Ob es nun am Thema liegt, das gegen die drei anderen Beiträge deutlich abfällt, oder die Novelle eine Konzession an Leser und Verlag darstellt, die von King zumindest einen expliziten Horror-Text erwarteten – die wichtigsten Beiträge dieser Sammlung sind eindeutig die Mainstream-Novellen. Dennoch zeigt sich die Sammlung nicht zuletzt durch die Klammern der vier Jahreszeiten sehr geschlossen, wobei King auch ein geschicktes Spiel mit den Titeln treibt: „Fall“ und „Spring“, also „Herbst“ und „Frühling“, haben in den Originaltiteln hier völlig andere Bedeutungen.
DIFFERENT SEASONS bewies eindrucksvoll, dass King nicht nur als Genreautor sein Publikum fesseln und Beeindruckendes produzieren kann.
Mit seinem nächsten Roman, CHRISTINE, begab sich King nach dem Experiment mit CUJO und den „vier Jahreszeiten“ wieder auf sicheres Terrain. Im Mittelpunkt der Handlung stehen ein Spukauto – Christine – und ein typischer High School-Verlierer – Arnie Cunningham, mit dem sich wieder zahlreiche Leser identifizieren können; er verliebt sich auf den ersten Blick in den Plymouth Fury Baujahr 1958, eine schrottreife Rostlaube.
Während er emsig an Christine werkelt, hat er weiterhin seine Probleme mit den fiesen Mitschülern, doch als das Auto dann wieder in einwandfreiem Zustand ist, geht es auch Arnie besser: Seine Akne schwindet, er wird muskulöser, sein Selbstbewusstsein wächst. Nur von seinem einzigen Freund Dennis (der den Roman erzählt), der ihm bislang in der Schule den Rücken gestärkt hat, entfremdet er sich zusehends, zumal Dennis ihm auch noch die Freundin ausspannt, was Christine hingegen sehr recht ist. Sie weiß zu verhindern, dass es in dieser Hinsicht wirklich zur Sache geht, denn sie ist höllisch eifersüchtig. Und lässt nichts auf Arnie kommen, was dessen alte Peiniger merken, als sie ihn erneut quälen wollen und Christine demolieren: Sie bringt sie kurzerhand um.
Dagegen hat Arnie nicht unbedingt etwas, aber ernst wird es, als auch Dennis und seine Freundin in den Bann des eifersüchtigen Automobils geraten. Es geling Dennis zwar, Christine zu vernichten, doch in genau demselben Augenblick stirbt auch Arnie, meilenweit entfernt, im Auto seiner Eltern: Die unheilige Verbindung hat ein Ende gefunden.
Ein Wunder, dass das Buch die Wirkung erzielt, die es erzielt. King verbrät eine nicht besonders originelle Grundidee – nach einem Spukhaus nun ein besessenes Spukauto –, greift auf ein recht eingängliches Klischee zurück – der Außenseiter auf der Schule –, mit dem sich die Leser augenblicklich identifizieren können, und dreht ein altes Thema um: Obwohl Arnie nichts anderes tut als zahlreiche andere Männer auch, die mit solcher Hingabe an ihrem Auto werkeln, putzen und lackieren, dass ihre Frauen allen Grund zur Eifersucht haben, lässt er hier das Auto eifersüchtig werden: auf die Freundin und auf alle anderen, die den Besitzer ebenfalls beanspruchen könnten. Wahrhaftig die Geschichte einer fürchterlichen Besessenheit. Und doch gelingt ihm erneut eine Geschichte von verlorener Jugend, von wahrer und übernatürlicher Besessenheit, die es in sich hat. King präsentiert sich mitunter in Hochform; obwohl auf den ersten zweihundert Seiten kaum etwas passiert, scheinen die Seiten sich von allein umzublättern. Das ist die Stärke des frühen Stephen King: Er ist ein wahrer page turner, der tatsächlich unfähig zu sein scheint, eine langweilige Geschichte zu erzählen – ein Ruf, der noch lange Bestand haben sollte.
„Richard Bachman, der den Gehirntumor überlebte, starb schließlich an einer viel selteneren Krankheit: Pseudonymkrebs.“
„Warum ich Bachman war“, Vorwort zu THE BACHMAN BOOKS [1985]
1978 zog King mit seiner Familie nach Orrington, einer Kleinstadt in der Nähe von Bangor, Maine. Das Haus, das er gemietet hatte, befand sich an einer Hauptverkehrsstraße, über die den ganzen Tag Lastwagen donnerten, und King hatte Angst um die Gesundheit seiner drei Kinder. Er stellte sich die Frage, was er empfinden würde, falls eins überfahren werden sollte. Als dann tatsächlich die Katze seiner Tochter überfahren wurde, schrieb er einen Roman darüber – PET SEMATARY –, der seine späteren vertraglichen Probleme mit Doubleday lösen sollte.
