Zuckerrübenmord. Gerd Hans Schmidt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerd Hans Schmidt
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783960085003
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heftig. Man könnte es auch so ausdrücken: Ein Mann schiebt, eine Frau schubst – oder so ähnlich.«

      »Sind Sie da ganz sicher?«

      »95 Prozent!«

      »Wie genau wurden Sie verletzt?«

      »Schulterprellung links, der Zug kam von der linken Seite, dann wurde ich zurückgeschleudert und fiel auf das Steißbein. Das verursachte eine ISG-Blockierung rechts. Beim Abstützen des Sturzes habe ich mir noch das linke Handgelenk verstaucht. Ich hatte also großes Glück. Wäre ich allerdings darauf vorbereitet gewesen, hätte ich wahrscheinlich alles abfangen können!«

      »Kampfsport?«

      »Sie sagen es, Herr Schmitt.«

      »Also gut. Ihre Fahrgewohnheiten sind bekannt und leicht zu recherchieren. Der Täter musste nur den richtigen Zeitpunkt abwarten. Aber wer hat ein Interesse daran, Sie umzubringen?«

      Auf meine Frage hin runzelt Hans Habermüller seine Stirn, blickt auf seine leere Espressotasse, dann wieder zu mir.

      »Ganz ehrlich, Herr Schmitt. Mindestens zwanzig bis dreißig. Nein, nicht Personen. Interessen, Herr Schmitt. Interessen, hinter denen immer Personen stehen.«

      Ilse macht große Augen und schaut mich an.

      »Von welchem Zeitraum sprechen Sie?«

      »Nur von diesem Jahr, Frau Merkel, nur von diesem Jahr!«

      »So viele hätte ich nicht erwartet. Ich habe mich auf unser Gespräch ein wenig vorbereitet und nachgesehen, was Ihre Tätigkeit so umfasst. Entweder es freut sich jemand über ihre Entscheidung oder er ist stinksauer. Und wenn sich einer freut, dann ist der andere sauer.«

      »Ganz so kann man das nicht sehen. Es freuen sich in der Regel viele. Aber der Konkurrenzdruck ist groß, da haben Sie in gewisser Weise recht. Für negative Reaktionen reicht es oft schon, wenn ein Konkurrent ein bisschen weniger bekommt als der andere. In manchen Kreisen zählt nur viel haben und noch mehr dazu bekommen. Dabei denke ich nicht an die Landwirte hier im Knoblauchsland, wo der eine einen Tausender mehr bekommt als der andere. Die kriegen so was auf die Reihe, wenn sie überhaupt darüber sprechen. Da gibt es aber Kandidaten aus der Industrie und da hört dann der Spaß auf. Da zählt praktisch jeder Euro. Und wir sprechen hier von sechs- bis siebenstelligen Zuschussanträgen. Oft sind auch achtstellige dabei. Wenn da ein paar Tausender weniger kommen als erwartet, dann laufen hier die Leitungen heiß!«

      »Zum Beispiel?«

      »Die Frage habe ich erwartet. Ich darf Ihnen darüber keinerlei Auskunft geben, bitte haben Sie dafür Verständnis. Sie haben ja mitbekommen, welche Herrschaften aus München über mein ›Wohlergehen‹ wachen, und die mischen nur ganz oben mit! Sehen Sie, in meiner kleinen Abteilung sind eigentlich nur drei Personen eingeweiht, zwei Sachbearbeiter nebenan und ich. Die letzte Entscheidungsbefugnis liegt natürlich bei mir. Nicht einmal unsere Vorzimmersekretärin kennt die Empfänger der Gelder aus Brüssel. Sie bereitet die Bewilligungsbescheide zwar vor, aber die Namen der Empfänger setze ich dann ein und die Bankanweisungen erfolgen auch direkt aus unserer Abteilung.«

      »Und die Münchner Überwacher?«

      »Ach hören Sie mir damit auf.«

      Ilse bohrt nach. »Aber ist es nicht so. Wenn die Voraussetzungen für eine Bewilligung vorliegen oder auch nicht, können Sie doch gar nicht anders entscheiden?«

      »Das ist so schon richtig. Ist der Antrag vollständig und liegen alle Nachweise in der vorgeschriebenen Form auf dem Tisch, dann muss ich bewilligen. Fehlt etwas, dann muss ich natürlich ablehnen. Und wir prüfen streng und machen Schlüssigkeitsprüfungen.«

      »Wo liegt dann das Problem?«

      »Frau …, Herr Schmitt, ich muss mich jetzt leider von Ihnen verabschieden, eine Besprechung wartet.«

      Der Professor erhebt sich von seinem Stuhl und reicht uns die Hand. Wir sehen uns erstaunt an, weil er die Unterredung so hart abgebrochen hat, aber eigentlich ist alles besprochen.

