Kubinke und die Leichen im Keller: Kriminalroman. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Ужасы и Мистика
Год издания: 0
isbn: 9783956179563
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      2

      Jahre später...

      „Ich bin Dr. Gerold M. Wildenbacher vom Ermittlungsteam Erkennungsdienst in Quardenburg. Lassen Sie mich bitte durch!” Wildenbacher drängte sich bereits an dem Polizeimeister vorbei. „Gehen Sie die Treppe hinunter! Der Aufzug ist nicht in Betrieb”, sagte dieser noch. „Kriminaloberkommissar Rasch von der Mordkommission erwartet Sie bereits.”

      „Kann ich was dafür, wenn der Flieger Verspätung hat?”, knurrte Wildenbacher.

      „Der hat ja ein sonniges Gemüt”, meinte ein anderer Polizeimeister leise an seinen Kollegen gerichtet. Aber er war nicht leise genug, denn Wildenbacher hatte mitbekommen, was er gesagt hatte.

      „Was erwartest du?”, gab der angesprochene Polizist zurück. „Er ist ein Gerichtsmediziner.”

      „Du meinst, wer seinen Job macht, muss ein Gemüt wie ein Schlachtergeselle haben?”

      „Oder aus Bayern stammen.”

      „Wieso?”

      „Hast du nicht mitgekriegt, wie er redet?”

      Wildenbacher war inzwischen die Treppe in den Keller hinuntergegangen. Er folgte einfach den Stimmen. Und die kamen eigenartigerweise aus der Tiefe.

      „Ist da jemand?”, rief der. Dann ging er weiter und fand die Treppe, die zum unter dem Keller liegenden Stockwerk führte.

      Er ging einen Flur entlang. Eine Frau im weißen Plastik-Overall des Erkennungsdienstes des Frankfurter Polizeipräsidiums kam ihm entgegen. Dass es eine Frau war, konnte man nur an Größe und Körperform erkennen. Die zum Overall gehörende Kapuze ließ nur das Gesicht frei.

      „Sie sind nicht vorschriftsmäßig gekleidet”, sagte sie. „Wenn Sie einen Einweg-Overall ...”

      „Ist Kriminaloberkommissar Rasch da hinten?”

      Die Erkennungsdienstlerin seufzte genervt.

      „Sie müssen dieser Wildenbacher sein, richtig?”

      „Richtig.”

      „Ich bin für einen Ihrer nächsten Fortbildungskurse zum Thema ‘Pathologie-Grundkurs für Forensiker’ angemeldet.”

      „Ach ja, spendiert Ihnen das die Stadt Frankfurt?”

      „Leider nicht. Ich werde die Gebühren selbst zahlen und auch noch unbezahlten Urlaub dafür nehmen müssen.”

      „Sie werden sehen, dass mein Kurs das wert ist.”

      „Das will ich hoffen.”

      „Auch normale Erkennungsdienstler sollten wenigstens über Grundkenntnisse in meinem Gebiet verfügen. Dann wissen Sie wenigstens, wovon ich rede, wonach ich suche und was für unsereins möglicherweise wichtig sein kann.”

      „Vielleicht beachten Sie jetzt auch mal, was wir so für wichtig halten und ziehen sich einen Overall an. Sie finden welche in dem Raum links. Gehen Sie dann noch ein Stück weiter und Sie kommen dorthin, wo die Knochen im Beton sind!”

      Wildenbacher ließ sie einfach stehen. Er dachte gar nicht daran, sich von irgendeiner Erkennungsdienstlerin aus irgendeinem Polizeipräsidium irgendwelche Vorschriften machen zu lassen. Und darüber hinaus hörte er jetzt Stimmen, die seine gesamte Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment in Beschlag nahmen. Die eine Stimme erkannte er sofort. Der Hamburger Akzent trat so deutlich hervor, dass man ihn einfach nicht überhören konnte.

      „FGF”, murmelte er. „Hätte ich mir ja denken können ...”

