Vagos, Mongols und Outlaws. Kerrie Droban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerrie Droban
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная психология
Год издания: 0
isbn: 9783854454045
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man offiziell Prospect wurde, musste der Club zuerst bei der nächsten Vollversammlung, dem Church-Meeting, abstimmen. Als Abhänger hatte ich schon Informationen über die Clubhierarchie der Vagos gesammelt, einige der Codes gelernt und wusste auch, wie eine Vollversammlung ablief. Hinter Gesetzen und der Clubsatzung verbargen die Vagos ihre kriminellen Aktivitäten und die perverse Interpretation biblischer Gebote. Die Vollversammlungen, bei denen nur Mitglieder anwesend sein durften, waren für sie wie Kirchgänge. Bei solchen Treffen kümmerten sie sich um „das Geschäftliche“.

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      An einem kühlen Sonntagabend hielt Psycho dann eine Versammlung in seinem in der Einfahrt geparkten Wohnmobil ab. Rhino, Spoon, Powder, Sonny und Chains verschwanden mit einigen Mitgliedern, um über mein Schicksal zu beratschlagen. Ich setzte mich an eine Bordsteinkante, ließ Kies durch die Finger rieseln und dachte über die letzte Woche nach. Bislang war nicht Nennenswertes passiert. Stunde um Stunde voller Langeweile, Bier, Billard, sinnlose Scherze hatten sich aneinandergereiht. Ich wartete auf eine Chance, eine Begegnung, um die Ermittlung voranzutreiben. Und nun war da plötzlich Terrible, ein waschechter Schwerverbrecher, der mir augenblicklich den Hals umdrehen würde, wüsste er von meiner wahren Identität.

      Die Tür des Wohnmobils flog mit einem lauten Knall auf. Ich erkannte Psycho, der von der nackten Glühbirne im Wagen angestrahlt wurde und einen langen Schatten warf. Er winkte mich herein. Drinnen roch es nach Plastik und abgestandenem Qualm. Der riesige Campingwagen, sicherlich mehrere hunderttausend Dollar wert, diente ihm als Symbol für seinen Erfolg in der Welt der Drogen. Solche Kisten bedeuteten Macht! Aber mittlerweile kannte ich seinen gehetzten und gejagten Gesichtsausdruck. Die Paranoia im Dunkel der Nacht machte aus ihm einen übervorsichtigen, ruhelosen und emotional leeren Menschen.

      Einige Mitglieder mit grünen Kopftüchern und verdreckten Kutten saßen in einem Halbkreis vor mir. Das waren roboterartige Soldaten, hervorragend ausgebildet, bewaffnet und ohne jegliche Gefühle.

      „Du willst also Prospect werden?“ Psycho verschränkte die Arme vor der Brust und wirkte eher wie ein Sergeant bei den Marines als ein Krimineller. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Von draußen hörte ich das Zirpen der Grillen.

      „Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen.“ Mein Herz hämmerte in der Brust.

      „Du weißt, was das bedeutet?“ Bevor ich antworten konnte, lehnte er sich zu mir herüber und flüsterte: „Du wirst ein Sklave sein, für die Vagos 24 Stunden am Tag erreichbar. Man kann alles von dir verlangen.“ Der Ton seiner Stimme ließ erkennen, dass er damit auch „Geschäftliches“ meinte – Selbstaufopferung, Gefängnis, sogar den Tod im Dienste des Clubs eingeschlossen.

      „Und wenn ich eines Tages denke, dass ich dich nicht leiden kann, könnte ich dir den Befehl erteilen, dich auf der Straße umfahren zu lassen.“

      Ich nickte, wusste ganz genau, was Psycho meinte. Ich hatte schon im Zusammenhang mit anderen Chaptern Gerüchte über Entführungen und Folter gehört.

      „Und wenn wir in den Krieg ziehen müssen“ – er legte eine dramatische Pause ein –, „dann wird von dir erwartet, dass du kämpfst, dass du tötest!“ Ich sagte nichts, doch mir wurde verdammt mulmig.

      Psycho überreichte mir den Bottom Rocker. „Kauf dir eine Kutte und näh ihn dir dran.“

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      Als ich einige Stunden später in die Slapshot Bar fuhr, konnte ich das Lenkrad des Wagens kaum halten, so sehr zitterten meine Hände. Spoon und einige Biker wollten dem neuen Prospect einige „Ratschläge“ geben. Mir kam das alles recht seltsam vor. Kaum vier Monate war ich dabei, und schon wurde ich aufgenommen – ohne weitere Fragen. Ich fühlte mich, als hätte ich meine Jungfräulichkeit verloren: Ich besaß weder ein Bike noch eine Kutte, aber trotzdem hatten sie mich in ihren Kreis aufgenommen. Niemand bat mich um eine Art Bewerbung – gleich welcher Art –, und niemand überprüfte meine kriminelle Vorgeschichte. Im Gegensatz zu Undercover-Agenten, die sich eine falsche Identität zulegen mussten, einschließlich angeblicher Verhaftungen, gefälschter Konten, eines Eintrags in das Kraftfahrzeugregister unter dem neuen Namen und einer Auflistung der bisherigen Jobs, hätte ich mit einem echten Strafregister aufwarten können. Und nun spielte gerade ich einen „Kriminellen“.

