Sprachgewalt. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Жанр произведения: Социальная психология
Год издания: 0
isbn: 9783801270308
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wir sonst nicht als populistisch bezeichnen würden. Aber es gibt auch Hardcore-Fälle: solche, die klar und eindeutig sind (Trump zum Beispiel). An die denke ich. Es gibt eine Vielzahl von Hardcore-Fällen, die übrigens nicht auf die rechte Seite des politischen Spektrums beschränkt sind. Aber es existiert ein gemeinsamer Rahmen oder eine gemeinsame Struktur, die man sich wie eine Brille vorstellen muss, durch die alle Hardcore-Populisten die Welt betrachten. Diesen Rahmen will ich hier in den Blick nehmen – die Struktur der Weltanschauung oder Denkweise des Hardcore-Populismus. Ich will versuchen, einen Maßstab zu finden, mit dem Leserinnen und Leser selbst beurteilen können, ob, in welchem Umfang und in welcher Hinsicht ein Politiker, eine Partei oder eine Kampagne populistisch ist oder nicht. Darüber wird es immer Streit geben. Ich kann den Streit nicht beilegen, will aber helfen ihn zu vereinfachen.

      Obwohl es ein Fehler ist, sich zu sehr auf die Etymologie zu stützen, können die Wurzeln eines Wortes ein Hinweis auf seine Bedeutung sein. Beginnen wir also am Anfang: bei der Herkunft des Wortes. Der Begriff Populismus leitet sich vom lateinischen »populus«, Volk, ab, doch das sollten wir nicht zu wörtlich nehmen, denn »populär« hat den gleichen Ursprung, aber nicht die gleiche Bedeutung. Jemand, der populär ist, ist nicht unbedingt ein Populist (so wie jemand, der »säkular« ist, nicht unbedingt ein »Säkularist« ist) und umgekehrt. Bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 gewann Hilary Clinton mit einem Vorsprung von fast drei Millionen Stimmen diese »Volksabstimmung«. Sie war eindeutig populärer als Trump, aber ihre Kampagne war nicht im Entferntesten populistisch. Die Tatsache, dass diese beiden Wörter ähnlich sind, ist eine weitere Quelle der Verwirrung, aber der Unterschied in der Bedeutung ist entscheidend. Populär zu sein bedeutet, die Menschen im Allgemeinen anzusprechen. Populist zu sein bedeutet, in irgendeiner Weise mit »dem Volk« verbunden zu sein: das Volk, im Unterschied zu den Menschen im Allgemeinen. Der bestimmte Artikel (»das«) markiert den Unterschied.

      Was nicht heißen soll, dass immer dann, wenn der Ausdruck »das Volk« auftaucht, gleich der Populismus sein hässliches Haupt erhebt. Das Dokument, das mit den Worten »Wir, das Volk der Vereinigten Staaten« (die US-Verfassung) beginnt, ist kein populistischer Text; es ist ein demokratischer Text (wenn auch ein fehlerhafter demokratischer Text). Ralf Dahrendorf äußerte einmal den Verdacht: »Des einen Populismus ist des anderen Demokratie, und umgekehrt.«9 Dies, so bemerkte er, könne nicht einfach abgetan werden. Er hatte Recht, aber man kann es auch nicht gutheißen. Es muss eine Möglichkeit geben, die beiden voneinander zu trennen, zwischen populistisch und demokratisch zu unterscheiden, sonst gibt es ein (logisches und politisches) Chaos, sonst wird entweder »demokratisch« zu einem abwertenden Begriff, was absurd wäre, oder »populistisch« wird aufgewertet. Die grassierende Verwirrung um das Wort würde also noch größer.

      Was hat es mit der Verwendung des Begriffs »das Volk« in der Präambel der US-Verfassung auf sich, dass sie nicht populistisch ist? Wer sind »die Menschen«? Wenn wir die Bände mit juristischen Kommentaren durchforsten, können wir grob sagen, dass »das Volk« in diesem Text die Bürger sind. Der Ausdruck bezeichnet die Gesamtheit der Individuen, die die Bürgerschaft als Ganzes ausmachen. Das Ganze, »das Volk« in dieser Wendung hier, ist die Summe seiner Teile. Im populistischen Sinne jedoch ist »das Volk« niemals das Ganze, ist es niemals inklusiv.

      Aber selbst das ist nicht ganz eindeutig und endgültig. Denken Sie an den Slogan »die Macht dem Volk«, der in den 1960er-Jahren in den USA aufkam. »Das Volk« bezog sich auf die hoi polloi, das einfache Volk: Menschen, die in einem liberal-demokratischen (oder plutokratischen) System sozial und wirtschaftlich benachteiligt waren. Der Ausdruck »das Volk« fungierte damals als Teil einer Forderung nach einer Umverteilung der politischen Macht, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Obwohl »das Volk« hier also nicht die Bevölkerung als Ganzes meinte, wurde die Parole jedoch nicht verwendet, um eine Gruppe zu privilegieren und andere vom nationalen System auszuschließen. Etwas komplizierter liegt der Fall der Black Panthers, deren Parole »Alle Macht dem Volk« benutzt wurde, um die Sache des Schwarzen Nationalismus voranzubringen. Bezeichnenderweise erinnerte ihr »Zehn-Punkte-Programm« jedoch an die Bill of Rights der US-Verfassung.10 Der Schwarze Nationalismus war eine Reaktion auf den Ausschluss aus dem »Wir« in der Formulierung »Wir, das Volk der Vereinigten Staaten«. Wenn jedes politische Programm, das Reformen, eine Revolution oder sogar Unabhängigkeit im Namen der Gerechtigkeit anstrebt, populistisch ist, dann ist Populismus entweder nicht mehr abwertend oder das Wort verliert jegliche Bedeutung. (In manchen Fällen kann der Ausdruck »das Volk« jedoch zwischen einem populistischen und einem nicht populistischen Gebrauch schwanken – und diese Zweideutigkeit nutzen populistische Politiker gerne aus).