      FGF war die Abkürzung für Dr. Friedrich G. Förnheim. Wie Wildenbacher war Förnheim Mitglied des Ermittlungsteam Erkennungsdiensts in Quardenburg. Ein ausgezeichneter Naturwissenschaftler, dessen chemische Analysen ebenso zu diversen spektakulären Ermittlungserfolgen des BKA beigetragen hatten wie seine ballistischen Untersuchungen. Manchmal kam es auf die Feinheiten und das Spezialwissen eines erfahrenen Forensikers an. Und genau das war Förnheims Domäne.

      Wildenbacher und Förnheim respektierten sich gegenseitig. Daran änderten auch die Frotzeleien und kleinen Animositäten nichts, die es zwischen dem Bayer und dem Norddeutschen gab.

      Die zweite Männerstimme kannte Wildenbacher nicht. Aber da Förnheim diesen Mann während des Gesprächs mit Kriminaloberkommissar anredete, war wohl anzunehmen, dass es sich um Kriminaloberkommissar Rasch vom Frankfurter Polizeipräsidium handelte.

      Wildenbacher erreichte schließlich den Raum, in dem seine Dienste gefragt waren und blieb abrupt stehen.

      „Hey, nicht einfach hier herumtrampeln!”, rief der Kriminaloberkommissar.

      Wildenbacher nahm ihn nur kurz aus den Augenwinkeln heraus wahr, ebenso wie Förnheim. Beide trugen vorschriftsmäßig weiße Einwegoveralls inklusive Kapuze, so dass auch bei ihnen nur das Gesicht zu sehen war. Aber Wildenbachers Aufmerksamkeit war vollkommen von dem Anblick gefesselt, der sich ihm bot.

      „Eine Hand im Beton”, murmelte er. „Das hat man nicht alle Tage.”

      „Ich kann Ihnen versichern, dass noch nicht allzu viele sachunkundige Hände dran waren”, erklärte Förnheim. „Abgesehen von einem sympathischen Kerl mit einem Presslufthammer, der versucht hat, die alte Betondecke aufzubrechen.”

      Wildenbacher blickte auf.

      „Dann waren Sie auch nicht schnell genug hier, Fischkopp?”, meinte er.

      „Ich bin kurz vor Ihnen eingetroffen”, gab Förnheim zurück. Den ‘Fischkopp’ überhörte er geflissentlich. „Ihr Kongress der forensischen Naturwissenschaften in München wird wohl auf meinen Beitrag zur Vortragsreihe verzichten müssen, denn das hier wird für uns beide eine sehr anspruchsvolle Aufgabe.”

      „Allein die Sicherung von genetischem Material, das für eine Identifizierung ausreicht, wird in diesem Fall eine Kunst für sich sein”, war Wildenbacher sofort klar.

      „Mal abgesehen davon, dass völlig ungewiss ist, ob wir irgendwo eine Vergleichsprobe auftreiben können, gebe ich Ihnen vollkommen recht”, meinte Förnheim. „Das hängt unter anderem davon ab, wie aggressiv die chemischen Zusätze in dem Beton sind. Ich hatte mal den Fall eines in Beton gegossenen Opfers aus ...”

      „Ersparen Sie mir das!”, wehrte Wildenbacher ab. „Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, wer der Tote sein könnte?”

      „Es ist nicht nur ein Toter, Gerald”, erklärte Förnheim mit einem Gesicht, das keinerlei Regung erkennen ließ. „Ich habe bereits Infrarotaufnahmen gemacht und die zeigen, dass möglicherweise ein Dutzend Personen hier erschossen wurden.”

      „Erschossen?”, wunderte sich Wildenbacher. „Wozu bin ich überhaupt hier, wenn Sie das alles schon wissen? Oder saugen Sie sich das nur gerade einfach aus den Fingern.”

      „Wir haben ein paar Projektile sichern können”, mischte sich jetzt der Kriminaloberkommissar ein. „Mein Name ist übrigens Rasch. Ich leite diesen Einsatz hier.”

      „Angenehm.”

      „Sie müssen Dr. Wildenbacher sein.”

      Wildenbacher antwortete nicht. Er ließ noch immer den Blick über den Boden schweifen, so als würde er irgendetwas suchen.