      Spoon bestellte ein Bier und strich sich über den langen Ziegenbart, der ihm bis auf die Wampe reichte. Die Matte schwarzen Haars hing bis auf seine Schultern. Ein Kopftuch verdeckte seine Halbglatze. Im gedämpften Grün des Lichts rezitierte Spoon den Prospect-Song, den ich wiederholen musste:

      I’m a Vago prospect, it’s plain to see.

      I wish they’d hurry up and give me my patch

      So everyone will quit fucking with me.

      Er überreichte mir ein Notizbuch und einen Bleistift, befahl mir, alles mitzuschreiben und immer auf der Hut zu sein. Ich fühlte mich wie bei den Pfadfindern. Er zählte eine Liste der wichtigsten Dinge auf, die ich in meiner „Überlebensausrüstung für Prospects“ mitführen musste: Kondome, Tylenol gegen Schmerzen und Fieber, Nadel und Faden (für den Fall, dass ein Prospect sich einer anderen Gruppe anschloss und man ihm den Aufnäher entfernte), Tampons (um die Blutung einer Schusswunde zu stoppen), Schnürbänder, verschiedene Glühbirnen für das Bike und das Schmerzmittel Vicodin. Spoon bestellte sich dann noch Bier, und wir saßen bis in die Morgenstunden zusammen.

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      Bei Sonnenaufgang fuhr ich Terrible nach Hause. Erschöpft, aber emotional aufgewühlt, registrierte ich kaum noch, dass ich in drei Stunden bei Napa Auto Parts meinen regulären Job beginnen musste. Lizard und die anderen Biker fuhren in ihrem Wagen einige Meter vor uns. Plötzlich sah ich Bewegung auf dem Rücksitz. Lizard drehte sich schwerfällig auf der Rückbank, wackelte herum und hielt auf einmal seinen nackten Arsch durch das Fenster. Was zum Teufel macht der da? Von all den Mitglieder der Vagos, die ich bislang getroffen hatte, war Lizard der abgefuckteste, ein Typ, der in bizarren Sphären schwebte, für immer und ewig in einem LSD-Flashback steckte. In der „realen Welt“ wäre er wahrscheinlich in die Klapse gebracht, offiziell für „nicht zurechnungsfähig“ erklärt und mit Medikamenten abgefüllt worden, doch die Vagos stuften ihn lediglich als einen „Exzentriker“ und in keinster Weise als Psychopathen ein. Sie hätten nicht im Traum daran gedacht, ihn wegen des Alters oder einer psychischen Krankheit auszuschließen. Ich lernte schnell, dass es unter Gangstern verschiedene Stufen des Wahnsinns gab. Unter seinesgleichen präsentierte Lizard gemeinhin eine perfekte Fassade. Er wurde zu einem Teil der Dunkelheit, erkannte aber längst nicht mehr, was um ihn herum wirklich vor sich ging. Doch es war egal, dass er zu den verlorenen Seelen zählte – denn sie alle waren verloren. Es scherte niemanden, dass er psychisch krank war, denn alle Biker waren mehr oder weniger durchgeknallt. Er war eine Missgeburt unter Missgeburten. Und sie alle versuchten eine gewisse Ordnung, wenn auch in pervertierter Form, in das Chaos ihres Lebens zu bringen.

      Terrible öffnete das Fenster. Der eisige Wind drang in den Wagen. Lizard beförderte etwas auf die Straße. Es landete mit einem Platschen auf dem Asphalt. Dicke Tropfen spitzten auf meine Windschutzscheibe – braun und flüssig wie …

      „Scheiße!“ Terrible hielt sich Mund und Nase zu und kurbelte die Scheibe so schnell wie möglich hoch. „Diese Drecksau hat ’nen Dünnen und uns voll angeschissen!“ Ich brauchte einen Moment, um Terribles Statement zu verstehen. Das Ganze war nicht verrückt oder exzentrisch, sondern auf eine bestimmte Art und Weise ein Abbild der Realität, denn wir saßen alle in der Scheiße – und machten uns gegenseitig fertig.

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      Zu Hause angekommen, ließ ich mich ins Bett fallen und steckte mir die Ohrstöpsel rein. Wie sich herausgestellt hatte, war es viel zu anstrengend gewesen, drei oder vier Mal die Woche die 40 Meilen von Upland nach Victorville zu düsen, um mit den Vagos abzuhängen. Deshalb hatte ich mir ein billiges Apartment in