12. Und, nach dem Trojanischen Kriege wechselte Hellas seine Bewohner durch Wanderungen, so daß es wegen des ruhelosen Zustandes nicht emporkommen konnte. Denn weil die Rückkehr der Hellenen von Ilium sich verzog, so wurden dadurch manche Veränderungen und in den Städten meist Parteizwiste veranlaßt, wodurch Einige zur Auswanderung genöthigt wurden, und Städte gründeten. So wurden die heutigen Böotier sechzig Jahre nach Trojas Eroberung durch die Thessalier aus Arie vertrieben, und besetzten das Land, das jetzt Böotien heißt, und früher das Kadmeische Land genannt wurde. Eine Abtheilung derselben hatte schon früher in diesem Lande gewohnt, und war zuin Theil mit gegen Ilium gezogen. Die Dorier aber besetzten, achtzig Jahre nach dem Trojanischen Kriege, den Peloponnes in Verbindung mit den Herakliden. So gelangte Hellas nur mit Mühe und spät zu festem Ruhestande, und hörte auf, Umwälzungen zu erleiden, und konnte nun Pflanzvölker aussenden. Die Athener schickten die Ionier und die meisten Inselbewohner als Ansiedler aus: die Peloponnesier aber besetzten den größten Theil von Sicilien und Italien, und einige Gegenden des übrigen Hellas. Alle diese Stiftungen waren später als der Trojanische Krieg.
13. Als aber Hellas mächtiger wurde und zu mehr Wohle stand denn früher gelangte, so kamen mit Vermehrung der Einkünfte in manchen Städten Zwingherrschaften auf, wo zuvor Erbfürstentümer mit bestimmten Vorrechten gewesen waren. Auch gründete sich Hellas eine Seemacht, und man widmete sich mehr der Schifffahrt. Die Korinther rollen die ersten gewesen sein, welche den Schiffbau so umschufen, daß er der jetzigen Weise nahe kam: zu Korinth rollen die ersten Dreiräder in Hellas gebaut worden sein. Und es findet sich, daß Aminokles, ein Korinthischer Schiffsbaumeister, den Samiern vier Schiffe verfertigte. Nun sind es bis zum Ende des gegenwärtigen Krieges ungefähr dreihundert Jahre, seit Aminokles zu den Samiern kam. Die älteste bekannte Seeschlacht ereignete sich zwischen den Korinthern und Korcycäern: es sind aber von da bis auf denselben Zeitpunkt etwa zweihundert und sechzig Jahre. Denn da die von den Korinthern bewohnte Stadt sich auf einer Landenge beftudet, so hatten sie von jeher einen Handelsplatz, indem die Hellenen sowohl innerhalb als außerhalb des Peloponneses von Altersher mehr zu Lande, als zur See durch ihr Gebiet mit einander Verkehr trieben; und sie waren durch Reichthum mächtig, wie dieß auch die alten Dichter bezeugen: denn sie gaben diesem Platz den Beinamen: der reiche. Und als die Hellenen mit der See vertrauter wurden, so vernichteten sie eben durch Errichtung jener Seemacht die Räuberei, und machten jene Stadt zum Stapelplatz für beide Meere und durch Geldeinkünfte mächtig. Auch die Ionier hatten später eine zahlreiche Seemacht, zur Zeit des Syrus, des ersten Königs der Perser, und seines Sohnes Kambyses: und waren eine Zeitlang im Kriege mit Cyrus Meister des Meeres an ihrer Küste. Auch Polykrates, der Gewaltherrscher von Samos zur Zeit des Kambyses, hatte eine starke Seemacht, und unterwarf sich Rhenna neben andern Inseln, und weihete jene dem Delischen Apoll. Die Photäer aber, welche die Pflanzstadt Massilia gründeten, gewannen ein Seetreffen gegen die Karthager.
14. Dieß waren nämlich die bedeutendsten Seemächte. Aber obwohl sie viele Menschenalter nach dem Trojanischen Kriege entstanden, hatten unläugbar noch wenige Schiffe mit drei Ruderbänken, sondern waren noch mit Fahr: zeugen zu fünfzig Rudern, und mit langen Schiffen, wie damals, versehen. Aber kurz vor den Perserkriegen und dem Tode des Darius, der nach Kambyses König der Perser war, hatten die Tyrannen in Sicilien und die Korcycäer eine Menge dreirädriger Kriegsschiffe: denn dieß waren unmittelbar vor dem Heerzuge des Xerxes die bedeutenden Seemächte in Hellas. Denn die Aegineten und Athener, und vielleicht noch einige andere Völkerschaften, besaßen kleine Flotten, und zwar meist von Fünfzigrudern: und als auf Themistokles Rath die Athener im Kriege mit den Angineten, und zugleich, wegen des erwarteten Angriffs der Barbaren, sich lange nachher Schiffe bauten, mit welchen sie die Seeschlachten lieferten, so hatten auch diese noch keine vollständigen Verdecke.
