Wir wissen zum Beispiel, dass etwa bei den Erscheinungen des automatischen Schreibens oder bei der Verbindung mit den Toten darüber debattiert wird, ob sie von außen kommen, von einem entkörperten mentalen Geist, oder von innen, vom unterschwelligen Bewusstsein, oder ob die Verbindung wirklich und unmittelbar von der abgelösten Persönlichkeit ausgeht oder aber, ob es ein an die Oberfläche gelangter telepathischer Eindruck ist, der dem Geist des damals Lebenden entsprang, jedoch in unserer unterschwelligen Mentalität untergetaucht blieb. Derartige Bedenken könnten auch den Materialien der Erinnerung an eine Reinkarnation entgegengebracht werden. Man könnte die Behauptung aufstellen, dass durch diese Materialien die Kraft einer gewissen geheimnisvollen Fähigkeit in uns bewiesen wird, ein Bewusstsein, das ein unerklärliches Wissen vergangener Geschehnisse in sich bergen kann, dass diese Geschehnisse aber zu anderen Persönlichkeiten als der unseren gehören und dass ihre Zuordnung zu unserer eigenen Persönlichkeit in vergangenen Leben eine Fantasievorstellung, eine Halluzination ist oder aber ein Beispiel der Selbstaneignung von wahrgenommenen Dingen und Erfahrungen, die jedoch nicht uns angehören – eine jener unbezweifelbaren Erscheinungen mentalen Irrtums. Durch eine solche Ansammlung von Beweismaterial würde vieles bewiesen, nicht jedoch die Wiedergeburt, zumindest nicht für den Skeptiker. Wäre das Material hinreichend ausführlich, genau und reichhaltig sowie persönlich genug, würde es sicher eine Atmosphäre schaffen, die letztlich dazu führen würde, dass die Theorie als eine moralische Gewissheit von der menschlichen Art allgemein angenommen wird. Beweisen ist jedoch etwas anderes.
Im Grunde ist das meiste, was wir als Wahrheit annehmen, eigentlich nichts anderes als moralische Gewissheit. Wir alle haben den tiefsten, unerschütterlichsten Glauben, dass die Erde sich um ihre eigene Achse dreht, doch wurde diese Tatsache nie bewiesen, wie ein großer französischer Mathematiker aufzeigte; es ist nur eine Theorie, die eine gute Begründung für einen zu beobachtenden Sachverhalt abgibt, weiter nichts. Wer weiß, ob sie nicht in diesem oder einem anderen Jahrhundert durch eine bessere – oder schlechtere – ersetzt wird. Alle beobachteten astronomischen Erscheinungen wurden durch Sphärentheorien und was sonst noch alles großartig erklärt, bevor Galilei mit seinem „Und sie bewegt sich doch!“ auftrat und die Unfehlbarkeit von Papst und Bibel, Wissenschaft und Gelehrtenlogik erschütterte. Man hat das sichere Gefühl, dass großartige Theorien erfunden werden könnten, um die Tatsache der Gravitation zu erklären, wäre unser Intellekt nicht von den früheren Beweisführungen Newtons1 voreingenommen. Dies ist die unserem Verstande eigene und ihn stets verwirrende Plage; denn wenn er anfängt, weiß er nichts und hat sich mit unendlich vielen Möglichkeiten zu befassen, und die möglichen Erklärungen für jede beliebige Faktenreihe, bis man wirklich weiß, was dahintersteckt, sind endlos. Letztlich wissen wir eigentlich nur das, was wir beobachten, und auch dies unterziehen wir einer quälenden Untersuchung, zum Beispiel, dass grün grün und weiß weiß ist, obgleich es so aussieht, als wäre die Farbe nicht Farbe, sondern etwas anderes, das das Erscheinen von Farbe hervorbringt. Jenseits der beobachtbaren Tatsachen müssen wir uns mit annehmbarer Erfüllung der Logik, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit und mit moralischer Gewissheit zufriedengeben – wenigstens so lange, bis wir für die Beobachtung Sinn haben, dass es höhere Möglichkeiten in uns gibt als den sinnenabhängigen Verstand – und die Entwicklung abwarten, mit denen wir zu größerer Gewissheit gelangen können.
