Dein Rainer Zilly
P.S.: Egal, wie die Umstände in deinem Leben aussehen, setze dein Vertrauen auf den lebendigen Gott!
Ein Christen-Abenteuer bei BILD
Zwei Jahre lang hatte ich mein Christ-Sein mehr oder weniger geheim gehalten. Nach meinem Bekenntnis zu Jesus und zum Glauben im Jahr 2013 hatte sich für mich innerlich alles neu sortiert – aber kaum einer hatte es mitbekommen.
Ich war offensichtlich auch nicht besonders scharf darauf gewesen, allen in meinem Freundes- und Kollegenkreis zu erzählen, dass mir nun Jesus Christus wichtiger geworden war als alles andere auf der Welt. Das hätte wohl zu Diskussionen geführt, zu Konflikten. Stellvertretender Chefredakteur von BILD und neuerdings auch Jesus-Nachfolger – das klang erklärungsbedürftig. Vielleicht spielte auch die Angst vor Spott eine Rolle.
An einem Abend im April 2015 kam dann der Impuls: Steh auf!
Sprich deine Gottesliebe offen aus! Schreib sie auf!
Auslöser dafür war das Morden der ISIS-Terroristen, das damals seinen Höhepunkt hatte. Es zehrte an mir, dass da Menschen im Namen ihres angeblichen Glaubens unfassbares Grauen anrichteten. Und ich haderte, weil mein Glaube eine so andere, so liebevolle Rettungsbotschaft beinhaltete – aber sie kaum noch Gehör fand im Schatten dieser verirrten, vermeintlichen Gotteskrieger.
Es war schon spät an diesem Abend. Nach 23 Uhr. Ich saß auf dem Sofa und meinte, Gottes Forderung innerlich zu hören, zu spüren: Tu etwas zu meiner Ehre!
Ich wollte nicht.
Der gesellschaftspolitische Kommentar war nicht meine Stamm-Disziplin bei BILD. Mit einem Rums meinen privaten Glauben bei BILD öffentlich zu machen – davor hatte ich Bammel. Was würden Kollegen sagen? War das nicht völlig unangemessen für einen Vize-Chefredakteur?
Doch egal, wieviel ich betete und es hinauszögerte – das Drängen blieb. Die vielen Bibelverse kamen mir in den Sinn, in denen es heißt, dass wir uns nicht fürchten sollen, und in denen wir dazu aufgefordert werden, mutig zum Glauben zu stehen. Paulus schreibt zum Beispiel:
„Zu dieser Botschaft bekenne ich mich offen und ohne mich zu schämen, denn das Evangelium ist die Kraft Gottes, die jedem, der glaubt, Rettung bringt“ (Römer 1,16 NGÜ).
Ich war damals noch sehr grünschnabelig im Glauben. Längst hatte ich nicht alles kapiert, was in der Bibel steht (und habe es bis heute nicht). Aber ich hatte mir vorgenommen, das, was ich verstanden hatte, auch umzusetzen. Ich wollte mein Gottvertrauen trainieren, indem ich nicht nur auf meinen eigenen Kopf und meine eigenen Gefühle hörte, sondern anfing, mich im Gebet zu überprüfen: Gab es da einen Impuls? Oder gab es einen Satz in der Bibel, der mich in die eine oder andere Richtung schickte?
In diesem konkreten Fall war es (damals nicht zu meinem Vergnügen) ziemlich eindeutig: Bibel und Gebet stimmten überein, dass es richtig und wichtig ist, für die Botschaft von Jesus einzustehen und sie nicht unter den Teppich zu kehren. Sicher, ich hätte mich freuen können über diese Klarheit. Über die Behaglichkeit, von Gott auf einen Weg gestupst zu werden. Habe ich aber damals nicht. Zu groß war die Unsicherheit vor den Folgen. Dennoch begann ich, meinen Text zu schreiben: „Warum ich mich heute als Christ outen will.“ (Er lässt sich auch heute noch leicht via Google finden).
Lang und breit formulierte ich mein kleines Glaubensbekenntnis. Machte mein Ziel, ein Nachfolger von Jesus zu sein, öffentlich. Versuchte, aus den biblischen Aufträgen Aufforderungen abzuleiten in einer Zeit, in denen Terror und Morden, Flucht und Vertreibung so allgegenwärtig waren. Mein Fazit war: „Der Glaube an Gottes Liebe, Gnade und Vergebung ist kein Problem, sondern unsere Chance.“
Tief in der Nacht schickte ich diesen Text an meinen Chefredakteur – und hatte keine Ahnung, was passieren würde. Doch noch ehe ich eingeschlafen war, kam die Antwort: „Super. Machen wir so!“ Und am nächsten Tag ging der Text bei BILD.de online.