      »Ach übrigens«, er dreht sich noch mal zu uns um, bevor er die Tür zum Vorzimmer öffnet, »wenn Sie einen Verdächtigen laufen lassen, haben Sie ihm dann so einfach alle seine Angaben geglaubt oder haben Sie auch alles gründlich überprüft, beziehungsweise waren Sie in der Lage es zu überprüfen?«

      »Selbstverständlich haben wir dann alles genau überprüft«, gebe ich das Wort fast ein wenig entrüstet zurück, »sonst würden wir Profis doch schlechte Arbeit machen!«

      »Na, dann bin ich ja beruhigt. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen.«

      »Was war jetzt das zum Schluss?« Ilse sieht mich fragend an, als wir den dunklen Flur zurückgehen.

      »Ich weiß auch nicht so genau, was er damit sagen wollte. Wir haben unseren Auftrag jedenfalls erfüllt. Es war ja nicht zu erwarten, dass wir eine Liste mit abgelehnten Anträgen ausgehändigt bekommen. Ich würde den Vorfall mal unter dem Aspekt ›Verrückter stößt Mann vor die U-Bahn‹ einordnen.«

      »Wolff, mach es dir nicht zu leicht. Die genaue Schilderung des Angriffs spricht gegen einen Verrückten. Gegen den Professor hat jemand was. Und der Grund ist das viele Geld, das in seiner Hand liegt. Besser gesagt, das Geld, das irgendjemand nicht bekommen hat. Ich werde mich gleich anschließend einmal gründlich mit diesen Agrarsubventionen befassen. Mal sehen, was die Presse im Netz so zu berichten hat!«

      *

      »Das war alles?«, Dr. Ruschka macht ein enttäuscht vorwurfsvolles Gesicht.

      »So geheim wir unsere Identität hielten, so geheim waren die Informationen, auf die wir gehofft hatten. Herr Dr. Habermüller darf eigentlich gar nichts zu seiner Arbeit sagen. Er deutete zwar an, dass er sich mit seiner Arbeit nicht nur Freunde macht, aber das war dann auch schon alles. Da weiß nicht einmal die Vorzimmerdame Genaueres. Ich habe mich noch mal etwas eingelesen. Die Daten mussten bis zum Jahr 2009 veröffentlicht werden. Über die Webseite des Bayerischen Agrarministeriums konnte jeder genau nachlesen, wer wie viel an Subventionen erhalten hatte. Der Grund war, dass eine Organisation auf Veröffentlichung der Daten erfolgreich geklagt hatte. Aber die Empfänger der Gelder und die Politik haben in der Folgezeit alle juristischen und gesetzlichen Hebel in Bewegung gesetzt, dass diese Veröffentlichungspflicht der Daten wieder wegfiel. Da frag einer, warum. Da wird sicherlich gemauschelt und getrickst und kein Empfänger und schon gar nicht die da oben wollen, dass der deutsche Michel den Geldfluss nachverfolgen kann! Mittlerweile werden wieder Daten von juristischen Personen veröffentlicht. Aber die Suche auf der Seite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist sehr eingeschränkt. Man kann keine Liste der Empfänger einsehen, sondern nur gezielt suchen. Und Einzelfirmen findet man nicht und schon gar nicht die Antragsteller, die nicht berücksichtigt werden konnten.«

      Auch Ilse will jetzt Genaueres wissen und bemüht die Suchmaschinen. »Agrarsubventionen Betrug«.

      Da tauchen doch schon eine ganze Menge Inhalte auf. Gleich der erste Klick offenbart eine interessante Methode. Einige findige Männer, sagen wir in einem eher östlich gelegenen Mitgliedsland der EU, haben jahrelang für eine Rinderzucht mit fast 2000 Tieren Subventionen erhalten. In Millionenhöhe. Tatsächlich gab es kein einziges dieser Rinder, alles fiktiv. Angemeldet waren so acht bis neun Bauernhöfe. Waren Kontrollen angekündigt, hatte man sich kurzerhand eine entsprechende Anzahl von Tieren für diesen Hof ausgeliehen. Bis die Behörde umfassende Kontrollen anordnete. Die Schwindler waren so dreist, dass sie sogar gegen dieses Kontrollrecht der Verwaltung klagten. Dann flog der Schwindel auf. Geld und Betrüger waren zu diesem Zeitpunkt schon über alle Berge.

      Und das. In einem eher südlich gelegenen Mitgliedsland. Da wurde Milch von Zigtausenden von registrierten Kühen verkauft und subventioniert. Nur dass die Kühe entweder schon zu alt zum Melken oder bereits tot waren. Eine kleine Datenmanipulation und schon flossen die Millionen aus Brüssel.

      Ah, da. Mal was ohne Rindviecher. Die Ausfuhr von Zucker in bestimmte Drittländer wird mit Vergünstigungen subventioniert. Und so fährt man mit seinem Zucker-LKW nicht 1000 Kilometer in das Land, wo das süße