Ich: umgekehrte Herangehensweise → Wenn Person eine Frau, dann Körper einer Frau.
Drei Perspektiven auf das trans Sein
Zunächst muss vorangestellt werden, dass abseits der medizinischpsychologisch-rechtlichen Ebene eine konkrete, allgemeingültige Definition des trans Seins nur schwer Bestand haben kann. Diese unterliegt, gerade in den universitären Gender Studies beziehungsweise in aktivistischen Bereichen, wie sämtliche Begriffe, ständigem Diskurs. Daher ist selbst eine scheinbar simple Definition davon, was Personen zu trans Personen macht, nicht in Kürze und unumstößlich formulierbar. Deshalb sollen im Folgenden drei verschiedene Perspektiven Aufschluss geben.
Medizinisch-psychologisch-rechtliche Perspektive
Transsexualität oder transsexuell Sein sind die ursprünglichen medizinischen und rechtlichen Begriffe, um trans Sein zu beschreiben. Sie sind nach wie vor in Medizin und deutschem Recht feststehend, deshalb werde ich diese zu Beginn erläutern. Transsexualität soll den Zustand beschreiben, eine Abweichung vom vermeintlich angeborenen, sogenannten biologischen, körperlichen oder auch somatischen Geschlecht zu empfinden. Darüber hinaus soll Transsexualität mit dem Bestreben einhergehen, den eigenen Körper hormonell und operativ möglichst weit an das sogenannte andere Geschlecht anzugleichen (vgl. DIMDI 2012).
Diesbezüglich hier ein Auszug aus der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, Ausgabe 10 (ICD-10):
„Der Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden. Dieser geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen anatomischen Geschlecht einher. Es besteht der Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.“ (ebd.)
Zur Ergänzung hier noch eine andere Formulierung aus dem Pschyrembel:
„Fehlende Übereinstimmung der Geschlechtsidentität mit dem somatischen Geschlecht; im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders Nummer 5 (DSM-5) als Geschlechtsdysphorie bezeichnet. Kennzeichnend ist die Unzufriedenheit mit der biologischen Geschlechtszugehörigkeit. Zum Teil werden nur Teilaspekte abgelehnt (partielle Geschlechtsdysphorie; engl. gender confusion). Häufiger besteht aber eine vollständige und anhaltende Ablehnung des somatischen Geschlechts (Transsexualität).“ (Pschyrembel 2016)
Diese Formulierungen, die sich auf die Definition aus der ICD-10 unter dem Kapitel V, Psychische- und Verhaltensstörungen und dem Diagnosecode F64.0, beziehen, legen fest, dass trans Sein als eine Störung der Geschlechtsidentität betrachtet wird. Diese müsse in der Regel operativ und/oder hormonell behandelt werden, um schrittweise den empfundenen Leidensdruck möglichst zu verringern. Beide Formulierungen beinhalten auffallende Unterschiede in der möglichen Ausprägung, dem Erleben und Empfinden des trans Seins. Wo die Fassung des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) noch beschreibt, dass mit der Geschlechtsidentitätsstörung häufig ein Leidensdruck einhergehe, ohne dies weiter auszuführen, wird im Pschyrembel bereits die Möglichkeit einer so bezeichneten partiellen Geschlechtsdysphorie erwähnt (ebd.). Diese Defintion beschreibt zwar weiterhin, dass dieser Zustand nicht häufig auftrete, es lässt jedoch die Möglichkeit zu, dass ein schrittweiser Abbau der bestehenden Vorstellungen über „korrektes“ Empfinden von Geschlechtsdysphorie möglich sein kann. Darüber hinaus verwendet die zweite Formulierung, im Gegensatz zur Version des DIMDI, den Begriff der Geschlechtsdysphorie. Dieser Begriff, manchmal auch nur Dysphorie, orientiert sich an der englischsprachigen Bezeichnung der gender dysphoria. Dieser kann in der Definition des trans Seins des britischen National Health Service (NHS) gefunden werden (vgl. NHS 2016). Neben dem Begriff der gender identity disorder ist dies ein gängiger Ausdruck, um trans Sein zu beschreiben.
