Herz des Todes. Magret Kindermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magret Kindermann
Издательство: Bookwire
Серия: Herz des Todes
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947147687
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      GedankenReich Verlag

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      HERZ DES TODES

      Text © Magret Kindermann, 2021

      Cover & Umschlaggestaltung: Phantasmal Image

      Lektorat/Korrektorat: Annett Heidecke

      Sensitivity-Reading: Nora Bendzko

      Satz&Layout: Phantasmal Image

      Innengrafiken: © Shutterstock

      eBook: Grit Bomhauer

      ISBN: 978-3-947147-68-7

      © GedankenReich Verlag, 2021

      Alle Rechte vorbehalten.

      Dies ist eine fiktive Geschichte.

      Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

      FÜR XU.

      Angst verhindert nicht den Tod.

      Sie verhindert das Leben.

      Und das weiß niemand besser als du.

      Ich bewundere dich.

       Mit Fingern,

       die sonst eher

       zupackten und würgten,

       hob er das Neugeborene

       aus dem Hängekorb

       und hielt es sich an

       sein flatterndes Herz.

      Der Tod wusste, im Moor lebte alles, sogar das Wasser. Es schien zu lachen, indem es gegen den von Menschen erbauten Holzpfad schlug, wenn er darauf ging. Das Fressen fiel dem torfigen Nass in den Mund, abgestorbene Bäume und Pflanzen, tote Tiere und Menschen, die beim Bauen ihrer Pfade und Häuser hinabgefallen waren oder von anderen hinuntergestürzt wurden. Manchmal bewegte sich etwas noch, doch niemals lange. Das Wasser zeigte seine Fürsorge, indem es alles um sich herum gut wachsen ließ.

      In dieser Umgebung, in der das Leben so stark wütete, lag die Stadt Jui. Festen Boden gab es nur in trockenen Sommermonaten im Niedermoor, deswegen standen die Häuser auf Pfeilern, genau wie die Holzwege, die sie verbanden. Mehrstöckige Gebäude waren oft mit weiteren Brücken an den Dächern verbunden, private Eingänge nannten die Stadtbewohner sie, die schon von so manchen eifersüchtigen Ehemännern niedergebrannt wurden.

      Der Tod fand Gefallen an dem gnadenlos zur Schau gestellten Leben, denn in Jui wussten die Menschen, wie man sich vergnügte. Meistens feierten sie, dass an diesem Tag niemand gestorben war. Für ein gutes Fest ließ der Tod auch mal seine Arbeit schleifen, besonders wenn es Wollgrasschnaps gab.

      »Das Zeug ist widerlich, aber nach ein paar Gläsern macht es dich abhängig!«, sagte er und stieg auf den Tisch. Die anderen Gäste johlten und beeilten sich, ihre Krüge wegzuräumen.

      »Flötenmann! Musik, bitte!«, rief der fremde Mann mit den weichen Gesichtszügen und den kummervollen Augen über die Köpfe der anderen hinweg.

      Der Angesprochene setzte mit glänzenden Augen und geröteten Wangen die Flöte an den Mund. Der Rest klatschte und stampfte in einem Takt, den niemand kannte und doch fand sich jeder darin wieder.

      Der Tod tanzte überschwänglich auf dem wurmzerfressenen Tisch, als glaube er nicht an das Hinfallen. Als der Flötenspieler nach Luft schnappte und das Lied erstarb, ließ sich der Tod zurück auf die Bank fallen, die nach hinten kippte und mit der Lehne gegen die Wand krachte. Eine mollige Frau mit schönen Wimpern setzte sich auf seinen Schoß und strich ihm über die glattrasierte Wange.

      »Wo kommst du her? Du erscheinst so fremd und aufregend«, fragte sie.

      Es war offensichtlich, dass er nicht aus der Gegend stammte. Zwar kannten sich die Bewohner Juis zumindest alle vom Sehen, so groß war die Moorstadt nicht, aber die Haut des Todes hatte einen anderen, helleren Ton als die meisten Menschen dort und auch seine Gesichtszüge wirkten fremd auf sie. Sie konnte ihn einfach keinem Ort zuordnen!

      Der Tod lehnte den Kopf an die Wand, als hätte sie gefragt, woher die Magie kam und nicht er. Obwohl er nicht genau sagen konnte, ob es da einen Unterschied gab.

      »Aus den höchsten Bergen, wo sonst nur das Wetter wohnt.«

      »Und deine Arbeit? Du musst etwas mit Magie zu tun haben, es kann nicht anders sein.«

      Der Tod sog ihren Duft ein und lächelte. »Rate, schöne Frau.«

      »Du musst eine Bilgrim sein. Ich habe geträumt, dass ich eine Bilgrim von weit her kennenlerne.«

      Das gefiel dem Tod. Bilgrims schützten die Verbindungen zwischen dem Inneren der Menschen mit deren körperlicher Hülle. Irgendwie konnte man ihn ja auch so sehen.

      »Beeindruckend, wie aufmerksam du bist.« Er platzierte einen Kuss auf ihren nach Wollgras riechenden Mund. Mit einem Kichern drückte sie sich ihm entgegen.

      In diesem Moment schwang die schwere Tür der Schänke auf und eine Frau, deren dichter mit grauen Strähnchen durchwachsener Afro den Türrahmen über ihr berührte, kam herein. Aus ihrer Schürzentasche hing eine gekringelte Kartoffelschale.

      »Ich brauche, ich suche – Oh je! Hat irgendwer ...? Ich glaube das ja nicht, es ist eine Katastrophe!«

      Weil die Alte zu lange brauchte und der Wirt verschwunden schien, schob der Tod die Mollige von sich runter, wandte sich ab und bediente sich hinter der Theke selbst. Schon vor einigen Jahren hatte er mal eine Wollgrasschnapsphase gehabt. Bis er sich damit eines Nachts mit seinem Bruder weggeschossen hatte. Das war lange, bevor er den Beruf des Todes angenommen hatte.

      Da zog ihn die Mollige am Arm. »Was für ein Glück!«, rief sie. »Ausgerechnet heute haben wir eine gute Bilgrim von weit weg im Hungrigen Stein!«

      Der Tod machte einen überraschten Laut. Die Alte warf sich zu seinen Füßen und heulte auf. Auf den verstaubten Wangen bildeten Tränen mehrere Rinnsale.

      »Na, na, na«, sagte der Tod unbeholfen und tätschelte ihren Kopf.

      Weinerliche Menschen waren ihm vertraut, im Moment des Sterbens verzweifelten viele. Aber nun musste er mit der Rolle einer guten Bilgrim umgehen und die waren wahrscheinlich um einiges netter als er.

      »Ich habe jeden Schankraum besucht und dieser hier war der letzte! Wir müssen sofort aufbrechen!«

      Die alte Frau zog ein Tuch aus ihrer Schürzentasche, legte es sich um den Hinterkopf und band sich über die Stirn eine Schleife, um die Haare aus dem Gesicht zu haben. Der Zopf entblößte trockene Blätter, die sich darin verfangen hatten. Sie musste wirklich überall gesucht haben. Nur die Rinnsale auf den Wangen verrieten noch ihre innerliche Unruhe.

      »Ich muss erst noch meinen Schnaps austrinken«, beharrte der Tod und stürzte das Getränk hinunter. Er stand auf und streckte sich. »Herrlich!«, sagte er. »Genau ein solches Abenteuer brauchte meine Nacht hier. Das Fest wird immer besser.«

      Die alte Frau runzelte die Stirn. Was für ein komischer Kauz, fand sie, jedoch beschloss sie, sie könne nicht wählerisch