282.Anacharsis, ein skythischer Fürst, der Griechenland bereist hat.
283.Hierzu macht Stahr S. 379 die folgende treffende Anmerkung: »In der Muße, d. h. in der von keiner Lebensnot verkümmerten Freiheit des Daseins. Das ist ein Begriff, der in seiner Erhabenheit ganz dem hellenischen Altertum angehört. Auch im römischen findet sich hier und da ein Abglanz davon; in unserer unruhigen, rastlos arbeitenden Zeit scheint er verloren gegangen zu sein. Edle Muße, mit edelster Geistestätigkeit erfüllt, ist dem großen Stagiriten der Zweck der Lebensarbeit.« Dennoch scheint Stahr in dem Begriffe der σχολή, der Muße, etwas übersehen zu haben. Man hat Muße, wenn einem nichts mehr zu tun übrig bleibt, und das ist der Fall, wenn man sein Ziel erreicht hat. Darum sagt Aristoteles: ασχολούμεθα, ίνα σχολάζωμεν, und spricht von dem Kriege um des Friedens willen. Die Muße bedeutet die Erreichung des Zieles: sie ist die Ruhe des Strebevermögens im Besitze seines geliebten Gegenstandes.
284.Man sieht hieraus sehr klar, daß Aristoteles mit der Eudämonie, die in der Ethik erörtert wird, nur die diesseitige meint. Ebenso klar zeigt dieser Absatz, daß nach Aristoteles das Leben des Geistes und die Erkenntnis und Verbreitung der Wahrheit nicht blos das letzte Ziel des Einzelnen, sondern eben darum auch des Staates ist. Seine höchste Aufgabe ist die Schaffung und Erhaltung solcher Zustände, die möglichst vielen Angehörigen des Staates das Leben nach dem Geiste ermöglichen. In diesem Sinne schreibt Thomas v. Aquin in seinem Kommentar zu dieser Stelle X, lect. XI: »Ad felicitatem speculativam tota vita politica videtur ordinata; dum per pacem, quae per ordinationem vitae politicae statuitur et conservatur, datur hominibus facultas contemplandi veritatem.«
285.Insofern er Mensch ist, ist er vernünftiges Sinnenwesen, Zusammensetzung aus Leib und Seele, und dem entspricht ein Leben körperlicher und sinnlicher Empfindung und Tätigkeit. Insofern er darum dem Denken, der θεωρία, obliegt, lebt er nicht als Mensch, sondern insofern er etwas Göttliches in sich hat, den Geist, durch den er Gott ähnlich ist.
286.Eine solche genauere Aussprache findet sich im 3. Buche, K. 4 von der Seele, wo gezeigt wird, daß der Geist des Menschen mit dem Stoffe nicht vermischt und vom Stoffe getrennt ist. Demnach muß auch die Tätigkeit des Geistes und seine Lust vom Stoffe getrennt und nach aristotelischer Redeweise göttlich sein. – Wir haben in der Vermeidung einer näheren Aussprache über diese Dinge an unserer Stelle wieder einen Beleg für die strenge Systematik des Aristoteles. Vgl. I, Kap. 7, Anm. 23.
287.Unter den Göttern, von denen Ar. hier spricht, sind die Sphärengeister zu verstehen, die nach der Vorstellung der antiken Astronomie die Himmelssphären und mit ihnen die Gestirne bewegten. Ihnen konnte selbstverständlich keine Übung der sittlichen Tugend, keine Handlung der Klugheit, keine Kunsttätigkeit nach Weise menschlicher Künstler zugeschrieben werden. Aber wie der Schluß des Absatzes zeigt, denkt Ar., wie es ja auch nicht anders möglich ist, dasselbe von Gott und legt Ihm einzig Denktätigkeit bei, jene weisheitsvolle Tätigkeit, durch die Er alles macht. Daraus zieht er den Schluß, daß unter menschlichen Tätigkeiten jene die seligste ist, die mit dem göttlichen Schauen oder Denken die größte Ähnlichkeit hat.
288.Solon führte diesen Gedanken in seiner Unterredung mit Krösus, König von Lydien, aus. Die bekannte Geschichte steht bei Herodot I, 30.
289.Vgl. Eudemische Ethik I, 4.
290.Vgl. VIII, Kap. 9, Anm. 238. – Man beachte auch, daß Ar. hier deutlich auf Kap. 8, vorletzter Absatz bezug nimmt. Dort redet er von der menschlichen Denktätigkeit als der der göttlichen Tätigkeit verwandtesten, συγγενεστάτη, hier von der Freude Gottes an dem ihm Verwandtesten, τω̃ συγγενεστάτω, dem νους des Menschen. So kann denn in dem genannten Absatz unmöglich, wie Einige wollen, eine Lehre ausgesprochen sein, die jede Tätigkeit Gottes nach außen und somit jede Fürsorge für den Menschen ausschlösse. Vgl. Brentano, Offener Brief an Zeller, S. 29 f.
291.Theognis, Vers 432–34:
Hätte ein Gott verliehn dies des Asklepios Schaar,
Daß sie die Bosheit heile und schlimme Begierde der Menschen,
Trüge sie reichlichen Sold, große Geschenke davon.
Nach Lasson.
292.Vgl. I, 10, Anfang und I, Kapitel 10, Anmerkung 30.
293.Das Verbum τρέφειν und das Substantiv τροφή hat hier, wie so oft auch bei Plato, z. B. in den Gesetzen, nicht die Bedeutung von ernähren, aufziehen und Nahrung, Aufzucht, sondern von erziehen, Erziehung.
294.Aristoteles sagt: νομοθετικὸς γενόμενος, wenn man einer, der Gesetze geben kann, geworden ist. Gesetze brauchen nicht grade Vorschriften für den Staat zu sein, es können auch solche für die Familie oder wie Ar. sagt, das Haus sein, wie der folgende Absatz erklärt.
295.εκλέξασθαι ει̃ναι τοὺς αρίστους 1181a 17 kann wohl nicht gut heißen: man braucht ja nur die besten auszuwählen; vielmehr scheint zu ειναι ράδιον aus der vorhergehenden Zeile zu ergänzen.
296.An dieser Stelle heißt θεωρη̃σαι, ebensowenig wie 1179b 1, wozu man vergleichen möge περὶ ψυχη̃ς I, 1. 402a 7, einsehen oder betrachten, sondern erforschen, untersuchen entsprechend dem lateinischen speculari.
297.Ar. hat im vorausgehenden Absatz Inhalt und Einteilung seiner Politik angedeutet, mit der die Ethik, wie der Schlußsatz zeigt, auch äußerlich auf das engste verbunden ist.
Organon