Hierzu die Definition des NHS:
„Gender dysphoria is a condition where a person experiences discomfort or distress because there‘s a mismatch between their biological sex and gender identity. It‘s sometimes known as gender identity disorder (GID), gender incongruence or transgenderism.“ (ebd.)
Dies zeigt, dass der Dysphoriebegriff im Deutschen wie im Englischen gleichbedeutend verwendet wird. Im Deutschen wird der Begriff im medizinischen Bereich ebenso aufgefasst wie zum Beispiel beim NHS und als Synonym zur Geschlechtsidentitätsstörung verwendet. Da das trans Sein in medizinischen Definitionen mit dem Leidensdruck und daraus resultierenden operativen Eingriffen gleichgesetzt wird, beschreibt die Dysphorie hierbei keinen gesonderten Zustand des jeweiligen Empfindens, sondern wird lediglich als ein austauschbarer Begriff zu Transsexualität oder auch Geschlechtsidentitätsstörung verwendet.
Diese dargelegten Definitionen setzen zunächst Zweigeschlechtlichkeit als Normalzustand fest und machen Personen, die von diesem abweichen, diagnosebedürftig. Darüber hinaus legen sie fest, dass die Abweichung des geschlechtlichen Empfindens stets mit einem speziellen Leidensdruck einhergehe. Dies legt zunächst offen, dass die hierzu benötigte Vorstellung von Geschlechtern streng binär ist und davon ausgeht, dass diese an Körpern ablesbar seien. Eine körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung wird hierbei kaum berücksichtigt. Personen, die dieses Empfinden nach Zugehörigkeit zu einem bestehenden binären Geschlecht nicht oder nicht die entsprechenden „korrekten“ Empfindungen haben, werden von dieser Diagnose nicht erfasst und können somit auf dem bestehenden Weg keinerlei Behandlung erfahren.4
Universitäre Gender Studies als Perspektive
Innerhalb der universitären Gender Studies ergibt sich noch oftmals die Aufteilung des Geschlechts in Sex und Gender (vgl. Kerner 2007: 5ff.). Also in das sogenannte biologische und das sogenannte soziale Geschlecht (ebd.). Die Kategorie des biologischen Geschlechts gibt hiernach Auskunft über die anatomischen Gegebenheiten einer Person, wohingegen das soziale Geschlecht beschreibt, welche soziale geschlechtliche Rolle gelebt werde (Gleichstellungsbeauftragte der Universität Duisburg-Essen 2013). Hieraus ergibt sich für das trans Sein leider zu oft die Definition, dass Personen entsprechend einer Abweichung zwischen angenommenem anatomischen Geschlecht und der gelebten sozialen Rolle aufweisen (vgl. Serano 2007: 26). Oder anders ausgedrückt, es wird definiert, dass so bezeichnetes biologisches und soziales Geschlecht nicht miteinander übereinstimmen (ebd.). Grundlegende Kritiken an bestehenden Biologismen tauchen noch zu selten auf und somit haben trans Personen einen äußerst schweren Stand, der mit viel emotionaler Aufklärungsarbeit verbunden ist. Sofern sie dem Druck standhalten können, sich immer und überall zu erklären. Judith Butler beschrieb zwar bereits 1990 in Gender Trouble/Das Unbehagen der Geschlechter nicht lediglich ein soziales, sondern Geschlecht generell als sozial konstruiert (ja, auch das „biologische“). Doch obwohl Butler weithin bekannt ist, wird die Existenz von transgeschlechtlichen Menschen leider allzu häufig als außerhalb des gesellschaftlichen Lebens stehend begriffen. Trans Personen gelten allzu oft lediglich als passive Forschungsobjekte, die als lebendige Datensätze fungieren. Eine aktive Rolle als Aktivist*innen oder Forscher*innen wird ihnen zu selten zugeschrieben oder gar nicht erst zugetraut.
Trans aktivistische Perspektive
Aus meiner aktivistischen Perspektive bedeutet trans Sein, dass eine Person über keine, oder keine vollständige Identifikation mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht verfügt. Hierzu folgendes Zitat:
„Transgender or Transexuality is an umbrella term for anyone whose internal experience of gender does not match the gender they were assigned at birth(…). Transgender people often experience discomfort or distress due to their gender not being recognized by others, and therefore wish to transition