Was danach passierte, hat mein Leben verändert.
Ich trug den innerlichen Kloß aus Ungewissheit und Zweifel noch mit mir herum, als mir die ersten Reaktionen aus dem Internet entgegen trudelten. Ob ich Drogen genommen hätte, wurde ich gefragt. „Typische BILD-Hetze“, kommentierte jemand. „Na, das wird ja heiter“, dachte ich.
Doch im Laufe des Tages drehte es sich. Der Text war auf der BILDHomepage bereits weiter nach unten gerutscht, doch die Kommentare wurden immer mehr. Ein Bistum schrieb auf Twitter von einem „erstaunlichen Bekenntnis“ und bedankte sich. Immer häufiger kamen Sätze wie „Danke für den Mut!“ Mutig? Ich? Fühlte sich nicht so an.
Und plötzlich war von „Ermutigung“ die Sprache. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mir war ja gar nicht klar gewesen, was genau Sinn und Zweck meines Artikels sein sollte. Ich wollte von der Gottes- und Nächstenliebe in dieser zerrütteten Zeit erzählen. Das Wort „Ermutigung“ hatte keine Rolle in meinen Überlegungen gespielt.
Inzwischen kamen die Kommentare im Sekundentakt. Ich bekam Mails von Kolleginnen und Kollegen, die sich ebenfalls bedankten. Auch Menschen, die mit dem Glauben nichts am Hut hatten, nickten mir zu und sagten Sätze wie:
„Ist zwar nicht mein Ding. Aber Respekt, dass du dazu stehst.“
Die Stunden nach diesem Artikel haben mich überwältigt. Es war kein Rausch. Es fühlte sich noch immer etwas unangenehm an, plötzlich mit so etwas „Privatem“ dermaßen im Fokus zu stehen. Es folgten Interview-Anfragen; es gab Berichte auf christlichen Portalen; insgesamt sammelte der Artikel über 19.000 Reaktionen im Netz.
Kurz darauf meldete sich ein Verlag und fragte an, ob ich nicht ein Buch schreiben wolle über meinen Weg zum Glauben. Ich, der unsichere Glaubens-Anfänger, sollte plötzlich ein Buch schreiben, Vorträge vor Gemeinden halten, in Talk-Shows auftreten. Nichts hätte mir noch kurz davor ferner liegen können. Nichts hätte ich mir weniger zutrauen können. Doch ich hatte meine Lektion gelernt. Ich sagte alles zu. Wieder nahm ich die Bibel als meinen Ratgeber. Wieder überprüfte ich die Antworten auf meine inneren Fragen im Gebet.
Ich hatte lernen dürfen, dass es keinen Grund gibt, sich für den Glauben an Jesus zu schämen. Dass es natürlich auch Gegenwind gibt, aber dass Gott und die Christen mich nicht allein lassen. Und (das ist es, was für mich den Weg im Glauben so abenteuerlich macht): Gottvertrauen bedeutet nicht, dass mir plötzlich alles gelingt oder so kommt, wie ich mir das wünsche. Aber ich darf darauf vertrauen, dass Gott es zu seiner Ehre nutzen wird. Und das wiederum schenkt mir inneren Frieden, Kraft und Zuversicht. Und es macht mir Mut, es wieder und wieder zu wagen.
Daniel Böcking | Jg. 1977 | verheiratet | 4 Kinder | Berlin | 20 Jahre lang BILD, zuletzt stellvertretender Chefredakteur, seit Januar 2021 Chefredakteur Agentur StoryMachine | www.storymachine.de
Das Lebensretter-Schild
Es war im Frühjahr 2013. Eigentlich war es eher noch Winter, denn die an mir vorbeiziehende Landschaft auf der Autobahn war grau in grau. Schneeregen, eingeschränkte Sicht, das monotone Kratzen der Wischblätter auf der Frontscheibe meines Wagens.
Außenstehende hätten mich damals als „Erfolgstypen“ beschrieben: Verheiratet, einen wundervollen Sohn, das Hobby zum Beruf gemacht (ich war international erfolgreich mit meiner Band, hatte einige hunderttausend CDs verkauft und ein volles Auftragsbuch in meinem eigenen Tonstudio), war keine drei Jahre zuvor deutscher Vizemeister im Säbelfechten geworden und auf sämtlichen Partys und Veranstaltungen ein gern gesehener und unterhaltsamer Gast.
In Wahrheit aber lag damals meine Ehe bereits in Trümmern, und ich befand mich aufgrund von Depressionen und Panikattacken seit geraumer Zeit in psychotherapeutischer Behandlung. Der Untergang der Schallplatten- und CD-Industrie klopfte schon bedrohlich an die Tür, und die Digitalisierung der Tontechnik (für jedermann im kleinen Home-Studio realisierbar) würde