„Sind sie nicht wunderschön? Schau dir die schöne rosige Färbung an. Dieses Jahr haben wir eine gute Ernte.“
„Sie riechen lecker.“ Zoe steckte den Pfirsich ein und griff nach dem nächsten. „Kann ich am Samstag rüberkommen und einen Cobbler mit dir machen?“ Keiner machte so einen leckeren Obstauflauf wie ihre Großmutter. Zoe konnte die süßen, vollen Pfirsiche und die butterige Streuselschicht beinahe jetzt schon auf der Zunge schmecken. Ihr Magen zog sich zusammen.
„Wenn es deinen Eltern recht ist.“
„Ich werde Mama bitten, mitzukommen. Dann machen wir einen Mädelstag daraus.“
„Klingt gut.“
„Guten Morgen, Ma’am.“
Beim Klang der vertrauten tiefen Stimme fiel Zoe fast von der Leiter. Sie drehte sich um und entdeckte Cruz Huntley, der, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, dastand.
„Morgen“, sagte Granny. „Du kommst genau richtig. Nimm dir einfach eine Tasche vom Laster und komm zu uns. Brauchst du einen Auffrischungskurs? „Nein, Ma’am. Ich erinnere mich.“
Er sah sie kurz an, schaute aber schnell wieder weg. Er wirkte nicht besonders glücklich darüber, sie zu sehen. „Morgen, Zoe.“
Sie hob das Kinn. „Morgen.“
Zoe sah ihm nach, als er wegging. Ihr Herz schlug lächerlich schnell. Sie schaute zurück zu ihrer Großmutter, die mit dem Pflücken weitermachte, als hätte sie nicht gerade Zoes Welt durcheinandergewirbelt.
Granny war die Einzige, die von ihren verwirrenden Gefühlen für Cruz wusste. Die wusste, wie er sie letzten Herbst geküsst und sich dann bei ihr entschuldigt hatte, um sie danach monatelang zu ignorieren. Zoe konnte nicht anders – sie fühlte sich ein wenig hintergangen.
„Was macht der denn hier?“, flüsterte sie durch die belaubten Zweige des Baums.
Granny hatte nicht einmal einen Blick für sie übrig. „Er braucht die Arbeit, Süße.“
„Er arbeitet doch im Eisenwarenladen.“
„Tja, dann braucht er wohl ein bisschen Taschengeld, nehme ich an. Vor ein paar Wochen ist er zu mir gekommen.“
„Du hast nicht daran gedacht, mich vielleicht mal zu warnen?“
„Es ist eine große Plantage, Schätzchen.“
Sie starrte ihre Großmutter mit weit aufgerissenen Augen an, aber noch ehe sie antworten konnte, kam Cruz zurück, der eine Leiter an den Baum nebenan stellte. Gleich neben ihnen!
Sie bedachte ihre Großmutter mit einem steinernen Blick, der der Frau aber völlig entging.
Eine ganze Zeit lang pflückten sie schweigend, aber Cruz’ Gegenwart hatte alles geändert. Anstatt das friedvolle Erwachen des Tages zu genießen, all das Schöne, was es zu sehen, zu riechen und zu hören gab, rang Zoe jetzt mit ihrem pochenden Herzen, mit rasenden Gedanken und zitternden Händen.
„Schaut nach einer sehr guten Ernte aus dieses Jahr, Ma’am“, sagte Cruz schließlich, als die Sonne sich über den Hügeln in der Ferne zeigte.
Sie hasste es, wie allein der Klang seiner tiefen Stimme ihr Herz rasen ließ.
„Oh ja, das stimmt. Das ist die Art Ernte, die mich am Laufen hält.“ Granny verschob das Gewicht ihrer Tasche. „Wie geht’s dir denn, drüben im Eisenwarenladen?“
„Ganz gut soweit. Ich arbeite ehrlich gesagt gerade an einer Beförderung.“
„Ach, echt? Das ist ja gut.“
„Wie ist es bei dir, Zoe?“, fragte Cruz. „Gehst du im Herbst aufs College?“
Sie riss einen Pfirsich vom Ast und legte ihn in ihre Tasche. „Weiß ich noch nicht.“
Sie steckte inmitten einer Schlacht epischen Ausmaßes mit ihrem Dad deswegen. Sie wollte ihre Musikkarriere weiterverfolgen, und ihr Vater wollte, dass sie auf dem College Kurse belegte, die sie langfristig auf ein Jurastudium vorbereiteten. Ihre Großmutter schien die Einzige zu sein, die ihr zutraute, dass sie sich selbst um ihre Zukunft kümmern konnte, aber das führte nur dazu, dass auch Granny mit Daddy in Zwist geriet.
