Er wollte nicht, dass sie ihre Aufmerksamkeit dem Hund schenkte. Er war schließlich bei ihr, und seinem Mann hat man all seine Aufmerksamkeit zu schenken, nicht diesem nervigen Hund. Nach einem schönen Nachmittag bei bestem Wetter verabschiedeten sich die Freunde. Mathis blieb noch zum Abendessen bei Familie Bernard, danach verabschiedete auch er sich von seiner großen Liebe und ging nach Hause.
So gerne Julies Eltern, Olive und Catherine, Mathis auch hatten, vor der Hochzeit durfte er nicht bei ihnen übernachten. Natürlich wäre es Julie und Mathis lieber gewesen endlich in den Armen des anderen aufwachen zu können, aber so lange würde es nicht mehr dauern und dann könnten sie dies für den Rest ihres Lebens.
Auf dem Weg nach Hause, versuchte Karine, ihren Mann davon zu überzeugen, ob sie sich vielleicht nicht doch einen Hund zulegen könnten. „Du bist so oft abends noch unterwegs und ich bin allein in diesem großen Haus. Verstehst du denn nicht, dass ich da Angst habe? Und wenn wir einen Hund hätten, könnte er mich beschützen und ich würde mich sicherer fühlen.“
Baptiste blieb stehen und sagte lautstark zu seiner Frau. „Schluss jetzt! Ich habe dir schon so oft gesagt, dass mir keine Viecher ins Haus kommen. Du hast genug Aufgaben zu Hause. Da brauchen wir nicht auch noch einen Hund.“
„Aber du weißt doch wie ich über Filou denke. Ich liebe diesen kleinen Kerl und Julie hatte mir erzählt, dass es aus dem Wurf, bei dem er der Vater ist, wohl noch einen Welpen gibt, der ein Zuhause sucht. Ach, Baptist, bitte, er würde mir keine zusätzliche Arbeit machen.“
„Nein“, sagte er laut und entschlossen, „ich habe dir gesagt, dass ich keine Hunde, Katzen oder was du mir sonst noch anschaffen willst, in meinem Haus haben will. Und jetzt sei still und lass uns nach Hause gehen!“
2
14. Juni 1945. Im Haus von Familie Bernard wurde alles für die morgen stattfindende Hochzeit vorbereitet. Catherine Bernard, Julies Mutter, hatte die weißen Tischdecken gewaschen und gebügelt, während Julie das gute Geschirr noch einmal polierte.
Die Tische in der Stube waren mit Sträußen von weißen Rosen und etwas Lavendel geschmückt. Das teure Porzellan, mit den rosafarbenen Blüten, wurde aufgedeckt und schlussendlich stand am Abend Julie vor dem Spiegel im Schlafzimmer ihrer Eltern und trug noch einmal ihr Brautkleid, um zu schauen, ob alles so war wie gewünscht.
„Du siehst bezaubernd aus, meine Liebe.“ Catherine liefen die Tränen, als sie ihr ältestes Kind und einzige Tochter in dem weißen Kleid vor sich stehen sah. Catherine Bernard war eine liebevolle Mutter. Das Glück und Wohl ihrer 3 Kinder stand für sie immer an oberste Stelle.
Sie war eine zierliche Frau. 1,64 m groß, kurzes knielanges, braunes Haar und helle, braune Augen. „Oh Mama, du brauchst doch nicht zu weinen.“ Julie konnte ihre Mutter verstehen, aber sie so zu sehen, tat ihr weh. „Ich bin doch nicht aus der Welt. Du kannst uns jederzeit besuchen kommen.“
„Ich weiß Julie. Aber für eine Mutter ist das ein schöner wie auch schmerzlicher Moment. Morgen bist du nicht mehr mein kleines Mädchen. Morgen bist du eine Ehefrau. Julie Dupont. Ach, wo ist nur die Zeit geblieben.“ Catherine suchte nach einem Taschentuch, um sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen.
