Abdul Al-Zia meldete sich jetzt zu Wort und ergänzte die Ausführungen des Rothaarigen.
"Master Sergeant Karalaitis wusste, dass Ihr Zug früher oder später hier auftauchen würde, um einen Hypersender zu erobern, der längst zerstört war. Karalaitis wollte Sie nicht in die Falle tappen lassen. Deshalb hat er Gary und mich losgeschickt. Wir hatten den Auftrag, Sie abzufangen und zu warnen." Abdul atmete tief durch. Er wechselte einen kurzen Blick mit Gary Keogh. Und fuhr sich anschließend mit einer fahrigen Geste über das Gesicht, so als wollte er etwas abwaschen.
"Wo befindet sich Karalaitis?", hakte Kurt nach.
"Wir bringen Sie hin, Fähnrich", versprach Abdul.
"Gut, dann sollten wir gleich aufbrechen."
Kurt hatte sich bereits halb zur Seite gedreht, als Abdul sich noch einmal zu Wort meldete. "Fähnrich, ich..." Er brach ab, druckste etwas herum.
Kurt Farmoon musterte den Rekruten und zog fragend die Augenbrauen hoch. Irgendetwas liegt dem Kerl noch im Magen, dachte Kurt. "Na los, spucken Sie schon aus, was Ihnen noch auf der Seele liegt!", forderte der Fähnrich.
"Es geht um die Art und Weise, wie wir hier her gelangten...."
"Tom hat sich bei Ihnen entschuldigt und die beiden anderen Gardisten werden das sicher auch gerne tun. Das Ganze war ein Missverständnis. Wir wussten nicht, dass Sie gute Gründe dafür hatten, mit einem Multikarabiner bewaffnet herumzulaufen."
Abdul schüttelte den Kopf. "Das meine ich nicht."
"Was dann?", fragte Kurt.
Der Gardist schluckte.
"Ihre Leute waren unbewaffnet, Fähnrich. Trotzdem haben sie es geschafft, Gary und mich zu überwältigen. Das ist einfach nur peinlich und es wäre nett, wenn Sie Karalaitis gegenüber davon nichts erwähnen würden."
Kurt grinste.
"Nicht ein Sterbenswörtchen!"
"Versprochen?"
"Bei meiner Ehre als Gardist. Karalaitis erfährt nichts", versicherte Kurt.
Wladimir konnte sich eine sarkastische Bemerkung nicht verkneifen. "Schließlich will ja niemand von uns, dass Master Sergeant Karalaitis in Depressionen versinkt, weil er den Glauben an seine Ausbildungsmethoden verloren hat!"
*
Abdul und Gary bekamen ihre Multikarabiner und die schweren Kampfanzüge zurück.
Die Gruppe räumte den Lagerplatz auf, sorgte dafür, dass es möglichst wenig Spuren ihrer Anwesenheit gab und brach schließlich auf.
Abdul Al-Zia führte den Zug an.
Sie gingen Richtung Westen.
Die Dämmerung setzte bereits ein, als sie einen Grabenbruch erreichten. Die Gardisten klettern einen steilen, felsigen Hang hinunter. Am Fuß dieses Hangs erstreckte sich ein dichtes Waldgebiet, durchzogen von einem Fluss, der weiter Richtung Südwesten mäanderte.
Abdul führte sie flussaufwärts.
Das Unterholz war dicht.
Die Soldaten mussten sich teilweise regelrecht durch das Gestrüpp hindurchkämpfen.
Schließlich wurde das Gelände felsiger und der Bewuchs entsprechend spärlich. Schroffe Massive ragten über die Baumkronen hinweg. Der Fluss entsprang irgendwo in diesen Bergen und hatte sich in Jahrmillionen seinen Weg durch den Stein gebahnt.
Eine Klamm war auf diese Weise entstanden.
Eine schmale Schlucht, in deren Mitte das Flussbett lag. Zu beiden Seiten gab es einen schmalen Uferstreifen, auf dem man laufen konnte. Bei höherem Wasserstand war die Klamm unpassierbar.
