»Von da Auwat Carpendale, da berühmta Schlagastar. Hello again, du, ich möchta dich heuta noch sehn. Ich will dir gegenübasteha, viel zu lang war dea Zeit. Ich saga nua hello again.«
Deodonatus Ngumbu, unser Pfarrer aus dem Busch, unser mächtiger Massai, ein Howard-Carpendale-Fan. Das war mir neu.
»Oda da heallicha neua Song: Teila …«
»Kenn ich nicht Teila, ich kenne nur Leila, wer ist Teila?«
Aufgeregt fuchtelte Deo mit seinen schwarzen Pranken:
»Nicht Teila, sondan Teila: Keina weiß wie es kommt, Keina weiß wie es geht, doch wenn wir teilea, könna wia versteha. Und was ist richtig, und was ist es nicht, nua wenn wia teila, kommt eina andera Sicht.«
Für die nächste Strophe übte der schwarze Barde sogar ein paar tänzelnde Schritte:
»Willst du mit mia lacha, willst du mit mia weina, sag wasa du brauchst, um glücklich zu sein. Es wiad füa alla mea geba, schwea wiad zu leicht, wenn wir teila!
Das ist auch von da christlicha Punktaschtand eina seah wichtiga Lied. Da Grundprinzip ist de Teila!«
Endlich setzte sich Deo.
»Eina WaldaBräu natuatrüb hell, bitte!«
»Hell!«
Als Präsident der MIKEBOSSler, die geschwächt schon morgen zum traditionellen Kässpätzleswettessen in Königseggwald antreten mussten, hatte ich Freund und Pfarrer Deo zur heutigen Krisensitzung eingeladen. Ich machte meinen Vorschlag, fiel mit der Tür ins Haus, warum lange um den heißen Brei herumreden?
»Deo, würdest du das für Butzi tun? Ich weiß, er hätte es so gewollt. Es gibt nur einen, der ihn würdevoll ersetzen kann. Machst du für ihn mit beim Kässpätzleswettessen?«
Deo war gerührt, feucht schimmerte es in seinen Augen, als er nickte:
»Klaa, füa da Butzi tu ich das gean, ea hätta das Gleicha füa mich getan.«
Die Gläser schäumten aneinander, Flaschen-Gordons Flasche lief über. Geschah ihm recht. Gesicht, der ewige Single, machte seinem Spitznamen mal wieder alle Ehre, unentwegt glotzte er entgeistert zum Wildschweinkopfpräparat hoch und schüttelte langsam den Kopf.
Bis in den nächsten Tag hinein erzählten wir uns dann Wisstihrnochwiederbutzigeschichten:
Wisst ihr noch, wie der Butzi im Ried als Gespenst herumgetanzt ist?
Flaschen-Gordon, schon voll des Bieres, stand schwankend auf und fing plötzlich an zu singen: »Es tanzt ein Bierbauch-Butzi-Mann in unserm Ried herum, fidelbumm, es tanzt ein Bierbauch-Butzi-Mann im dunklen Ried herum. Er rüttelt sich, er beeeesäuft sich, er wirft sein Säcklein hinter sich. Es tanzt ein Bierbauch-Butzi-Depp in unserm Riiiied herum!«
Tränen netzten seine schmerzlich entgleisten Gesichtszüge, und dann holte er aus und schüttete das Bier aus seiner Flasche Richtung Eberschädel:
»Die Sau ist an allem schuld!«
Deo drückte den Enthemmten wieder auf seinen Stuhl zurück. Dann lächelte Flaschen-Gordon entrückt. Vermutlich sah er sich weißgewandet mit Butzi durchs Ried tanzen.
Oxana machte sauber.
Wisst ihr noch, wie der Butzi für den Muttertag beim Gärtner eine Pflanze kaufen wollte, als die Floristin mit dem weiten Ausschnitt kam und er nur noch stotterte: Haben Sie eine Fleisch pflanzende Fresse? Wisst ihr das noch, eine Fleisch pflanzende Fresse statt Fleisch fressender Pflanze, wisst ihr das noch? Wir wussten das natürlich noch, wir wussten auch noch, dass er die Pflanze vorn an der Gabel seiner Fat Bob festmachte, damit sie auf der Fahrt nach Hause etwas zu essen bekam. Die gewimperten Klappmäuler der Venusfliegenfalle waren tatsächlich alle geschlossen, als wir bei Butzi ankamen, und die fleischfressende Pflanze machte tatsächlich einen zufriedenen und satten Eindruck.
Gesicht, der die meiste Zeit zur Sau stierte, riss mit einer ruckartigen Bewegung sein Glas hoch und schmetterte den Inhalt dem seelenlosen Eber in die Schnauze.