Da betrat Olive Bernard das Zimmer. Mit seiner tiefen Stimme sagte er zu seiner Tochter gewandt: „Julie, meine Liebe, du siehst wunderschön aus. Ich hoffe für Mathis das er dich zu würdigen weiß.“ Julie ging zu ihrem Vater, gab ihm einen Kuss auf die Wange und sagte: „Papa, Mathis hat nicht nur einmal bewiesen, dass er alles für mich tun würde, und auch dass er mich um jeden Preis der Welt beschützen wird.“
„Das will ich ihm auch raten“, entgegnete Olive ihr mit einem leichten Lächeln, „wenn nicht, wird er es bitter bereuen.“ „Ach Olive, musst du immer so übertreiben. Du weißt selber, was für ein guter Junge Mathis ist. Und wir können stolz darauf sein, so einen wundervollen Schwiegersohn zu bekommen.“
Catherine macht sich gar keine Gedanken darüber, dass ihrer Tochter etwas widerfahren könnte. Sie kannte Mathis lang genug, um zu wissen, dass dieser wohlerzogene und gutaussehende junge Mann ihre Tochter liebte und vergötterte. „So jetzt aber aus dem Kleid raus, Julie. Wir wollen ja nicht, dass es noch kaputtgeht.“
Julie zog sich hinter einem Paravent um. „Papa, ist Filou wieder aufgetaucht?“, rief sie hinter der schwarzen Holzwand hervor. „Nein, Liebes, er ist immer noch verschwunden. Mach dir keine Sorgen, er kommt bestimmt bald wieder.“
Hoffentlich, dachte Julie. Sie liebte diesen kleinen, verrückten Hund. Er war jetzt 8 Jahre alt. Sie hatte ihn als kleinen Welpen in einem Graben gefunden.
Die Mutter lag erschossen daneben. Er war aber zum Glück schon groß genug, dass sie ihm feste Nahrung geben konnte. Seitdem war Filou immer ein treuer Begleiter gewesen. Sie hoffte inständig, dass er bald zurückkommen würde.
Nach ihrer Hochzeit würde sie mit Mathis zusammenziehen. Ein eigenes Haus besitzen und ein kleines Bistro eröffnen. Lange hatten sie für diesen Traum gespart und gearbeitet. Mathis hatte nach dem Tod seiner Mutter sein Elternhaus verkauft und somit hatten sie bereits einen großen Teil der Kosten für ihr Traumhaus zusammenbekommen. Für die restlichen Kosten haben beide viel gearbeitet.
Mathis hatte in der Nachbarstadt in einer Bäckerei ausgeholfen, während Julie auf den Weinbergen mitgeholfen hatte. Seit einer Woche lebte Mathis nun bereits in ihrem fertig renovierten Haus. Und ab morgen würde Julie dann auch endlich bei ihm leben. Es standen viele schöne Veränderungen in Julies Leben an.
Aber Filou zu verlieren, würde ihr den Boden unter den Füßen wegnehmen. Gerade da morgen der wohl schönste und wichtigste Tag ihres Lebens sein sollte. Sie würde endlich Mathis heiraten. Den Mann, den sie so sehr liebte und ohne den sie sich ein Leben nicht mehr vorstellen konnte. Was Julie zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, Filou ging es nicht gut. Er war eingesperrt in einem kleinen Holzverschlag und bekam kaum Wasser oder Nahrung.
Seit einer Woche war er jetzt in diesen dunklen Raum gesperrt. Und langsam gingen seine Kräfte zu Ende. Es war eine finstere und kühle Nacht, als Filou mit letzter Kraft so laut jaulte, wie er konnte.
Da öffnete sich die hölzerne Tür mit einem lauten Knarren und ein großer Mann betrat den dunklen Raum. „Wirst du dämliche Töle wohl endlich still sein. Du hast mir schon genug Ärger gemacht. Und trotzdem, dass du weg bist, redet Karine ständig von dir Dreckding. Ich hätte dich doch im Graben ersäufen sollen. Aber wenn ich das mache, liegt sie mir wieder wochenlang in den Ohren, warum du armes Ding sterben musstest. Warum?! So eine blöde Frage. Natürlich weil sie dich mir bevorzugt.“
Der Mann der Filou entführt hatte, war kein geringer als Baptiste Agreste. In seiner Eifersucht auf den kleinen Hund, war er sich sicher, dass wenn Filou verschwunden sei, würde seine Frau auch nicht ständig über dieses, in seinen Augen missratenes Vieh reden.
Aber das Gegenteil war eingetreten. Seit dem Filou vor einer Woche spurlos verschwunden war, gab es für Karine kein anderes Thema mehr. Und auch wenn sie sich mit Julie und Mathis trafen, ging es immer darum, den Hund zu suchen. Baptiste wollte Filou einfach nur noch loswerden.
Er griff nach einer langen Eisenstange und schlug Filou damit auf den Hintern. „Los, mach, dass du wegkommst!“
Filou war schwach. Er konnte sich nicht wehren oder ihn beißen. Mit letzter Kraft lief Filou los. Immer in Richtung Zuhause.
Immer in Richtung Sicherheit.
3
Am nächsten Morgen fand Olive Filou halbtot auf der Treppe vor ihrem Haus. Julie, die schon dabei war, sich ihr Brautkleid anzuziehen, schlüpfte in einen alten Kittel, um ihren treuen Freund zur Hilfe zu eilen.
Man