Zugunsten der Theorie der Wiedergeburt können wir in der Tat keine solche sehr große Wahrscheinlichkeit oder Gewissheit behaupten, wie wir es gegen den Skeptiker getan haben. Der noch verfügbare äußere Beweis ist letztlich nur ein Ansatz. Pythagoras war einer der größten Weisen, aber seine Behauptung, er habe vor Troja unter dem Namen des Antenoriden mitgekämpft und sei durch den jüngeren Atreussohn erschlagen worden, ist eben nur eine Behauptung, und seine Identifizierung des trojanischen Schildes wird niemanden überzeugen, der nicht schon überzeugt ist; die moderne Beweisführung ist bis jetzt um nichts überzeugender als der Beweis des Pythagoras. In Ermangelung eines äußeren Beweises, der für unseren sachbeherrschten, sinnenhaften Intellekt allein schlüssig ist, haben wir das Argument der Verfechter der Wiederverkörperung, dass ihre Theorie alle Fakten besser erklärt als jede andere schon vorgebrachte. Der Anspruch ist berechtigt, aber er schafft überhaupt keine Gewissheit. Die Theorie der Wiedergeburt verbunden mit der Karma-Theorie gibt uns eine einfache, symmetrische und schöne Erklärung der Dinge; doch eine ebenso einfache, symmetrische und schöne Erklärung der Himmelsbewegungen gab uns auch die Sphärentheorie. Doch wir haben jetzt eine ganz andere Erklärung, eine viel komplexere, in ihrer Symmetrie viel gröbere und schwankendere, eine unerklärliche Ordnung, die sich aus chaotischen Unendlichkeiten herausentwickelte und die wir als die Wahrheit der Sache akzeptieren oder zu akzeptieren pflegten, aber jetzt wird uns zu verstehen gegeben, dass diese Ordnung nur ein von unserem eigenen Geist geschaffenes oder von der Beschaffenheit unseres Gehirns bestimmtes Schema ist, eine Syntax und Logik von Worten und Gedanken, die wir einer Welt aufzwingen, die in Wahrheit nichts Derartiges enthält beziehungsweise enthalten kann. Und doch, wenn wir nur denken wollen, werden wir vielleicht erkennen, dass auch dies nicht die ganze Wahrheit ist. Es steckt viel mehr dahinter, was wir noch nicht entdeckt haben. Daher ist die Einfachheit, Symmetrie und Schönheit und das Befriedigende der Theorie der Reinkarnation keine Garantie für ihre Gewissheit.
Gehen wir in die Einzelheiten, wächst die Ungewissheit. Die Wiedergeburt erklärt zum Beispiel das Phänomen des Genies, angeborener Fähigkeiten und so manch andere psychologische Geheimnisse. Doch dann kommt die Wissenschaft mit ihrer Vererbung, die allem gerecht wird und alles erklärt – obschon, wie bei der Wiedergeburt, nur für die, die ohnehin bereits daran glauben. Zweifellos wurden die Ansprüche der Vererbungslehre unsinnig übertrieben. Es gelang ihr in vielem, nicht in allem, die Begründung unseres Körperbaus, unseres Temperaments und unserer vitalen Eigenheiten. Ihr Versuch, eine Begründung für Genie, für angeborene Fähigkeiten und andere psychologische Erscheinungen höherer Art zu liefern, ist dagegen in seiner Anmaßung ein Fehlschlag. Dies mag daran liegen, dass die Naturwissenschaften überhaupt nichts Grundlegendes über unsere Psychologie wissen – nicht viel mehr als die ersten Astronomen von der Zusammensetzung und den Gesetzen der Sterne, deren Bewegungen sie doch schon mit hinreichender Genauigkeit beobachteten. Ich glaube nicht, dass die Wissenschaft in der Lage sein wird, auch wenn sie mehr und besser weiß, diese psychologischen Dinge mittels Vererbung zu erklären; doch kann der Wissenschaftler sehr wohl so argumentieren, dass er erst am Anfang seiner Untersuchungen stehe, dass die Verallgemeinerung, die so vieles erklärt hat, sehr wohl alles erklären könne und dass seine Hypothese mit ihrem beweiskräftigen Material an Fakten auf jeden Fall eine bessere Ausgangsposition gehabt habe als die Theorie der Reinkarnation.
Dennoch ist das Argument des Theoretikers der Reinkarnation so weit ein gutes Argument und verdient Respekt, obwohl es nicht schlüssig ist. Doch gibt es ein anderes, lautstärker vorgetragenes, das mir der feindseligen Argumentation vom fehlenden Gedächtnis zu entsprechen scheint, wenigstens in der Form, in der es normalerweise vorgebracht wird, um unreife Gemüter anzuziehen. Es ist das sittliche Argument, mit dem man Gottes Umgangsweisen mit der Welt oder die Umgangsweise der Welt mit sich selbst zu rechtfertigen sucht. Es muss da eine moralische Weltregierung geben, so wird gedacht; oder mindestens ein Dekret in der Weltordnung zur Belohnung der Tugend und zur Bestrafung der Sünde. Doch auf unserer wirren und chaotischen Erde tritt keine solche Sanktion in Erscheinung. Wir sehen, wie der gute Mensch in die Presse der Misere und des Elends hinuntergestoßen wird und der schlechte wie ein grüner Lorbeerbaum gedeiht und an seinem Ende eben nicht jämmerlich dahingerafft wird. Nun, das ist unerträglich. Es ist eine grausame Anomalie, es wirft ein schlechtes Licht auf Gottes Weisheit und Gerechtigkeit und ist beinahe ein Beweis dafür, dass es Gott nicht gibt; wir müssen das in Ordnung bringen. Oder wenn es Gott nicht gibt, müssen wir irgendeine andere Sanktionierung der Rechtschaffenheit haben.
Wie tröstlich wäre es, wenn wir einen guten Menschen und sogar den Umfang seines Gutseins – denn sollte nicht der Höchste ein genauer und ehrbarer Buchhalter sein? – am Umfang des Ghee (geklärte Butter) erkennen könnten, das er in seinen Magen tun darf, an der Anzahl