»Drecksau, du, du … du dreckige Drecksau, du!«
Deodonatus nahm Gesicht schützend, leicht mahnend in die Arme:
»Da tota Sau kann nix dafüa!«
Oxana kam mit einem Putzeimer.
Wisst ihr noch, wie der Butzi mit dir mit dem Krankenwagen mit Blaulicht den Fleischkäswecken geholt hat?
Wir erinnerten uns alle an die Geschichte, die Butzi beinahe den Job gekostet hätte. Butzis Schwester, Ärztin in Saulgau, konnte Schlimmeres verhindern.
Nach dieser Episode schnellte ohne Vorwarnung Joe, der Hausmann, aus seinem Stuhl hoch und schmetterte sein volles Bierglas dem schuldigen Eber in die grinsende Fresse. Splitter barsten und bedeckten Tisch, Stühle und Boden. Deo besänftigte den Rasenden, umarmte ihn sanft und drückte den Bebenden auf seinen Platz zurück.
Oxana brachte alles wieder in Ordnung.
Frieda hatte Verständnis.
Wisst ihr noch, wie der Butzi als Einziger im Indianerkostüm in der Kirche stand? Wir erinnerten uns natürlich, vor allem Joe, als aktives Mitglied der Guggengruppe aus Bad Saulgau. Natürlich hatte man für das Brautpaar gespielt, abgemacht war in Schwarz-Weiß. Butzi schien das nicht mitbekommen zu haben und stand prächtig geschminkt mit einem herrlichen Federschmuck inmitten der schicken Festgemeinde. Weihbischof Karl Maria Brenz baute ihn geschickt in seine Predigt für die Brautleute mit ein: als Metapher für Gegendenstromschwimmen.
Deo, der bis jetzt äußerst konziliant, vermittelnd, zwischen Eber und Rächern, deeskalierend gewirkt hatte, stand plötzlich nach dieser Geschichte, die auch klerikale Momente enthielt, schwankend auf der Bank. Goss den Klaren aus der Obstlerflasche und zündete ihn an. Schon stand der mächtige Eberteufelskopf in Flammen.
Oxana löschte mit einer Decke, ich ging in Friedas Keller.
Als ich aus dem Keller zurückkam, war ich fast ein Kilo schwerer.
»Wisstanoch, wie da Butzi da Verbrecha mit da Haaley veafolgt hat und dea in da Ried gelandet ist und wie da Butzi da Dani, als dea mit da Poasche Diesal in da Wassa gelandat ist, da Leba gerettet hat. Weißt du noch Dani, wie ea dia da Leba gerette hat, sonst wäast du veasoffa …«
Ja, ohne Butzi säße ich wahrscheinlich nicht hier, ich wäre genau so tot wie Butzi.
Tot, tot, tot, hämmerte es in meinem Kopf. Langsam stand ich auf, zog die Waffe, die ich hinten in meine Hose gesteckt hatte.
Für eine Sekunde war es mucksmäuschenstill im Nebenzimmer, dann bellten drei Schüsse und Butzi war gerächt. So wie Butzi gestorben war, war auch der Schuldige hingerichtet worden.
Oxana nahm den ramponierten Saukopf ab.
Nie wieder würde er da hängen. In der Gaststube erzählte Frieda den Stammtischlern und den Sommerfrischlern, dass die spinnigen Motorradfahrer mit Böllern einen Geburtstag gefeiert hätten.
Weiter kann man von Geburtstag nicht entfernt sein.
6. Schräge Vögel
Der Rotmilan nutzte die aufsteigenden Winde über dem dunklen Wäldchen. Von der Kapelle, deren tiefere spirituelle Bedeutung er nie erfassen würde, glitt er sanft, nur wenig an Höhe verlierend, über die Straße Richtung Friedhof. Auf seine Flügelspannweite von nahezu 175 Zentimetern war der Greifvogel ganz besonders stolz. Mit einer leichten Korrektur seiner fingergefächerten Flügelspitzen und seines auffallend langen Schwanzes drehte der rötlich braune Greifvogel, dessen Kopf-, Nacken- und Kehlgefieder weiß in der Sonne schimmerte, nach links ab, um neugierig auf das samstäglich ungewohnte Treiben zu schauen. Hier musste er heute als Suchflugjäger auf Beute verzichten, keine Mäuse, keine Tauben, zu viel Betrieb unter ihm.
Er liebte Oberschwaben und seine mit kleinen und größeren Gehölzen durchsetzte hügelige Landschaft. Er war auch