Mittlerweile hatte der Autor ein Angebot seiner alten Universität in Orono akzeptiert, dort je zwei Seminare über „kreatives Schreiben“ und Literatur zu halten. Die beiden Kurse beschäftigten sich natürlich hauptsächlich mit der Literatur, für die King sich noch immer begeisterte: Horror.
Nicht nur King, auch sein Lektor Bill Thompson hatte Doubleday verlassen – bzw. war nach Kings Abschied entlassen worden und zum Verlag Everest House gewechselt. Im November des Jahres rief Thompson den Autor an und machte ihm den Vorschlag, ein Sachbuch über Horror in Literatur und Film zu schreiben. King zögerte zuerst, stimmte dann jedoch zu; einerseits lockte ihn Thompson mit der Aussicht, mit diesem Buch ein für alle Mal die Fragen zu beantworten, die man ihm nun in unzähligen Interviews immer wieder stellte, und andererseits konnte King sicherlich bereits vorliegendes Material für seine Seminare und vereinzelt veröffentlichte Aufsätze über den Horror verwerten. DANSE MACABRE entstand.
Im Frühjahr 1979 hatte King den Roman PET SEMATARY abgeschlossen, wollte ihn jedoch nicht veröffentlichen. Seine Frau hatte das Manuskript gelesen und war zum Schluss gekommen, dass der Roman einfach zu grausam war. Die Kings kehrten nach Center Lovell zurück, und im August erschien DEAD ZONE, sein erster Roman bei seinem neuen Verlag Viking (NAL hatte die Hardcoverrechte an die Schwesterfirma abgetreten), von dem im ersten Jahr 175.000 Exemplare im Hardcover verkauft wurden. Im Sommer dieses Jahres schrieb King die bedeutende Novelle „The Mist“, die bei Viking in einer von seinem Agenten herausgegebenen Anthologie erscheinen sollte, und im Juni kam Kubricks THE SHINING in die Kinos, ein Film, von dem King nicht sehr begeistert war, da er wichtige Aspekte der Romanvorlage ignorierte oder anders interpretierte. Tatsache ist, dass auch dieser Film die Popularität des Autors beträchtlich steigerte. Außerdem bekam King mit seinem ersten Drehbuch – CREEPSHOW – Gelegenheit, einen Film nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Der Roman CHRISTINE entstand, und am Halloween-Wochenende war King Ehrengast der World Fantasy Convention in Providence, Rhode Island. Dort sprach ihn der Kleinverleger Christopher Zavisa auf ein mögliches gemeinsames Projekt an, und mit CYCLE OF THE WEREWOLF entstand Kings erstes Buch, das eigentlich nicht für eine große Leserschaft gedacht war, sondern in einer limitierten Auflage für Liebhaber erscheinen sollte. Diese Novelle war das erste von mehreren solcher Bücher, und fast alle wurden später auch einer großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die persönlichen Probleme blieben jedoch bestehen. Zum Alkohol kam nun das Kokain hinzu. Während King in der Öffentlichkeit trank, obwohl er wusste, dass er damit Probleme hatte, hielt er seine Rauschgiftsucht strikt geheim. Nur seine Familie wusste davon, doch alle Versuche seiner Frau Tabby, ihn zu einem Entzug zu bewegen, blieben erfolglos.
Im November 1979 wurde mit ’SALEM’S LOT auch der erste Fernsehfilm nach einer King-Vorlage ausgestrahlt, und wie bei den Kinofilmen sollten noch viele weitere folgen.
Im Sommer 1980 kauften die Kings das William Arnold House im historischen Viertel Bangors, eine Villa mit 24 Zimmern, erbaut 1854–1856, die sie umbauen, umzäunen und mit einem Swimmingpool ausstatten ließen. King stiftete seine Manuskripte der University of Maine in Orono. Während er weitere Kurzgeschichten schrieb, begann er mit der Arbeit an seinem Mammutroman IT. FIRESTARTER erschien und verkaufte im ersten Jahr fast 300.000 Exemplare im Hardcover, über 100.000 Exemplare mehr als DEAD ZONE; Kings Stern stieg am literarischen Himmel unaufhaltsam höher, eine Tatsache, die auch das People’s Magazine berücksichtigte, als es ihn zum „Schriftsteller des Jahres“ ernannte. Von CUJO, Kings drittem Roman bei Viking, mit dem er seinen von McCauley