden hausfraulichen Fähigkeiten. Schließlich fand ich den Kochtopf, in dem noch die Tomatensauce vom Vorabend klebte.

      Dieses Haus war einmal die Erfüllung eines Traums gewesen. Als Bills Roman Nightmare Alley erschien und mit Tyrone Power in der Hauptrolle verfilmt wurde, hatten wir plötzlich zum ersten Mal in unserem Leben mehr als genug Geld zur Verfügung. Es war gerade genug, um uns diesen kleinen Hof auf dem Land zu kaufen. Wir wussten damals noch nicht, dass es nicht immer das Beste ist, wenn Träume sich erfüllen. Davon ist in Geschichten nie die Rede.

      Ich wandte mich mit gespielt heiterem Tonfall an Davy. „Vielleicht kriegen wir heute Schnee. Wäre das nicht toll?“

      „Au ja“, sagte er und schwang die Beine hin und her gegen die Unterseite des Tisches.

      Bill kam in die Küche, blieb unschlüssig stehen und schaute mir zu, wie ich den verkrusteten Kochtopf scheuerte.

      „Schon wieder Rechnungen“, sagte er, während er die Post durchblätterte. „Na, großartig!“

      Ich spürte seine Augen auf mir und wusste, dass aus ihnen keine Liebe strahlte. Die Liebe schwand dahin, aber ich versuchte Tag für Tag einzuschätzen, was noch blieb. Gemeinschaft? Bewunderung? Geborgenheit? Im Moment fühlte es sich an wie Wut. Ich nahm den sauberen Topf und griff das grüne Tuch, das an der Seite der Spüle hing, und trocknete ihn ab. „Möchtest du eine heiße Schokolade?“

      „Gern.“ Er ließ sich auf dem Stuhl neben Davy nieder. „Mami wird uns aufwärmen.“

      Ich machte unseren alten Coolerator auf – er wirkte eher wie ein weißer Sarg als ein Kühlschrank – und musterte die verwaisten Glasböden. Welker Salat, eine offene Dose mit der Tomatensuppe von gestern Abend, Milch und ein Topf mit Hackfleisch, das eine verdächtig braune Farbe angenommen hatte. Ich musste dringend auf den Markt, was bedeutete, dass wieder einmal ein Nachmittag fürs Schreiben verloren ginge. Aufgrund des verdorbenen Fleisches schlug meine Stimmung um, und ich hasste mich für meine Selbstsucht, das Schreiben wichtiger zu nehmen als meiner Familie etwas zu essen zu machen. Doch so sehr ich mir auch Mühe gab, ich wusste nicht, wie ich mich ändern könnte.

      Ich sah zu, wie die Milch im Topf allmählich zu kochen begann, und rührte anschließend die Schokoladenflocken in den weißen Schaum. Draußen war die erste Schneeflocke in Sicht, ließ sich auf der Fensterscheibe nieder und schmolz; ein kleines Naturschauspiel, das mein Herz wieder leichter werden ließ. Draußen war auf einem niedrigen Ast das Vogelhäuschen befestigt, wo gerade ein Kardinal Rast einlegte und mich mit seinem schwarzen Auge musterte. Für einen kurzen Moment strahlte jede Kleinigkeit eine außergewöhnliche Schönheit aus, es war wie ein täglicher Gnadenbeweis.

      Douglas kam in die Küche gestürmt, gerade als ich die geschmolzene Köstlichkeit in drei Becher goss.

      „Hast du mich vergessen?“, fragte er, die Hände so hoch