Die meisten Verschwender freilich nehmen, wie gesagt, da, wo sie es nicht sollen, und sind insofern nicht edelgesinnt, sondern den Geizigen gleich zu achten. Sie lernen zugreifen, weil sie ausgeben wollen, aber es nicht leicht können, indem ihnen die Mittel schnell ausgehen und sie sich dieselben darum von anderer Seite verschaffen müssen. (1121b) Zugleich nehmen sie auch, da sie sich über die Erlaubtheit ihrer Handlungen keine Rechenschaft geben, ohne Rücksicht, wo sie nur bekommen können. Sie wollen nur geben; das Wie und Woher kümmert sie nicht. Darum sind ihre Gaben auch keine Erweise von Freigebigkeit, weil sie nicht sittlich gut sind, aus keinem sittlichen Beweggrunde entspringen und auch nicht in rechter Weise verteilt werden. Vielmehr bereichern sie oft Leute, die von rechtswegen arm sein sollten, und mögen Personen von bravem Charakter nichts geben, während sie Schmeichler oder Leute, die ihnen sonst ein Vergnügen machen, mit Geschenken überhäufen. Darum sind die Meisten von ihnen auch unmäßig. Denn da sie leichthin Aufwand machen, geben sie auch gern für Ausschweifungen Geld aus, und weil ihr Leben des sittlichen Haltes entbehrt, neigen sie den Lüsten zu.
Auf solche Abwege gerät der Verschwender, wenn er keine rechte Leitung hat; trifft er aber auf jemanden, der sich seiner annimmt, so kann er wohl noch zur Mitte und zu dem Schicklichen gelangen.
Dagegen ist der Geiz unheilbar. Denn das Alter und jede Schwäche scheint geizig zu machen. Und der Geiz liegt mehr in der menschlichen Natur als die Verschwendung, da die meisten Menschen mehr Freude am Gelderwerb als am Geben haben.
Der Geiz hat einen weiten Umfang und viele Formen, da man auf vielerlei Weise geizig sein kann. Während er nämlich in zwei Dingen besteht, einem Zuwenig im Geben und einem Zuviel im Nehmen, so ist doch nicht beides allen Geizigen vollständig eigen, sondern zuweilen kommt hier eine Trennung vor, indem die einen im Nehmen zu viel und die anderen im Geben zu wenig tun. Denn die Leute, die man unter Bezeichnungen wie Knicker, Knauser, Filze befaßt, lassen es sämtlich am Geben fehlen, fremdes Gut dagegen begehren sie nicht und wollen sie nicht wegnehmen, die einen aus einem gewissen Rechtsgefühl und aus Scheu vor der Schlechtigkeit – denn manche scheinen ihr Geld darum festzuhalten oder versichern wenigstens es darum festzuhalten, damit sie nicht einmal später zu einer unehrenhaften Handlung genötigt seien. Zu diesen gehören auch der Kümmelspalter und seines gleichen; er heißt so, weil er den Grundsatz, keinem etwas zu schenken, auf die Spitze treibt –. Die anderen wiederum hüten sich vor ungerechter Hinwegnahme aus Furcht, da es nicht leicht ist, selbst fremdes Gut wegzunehmen, ohne daß Andere einem dasselbe tun. Darum halten sie sich an den Grundsatz, weder zu nehmen noch zu geben.
Andere wiederum tun im Nehmen zu viel und nehmen woher sie können und was sie können, wie die, die schimpfliche Gewerbe betreiben: Hurenwirte und dergleichen, und Wucherer, die kleine Summen zu hohen (1122a) Zinsen ausleihen. Denn alle diese nehmen woher sie nicht sollen und mehr als sie sollen. Als gemeinsam erscheint bei ihnen schimpfliche Gewinnsucht, da sie alle eines Gewinnes, und zwar eines kleinen Gewinnes wegen sich Schimpf und Schande gefallen lassen. Denn die Großes nehmen, jedoch nicht woher und was sie sollen, wie die Gewaltherrscher, wenn sie Städte verwüsten und Tempel berauben, nennen wir nicht geizig, sondern vielmehr verrucht, gottlos und ungerecht. Dagegen gehören der Falschspieler und der Kleiderdieb und Räuber zu den Geizigen, weil sie schändlichen Gewinn suchen. Der Gewinn ist es ja, für den diese beiden Menschenklassen bei der Arbeit sind und Schande auf sich nehmen, und die einen setzen sich um des Raubes willen den größten Gefahren aus, die anderen übervorteilen ihre Freunde, denen sie geben sollten. Beide trachten also, da sie gewinnen wollen woher man nicht soll, nach schändlichem Erwerb, und jedes derartige Nehmen ist als gemeiner Geiz charakterisiert.