      Wie wird dann der Ausdruck »das Volk« in einem eindeutig populistischen Diskurs verwendet? Wer sind »die Menschen« in der Weltanschauung des Hardcore-Populismus? Um diese Frage zu beantworten, möchte ich ein Beispiel nennen: Reden von Nigel Farage aus dem Jahr 2016, als sich Großbritannien für den Brexit (Juni) und die USA sich für Trump (November) entschieden.11 In meinen Kommentaren zu den Redeauszügen werde ich Merkmale einfügen, die Farage zwar so explizit nicht ausgesprochen hat, die aber Teil seines Subtextes sind, auf den es hier ankommt.

      In den frühen Morgenstunden des 24. Juni 2016, einem Freitag, einen Tag nach dem Referendum über den Verbleib in der EU, sprach Farage, der damals die UK Independence Party (UKIP) führte, auf einer Kundgebung zu seinen Anhängern. Das Ergebnis war noch nicht offiziell bekannt gegeben worden, doch zeichnete sich der Sieg der Austrittskampagne bereits deutlich ab. In einer kurzen Rede gelang es ihm, mehrere Schlüsselkomponenten eines klassisch-populistischen Diskurses zusammenzufassen. Das Ergebnis, so sagte er, »wird ein Sieg für echte Menschen sein, ein Sieg für normale Menschen, ein Sieg für anständige Menschen«12. Bei dieser Gelegenheit setzte er den bestimmten Artikel »der« nicht vor »Menschen«, aber er war in seiner Rhetorik implizit enthalten. Doch wenig später wurde er deutlicher, als er auf einer Wahlkundgebung für Trump in Mississippi sprach und explizit sagte, er bringe »eine Botschaft der Hoffnung« aus dem Vereinigten Königreich. »Es ist eine Botschaft, die besagt, wenn die kleinen Leute, wenn die wirklichen Leute, wenn die einfachen, anständigen Leute bereit sind, aufzustehen und für das, woran sie glauben, zu kämpfen, dann können wir die großen Banken überwinden, dann können wir die multinationalen Unternehmen überwinden.«13 In der Brexit-Rede vom 24. Juni hatte er die Liste jener Kräfte, die »wir« überwinden können, noch erweitert: »Wir haben gegen die multinationalen Konzerne gekämpft, wir haben gegen die großen Handelsbanken gekämpft, wir haben gegen die große Politik gekämpft, wir haben gegen Lügen, Korruption und Betrug gekämpft«.14

      Hier liegt, kurz gesagt, der harte Kern der populistischen Weltanschauung. In gewisser Weise ist es eine einfache Welt, eine Welt, die aus einem einfachen Kampf oder Konflikt besteht. Auf der einen Seite steht »das Volk«, auf der anderen Seite seine Feinde und Ausbeuter. Das Volk ist »echt« anstatt unauthentisch, »gewöhnlich« im Vergleich zu der Elite, »anständig« im Gegensatz zu den Überbringern von »Lügen, Korruption und Betrug«. Farage nennt diese Leute »klein«: Sie sind klein, weil es ihnen an den Ressourcen der »großen Politik«, der »großen Handelsbanken« und der »multinationalen Konzerne« mangele. Das Wort »multinational« ist rhetorisch aufgeladen, denn »das Volk« ist gleichbedeutend mit »die Nation«, was das Gegenteil von »multi« ist. »Das Volk« ist ein homogener Block mit einem einheitlichen Willen und spricht (außer wenn es gerade »die schweigende Mehrheit« ist) mit einer einzigen Stimme. Ein Volk, ein Wille, eine Stimme. Farage, der sich mit »dem Volk« identifiziert, glaubt, dass er für das Volk sprechen kann. Somit werden seine persönliche Stimme und die Vox populi eins. Aus »wir, das Volk« wird »ich, das Volk«. Dies ist die klassische Stimmlage der Hardcore-Populisten.

      Wenn man dies einmal durchbuchstabiert, wird jede Behauptung, dass »populistisch« und »demokratisch« ununterscheidbar wären, lächerlich. Richtig artikulierter Hardcore-Populismus ist, wie ich eingangs sagte, eine Bedrohung für die Idee einer gerechten, offenen und demokratischen Gesellschaft an sich. In den USA ist Bernie Sanders als Populist gebrandmarkt worden, ebenso wie Jeremy Corbyn in Großbritannien.15 Doch gemessen an den Beispielen dieses Essays – gemessen an der Struktur der Weltanschauung des Hardcore-Populismus – verdient weder Sanders noch Corbyn diese Beschreibung, selbst wenn es in deren Rhetorik populistische