15. So war das Seewesen der Hellenen, sowohl in der ältern, als in der spätern Zeit beschaffen. Doch erwarben sich die, welche sich, demselben widmeten, keine unbedeutende Macht durch Geld-Einkünfte und durch, Herrschaft über Andere. Denn es griffen vornehmlich diejenigen, deren Land für ihre Bedürfnisse nicht hinreichte, die Inseln an und eroberten sie. Zu Lande aber gab es keinen Krieg, wodurch eine Verwehrung der Macht erfolgt wäre: indem alle Kriege, so viele deren geführt wurden, jedesmal blos die Grenznachbarn betrafen. Auswärtige Eroberungszüge, ferne von ihrer Heimath, unternahmen die Hellenen nicht. Denn mit den größern Staaten hatten sich die andern noch nicht im Verhältniß der Abhängigkeit vereinigt; auch veranstalteten sie nicht unter gleichen Rechten gemeinsame Heerzüge: sondern es führten mehr die Einzelnen Nachbarschaftskriege gegen einander; nur bei dem alten Kriege der Chalcidier und Eretrier nahm auch das übrige Hellenen-Volk auf beiden Seiten Partei.
16. Es traten aber da und dort verschiedene Hindernisse der Machtvergrößerung ein: so zog gegen die Ionier, deren Macht schon weit gediehen war, Syrus und die Persische Königsmacht, nachdem sie den Krösus und alles fand diesseits des Halysflusses bis ans Meer bezwungen, und unterjochten die Städte des Festlandes, so wie später Darius, dem die Phönicische Seemacht das Uebergewicht verlieh, auch die Inseln eroberte.
17. Die Gewaltherrscher aber, so viele deren in den Hellenischen Städten waren, sahen blos auf ihren Vortheil, und verwalteten die Staaten vornehmlich zur Erhebung ihrer Person und ihres Hauses nach dem Grundsatze der Sicherheit, so weit sie konnten. Von ihrer Seite wurde keine bedeutende Unternehmung ausgeführt, außer was jeder gegen feine Nachbarn that. Denn (nur) die Sicilisden Gewalthaber gelangten zu sehr großer Macht. So ward Hellas von allen Seiten her lange niedergehalten, daß es weder gemeinsam eine glänzende Unternehmung vollführte, noch im Einzelnen die Staaten etwas wagen mochten.
18. Die Tyrannen in Athen und, mit Ausnahme Siciliens, in dem übrigen Hellenen-Lande, welches vormals meist Gewaltherrscher gehabt hatte, waren endlich größtentheils durch die Lacedämonier gestürzt worden. Denn Lacedämon, wiewohl es seit der Besitznahme durch die jetzt daselbst wohnenden Dorier sehr lange Zeit, so weit unsre Stunde reicht, durch Parteizwist beunruhigt war, genoß doch von Altersher einer guten Verfassung, und blieb stets ohne Zwingherrschaft: denn es sind ungefähr etwas mehr als vierhundert Jahre bis zum Ende des gegenwärtigen Kriegs, seit die Lacedänonier dieselbe Verfassung haben: wodurch sie auch zur Macht und zum Einfluß auf die Einrichtungen anderer Staaten gelangten. Nach jenen Sturze der Tyrannen ereignete sich wenige Jahre später die Schlacht der Perser gegen die Athener bei Marathon. Zehn Jahre nach derselben kamen die Barbaren abermal mit jenem gewaltigen Heereszuge gegen Griechenland, um es zu unterjochen. Als nur diese große Gefahr über dem Haupte der Hellenen schwebte, so leiteten ihren Kriegsbund die an Macht hervorragenden Lacedämonier: die Athener aber entschlossen sich beim Einbruche der Perser, ihre Stadt zu verlassen, sammelten ihre bewegliche Habe, und bestiegen damit die Schiffe, und wurden Seemänner. Nachdem sie sodann die Barbaren mit vereinter Kraft zurückgetrieben, theilten sich nicht lange nachher die vom Perserkönige abgefallenen Griechen und die zum Kriege Verbündeten in zwei Parteien, eine Athenische und eine Lacedämonische. Denn diese Staaten waren durch ihre Macht am meisten ausgezeichnet: jene waren zur See, diese zu lande stark. Und noch dauerte zwar das Waffenbündnis eine Zeitlang. Bald aber entzweiten sich die Lacedämonier und Athener, und geriethen nebst ihren Bundesgenossen in Krieg unter sich; und wo sonst noch Hellenische Staaten gegen einander im Zwiste waren, schlossen sie sich bereits an diese an. Daher hatten sie seit dem Persischen Kriege bis auf den gegenwärtigen, wo sie bald im Waffenstillstande, bald im Stampfe unter sich und mit den abgefallenen Bundesgenossen waren, eine treffliche Uebung im Kriegswesen, und wurden, unter Gefahren ausgebildet, immer gewandter.
19. Die Lacedämonier nun führten ihr Vorsteher-Amt, ohne ihre Bundesgenossen einer Steuer zu unterwerfen, und waren nur darauf bedacht, daß diese, der Lacedämonischen Staatsrücksicht gemäß, ihre Verfassung so einrichteten, daß Wenige herrschten: die Athener aber so, daß sie mit der Zeit die Schiffe der Staaten, mit Ausnahme der Chier und Lesbier, an sich zogen, und Allen eine Geldabgabe auflegten. Und ihre eigene Rüstung auf diesen Krieg war größer, als selbst zu jener Zeit, wo sie bei ungeschmälerter Bundesgenossenschaft in der höchsten Blüthe der Macht standen.
20. So fand ich den Zustand des Alterthums: wobei es schwer ist, jedem der Reihe nach sich darbietenden Beweisgrunde zu glauben. Die Menschen freilich nehmen die Sagen über die Ereignisse der Vergangenheit, selbst wenn diese einheimisch