Der Geiz wird billig als das Gegenteil der Freigebigkeit bezeichnet. Er ist unsittlicher als die Verschwendung, und man fehlt in dieser Beziehung mehr als durch die Verschwendung, die wir beschrieben haben.
So viel sei denn von der Freigebigkeit und den ihr entgegengesetzten Lastern gesagt.
Viertes Kapitel.
Nach diesem liegt es nahe, auch von der Hochherzigkeit zu handeln. Scheint sie doch auch eine Tugend zu sein, die sich auf Hab und Gut bezieht. Sie erstreckt sich jedoch nicht wie die Freigebigkeit auf alle das Geld betreffenden Handlungen, sondern nur auf den Aufwand, und hier übertrifft sie die Freigebigkeit durch die Größe; denn sie ist, wie schon der Name einigermaßen anzeigt, der schickliche Aufwand im Großen89. Groß ist nun ein relativer Begriff; der Aufwand eines Mannes, der aus seinen Mitteln ein Kriegsschiff stellt, ist ein anderer als der eines Mannes, der für die Kosten einer Festgesandtschaft aufkommt. So richtet sich denn die Schicklichkeit nach der Person und wechselt hier je nach der Sache und den Umständen. Wer im Kleinen oder Mittelmäßigen nach Gebühr ausgibt, heißt nicht hochherzig; also nicht wer mit Ulisses sagen kann: »Oft gab ich dem Bettler«90; sondern wer dies im großen tut. Der Hochherzige ist edelgesinnt und freigebig; der Freigebige aber ist darum noch keineswegs hochherzig. Das Zuwenig dieses Habitus heißt Engherzigkeit, das Zuviel Großtuerei, protzerhaftes Wesen und was solcher Bezeichnungen mehr sind, die nicht ein Zuviel bei übrigens rechtmäßiger Veranlassung, sondern ein Prunken am unrechten Ort und auf unrechte Art ausdrücken. Wir werden darauf weiter unten zurückkommen.
Der Hochherzige gleicht einem Wissenden. Er weiß das Schickliche zu beurteilen und auf geziemende Weise großen (1122b) Aufwand zu machen. Denn der Habitus wird, wie wir zu Anfang gesagt haben, durch die Akte sowie durch die Objekte charakterisiert, worauf er sich bezieht. Und so sind die Aufwendungen des Hochherzigen groß und der Schicklichkeit und Würde entsprechend, nicht minder aber die Werke, denen der Aufwand gilt, und so wird denn der Aufwand, den er macht, ebenso groß wie für das Werk schicklich sein. Das Werk muß also des Aufwands, der Aufwand des Werkes würdig sein oder es noch übertreffen. Solchen Aufwand aber macht der Hochherzige aus sittlichem Beweggrunde, wie es ja jeder Tugend eigen ist, und auch gern und ohne Bedenken, da das genaue Rechnen engherzig ist. Und er sieht mehr darauf, daß die Ausführung auf das schönste und geziemendste geschieht, als was sie kostet, und wie sie am billigsten wird. Der Hochherzige nun muß auch freigebig sein, da auch der Freigebige aufwendet was er soll und wie er soll, aber grade hierin, im Was und Wie, besteht das »Große« unseres Mannes, besteht die Große der Freigebigkeit, die es sonst mit denselben Dingen zu tun hat, und er wird mit dem gleichen Aufwand dasselbe Werk prächtiger und großartiger gestalten. Denn der Wert eines Besitzstückes und der eines Werkes ist nicht der gleiche. Bei einem Besitzstück, Gold z. B., entscheidet der höhere Preis über seinen Wert, bei einem Werke dagegen seine Größe und Schönheit. Der Anblick eines solches Werkes ruft unsere Bewunderung hervor, und Bewunderung zollen wir auch den Schöpfungen hochherzigen Sinnes. Der Wert des Werkes ist also seine überragende Pracht und Größe.
Fünftes Kapitel.
Zu den hochherzigen Aufwendungen gehören die sogenannten Ehrenleistungen, einmal Weihegeschenke für die Götter, Tempelbauten und Opfer, dann Aufwendungen für alles, was zum Kult der Dämonen, der Halbgötter, gehört, endlich alles, was edler Wetteifer für das Gemeinwesen leistet, wie wenn man z. B. glaubt, einen Festchor glänzend ausstatten oder ein Kriegsschiff stellen oder auch der Stadt einen Schmaus geben zu sollen.
Bei allen Aufwendungen aber ist, wie gesagt, auch bezüglich der Person, die