Als sie nicht ausführlicher antwortete, trat Granny auf den Plan. „Sie will davonlaufen und ein großer Star werden – und das könnte sie wohl auch schaffen, mit diesem Gottesgeschenk von einer Stimme, die sie nun einmal hat.“
„Zweifellos. Aber das ist auch ein hartes Leben, Zoe. Warum solltest du davonlaufen, wo du doch das alles hier hast?“ Cruz hob die Hände mit den Handflächen nach oben. „Eine gute Stadt, gute Wurzeln, das ganze schöne Land hier …“
Granny gluckste. „Du bist ein kluger Junge. Wenn du noch ein kleines bisschen länger bleibst, werbe ich dich Bud noch ab.“
Zoe schoss Granny einen wütenden Blick zu und kletterte die Leiter hinunter. Ihre Tasche war noch nicht ganz voll, aber plötzlich konnte sie es kaum erwarten, sie zu leeren und sich einen anderen Baum zu suchen, den sie leerpflücken konnte.
KAPITEL 11
Es dauerte drei Wochen, bevor Zoe wieder mit Cruz sprach. Oh, sie sah ihn wohl hier und da auf der Plantage, aber sie sorgte dafür, dass sie weit weg von ihm pflückte. Sie sah ihn an der Tankstelle. Sie sah ihn in der Kirche. Sie sah ihn in der Menschenmenge beim Rusty Nail, als sie bei Brevity als Backgroundsängerin einspringen durfte. Sie sah ihn, wie er an seinem Tisch in der Ecke finster zu ihr hinaufsah.
Meistens schaffte sie es, nicht an ihn zu denken. Endlich hatte sie ihre Eltern dazu überreden können, ein Jahr mit der Schule auszusetzen. Sie waren nicht froh darüber, aber sie besänftigte sie, indem sie nachmittags in Daddys Kanzlei ein Praktikum machte. An den Wochenenden half sie ehrenamtlich im Tierheim aus.
Dort hatte sie Brownley kennengelernt, einen alten Coonhound, den jemand am Straßenrand ausgesetzt hatte. Er hatte braune Schlappohren und seelenvolle Augen, die zu leuchten begannen, wenn Zoe die Hand nach ihm ausstreckte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie überredete ihre Eltern, ihn behalten zu dürfen. Dann ging sie mit ihm zum Tierarzt, nur, um festzustellen, dass Brownley eine Erkrankung des Verdauungstraktes hatte, die tödlich ausgehen würde, wenn sie nicht bald behandelt würde.
Aber Zoe hatte nur 220 Dollar gespart, und ihr Dad weigerte sich, ihr auszuhelfen, sosehr sie ihn auch bat. Er wollte sie unbedingt davon überzeugen, dass sie eine gute akademische Ausbildung brauchte, und offenbar fand er, dies sei eine gute Gelegenheit, ein Exempel zu statuieren.
Nachdem in nur wenigen Tagen das Pfirsichfest stattfinden sollte, heckte Zoe also einen Plan aus, wie sie das Geld für Brownleys Operation zusammenbekommen könnte. Sie hatte nichts, was sie verkaufen könnte, auch nicht genug Zeit, eine ordentliche Menge Kuchen zu backen, und die Leute würden nicht dafür bezahlen, sie singen zu hören. Also entschloss sie sich, eine Kussbude zu eröffnen. Nur ein kleines Küsschen für den guten Zweck.
Am Samstag baute sie sie zwischen all den Kunsthandwerksständen und Spielbuden auf. Sie kleisterte ihr Rettet-Brownley!-Schild an die Fassade ihres Stands und leinte den Hund als optischen Anreiz in der Nähe im Schatten an. Sie befestigte ihr Schild mit der Aufschrift Kussbude, stellte ihre Sammelbüchse, ein großes altes Einmachglas, auf und war bereit.
Die Düfte nach Pfirsichgerichten füllten die Luft und ließen ihren Magen knurren. Leute bummelten umher, besuchten Nachbarn und hielten an, um ihre Kinder Spiele spielen zu lassen, bei denen es meistens um Plastikringe, Bälle und Wasserpistolen ging. Am Ende des Spazierwegs drehten Fahrgeschäfte endlose Runden und ließen die Fahrgäste kreischen und lachen.
Sie lehnte sich auf den hölzernen Fenstersims und versuchte, verlockend