"Wir müssen noch etwa eine halbe Stunde flussaufwärts gehen", erklärte Gary Keogh an Kurt gewandt. "Dann finden wir in der Felswand einen Höhleneingang."
Der Zug setzte seinen Weg fort.
Abdul und Gary gingen voran.
Etwa zwanzig Minuten lang waren sie dem Flussbett gefolgt. Der Wasserstand war ausgesprochen niedrig. Am Ufergestein gab es Spuren, die davon zeugten, dass er bis zu einem Meter höher steigen konnte.
Die Vegetation wurde immer spärlicher. Nur vereinzelt wuchsen noch Sträucher und Bäume. Die Wurzeln fanden in dem steinigen, geröllhaltigen Untergrund einfach keinen Halt.
Inzwischen wurde es dunkel. Der Abendmond war aufgegangen, aber in der engen Schlucht würde man ihn vermutlich erst gegen Mitternacht sehen.
Es war also ziemlich dunkel in der Klamm.
Plötzlich blieben Gary und Abdul abrupt stehen.
Abdul hob die Hand und bedeutete den anderen anzuhalten.
"Was ist los?", fragte Kurt.
Abdul antwortete nicht.
Stattdessen pfiff er auf zwei Fingern.
Aus der Dunkelheit antwortete ein Pfiff.
"Alles in Ordnung!", rief Abdul.
Eine Bewegung in der Dunkelheit ließ Kurt zunächst reflexartig den Paralysator emporreißen.
Zwei Gardisten mit Multi-Karabinern im Anschlag sprangen aus den Büschen.
Wie Schatten wirkten sie.
Das spärliche Mondlicht glänzte auf den Kampfhelmen.
"Das ist Fähnrich Farmoons Gruppe", erklärte Abdul.
Einer der Bewaffneten nahm den Kampfhelm ab.
"Schön, dass Sie es geschafft haben!", meinte er und grüßte militärisch.
"Verzichten wir auf diese Förmlichkeiten", erwiderte Kurt.
Der Rekrut deutete mit der ausgestreckten Hand flussaufwärts.
"Es ist nicht mehr weit. Hinter der Biegung ist der Eingang zur Höhle. Master Sergeant Karalaitis erwartet Sie schon!"
Abdul führte die Gruppe weiter, während die beiden Posten zurückblieben.
Es dauerte nur noch wenige Minuten, bis sie den Eingang der Höhle erreichten.
"Folgen Sie mir einfach!", forderte Abdul an Kurt gewandt. "Ich weiß, dass es ziemlich dunkel hier ist, aber jede Form von Beleuchtung könnte den Feind auf uns aufmerksam machen!"
"Schon klar", knurrte Kurt.
Er tastete sich an der Felswand entlang. Der Eingang der Höhle war verhältnismäßig schmal. Der Gang machte nach wenigen Metern eine Biegung. Der flackernde Schein eines Lagerfeuers erhellte den gewölbeartigen Raum, in dem Karalaitis und seine Rekruten kampierten. Schatten tanzten an der Wand. Das Gemurmel unter den Männern erstarb.
Kurt Farmoon blieb stehen.
Einer der Männer am Feuer erhob sich. Es war niemand anders als Jannis Karalaitis.
Der Balte nahm Haltung an und salutierte.
Schließlich war Kurt Farmoon als Fähnrich inzwischen an dem Master Sergeant in der Hierarchie der Garde vorbeigezogen.
"Lassen Sie den Unsinn, Master Sergeant Karalaitis", sagte Kurt.
"Sie sind der Ranghöhere", erinnerte ihn Karalaitis.
"Wie auch immer. Ich freue mich, Sie wohlbehalten, hier anzutreffen."
Karalaitis' Körperhaltung entspannte sich. Er nickte. "Wir sind in einer schlimmen Lage. Vor allem, weil wir keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Die einzigen beiden Hyperfunksender sind zerstört. Aber ich nehme an, dass Abdul und Gary Ihnen das bereits berichtet haben."
Kurt