Van Halen. Joe Layden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joe Layden
Издательство: Bookwire
Серия: Rockbiographien
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854456445
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begleitete die Band, als sie sich einen Namen machte – zuerst als ihr Roadmanager, dann als ihr Manager –, ging mit ihr durch dick und dünn. Ich genoss den wilden Ritt und liebte jede Sekunde davon. Und die Wahrheit ist: 1984 pfiffen Van Halen – die Band, die ich verehrte und zu deren Erfolg ich beigetragen hatte – aus dem letzten Loch, was jedoch nicht vielen Leuten auffiel. Sie sahen nur die ausverkauften Arenen sowie das Platin-Album (und die Singles). So nahmen sie an, dass alles in Ordnung sei. „Diamond Dave“ David Lee Roth sprang immer noch vom Schlagzeugpodest und lieferte Sprünge ab wie ein Turner bei Olympia. Eddie jagte nach wie vor schneller als irgendwer sonst im Geschäft über das Griffbrett, wobei die atemberaubenden Solos, die er routiniert ablieferte, Vergleiche zu Hendrix, B. B. King und so ziemlich jedem anderen legendären Gitarristen heraufbeschworen. Sie hatten die Welt bei den Eiern, diese Typen.

      Doch dann lockerten sie ihren Griff.

      Während sich 1984 immer weiter verkaufte und Kritikerlob einfuhr, die Band eine ausverkaufte Show nach der anderen spielte, begann das Fundament, auf dem sie errichtet worden war, zu bröckeln. O. k., eigentlich tat es das schon eine ganze Weile. Mitte 1984 verliefen bereits tiefe Gräben durch die Band, und sie sah sich mit einer Reihe von Konflikten konfrontiert, die einesteils belangloser, andererseits aber auch gewichtiger Natur waren. Lange schwelende künstlerische Differenzen (ganz zu schweigen von persönlichen Schrullen) zwischen Eddie und David erreichten nun eine kritische Temperatur. Der Drogen- und Alkoholkonsum innerhalb der Band eskalierte. Liebe und „Bruderschaft“ sowie der gute alte Jugendtraum, eine Band zu gründen, um Mädchen flachlegen zu können und nebenbei noch ein paar Mäuse zu machen, waren Verbitterung, Selbstgefälligkeit und mitunter sogar Hass gewichen.

      Die Tour verlief extrem erfolgreich – eine gute Sache, wenn man bedenkt, dass wir ansonsten viel Geld verloren hätten. Wir hatten uns in einem letztlich von uns selbst entworfenen Labyrinth verlaufen, das uns zu verschlucken drohte. Eine Materialschlacht vor Ort, protzige Sets, unzählige Crew-Mitglieder. Doch ließ sich eines nur schwer von der Hand weisen: Van Halen waren, verdammt noch mal, unsinkbar! Zumindest dachten wir das. Was auch immer wir allerdings waren, wir waren gut. Wir arbeiteten nicht nur kostendeckend, nein, wir spielten sogar Geld ein.

      Im Mittelpunkt der Party zu stehen, bringt aber nicht viel, wenn man es nicht genießt – und darin lag das Problem. 1984 waren die vergnüglichen Zeiten, in denen die Band das Leben auf Achse aufsaugte und für die Musik lebte, lange vorüber. Zwar spielten die Jungs immer noch von ganzem Herzen für ihre begeisterten Fans, doch sobald die Show vorbei war und sich das Publikum lichtete, wurde offensichtlich: Van Halen hatten keinen Spaß mehr. Mitte 1984 waren Van Halen eine immer noch strahlende, aber zugleich auch deprimierte Kopie ihrer selbst. Die Gruppe kam eher lustlos vertraglichen Verpflichtungen nach, ihre vier Mitglieder gingen in der Regel ihrer eigenen Wege, sobald die Scheinwerfer erloschen und die Trucks beladen waren.

      Ich befand mich damals mittendrin und schlüpfte häufig in die Rolle des Schiedsrichters, bis ich schließlich in die Wüste geschickt wurde. Obwohl 1984 vielleicht von außen betrachtet wie das beste Jahr von Van Halen wirken mag, weiß ich, dass dem nicht so war. Ihr wollt einen Schnappschuss aus der Zeit, als die Band im Zenit stand, einen Backstage-Pass für die kreativste und hedonistischste Phase der Jungs? Nun, dann müsst ihr ein wenig weiter zurückgehen. Wie wäre es mit 1982? …

      Wir kommen also zur Show an. Eine seltsame Kombination aus Gerüchen schwängert die Luft hinter der Bühne. Sie sind nur schwer voneinander zu trennen und auch zu identifizieren. Das Erste, was einem in die Nase steigt, sind die Abgase – als würde man eine Autowerkstatt oder Tankstelle betreten. Nehmen wir eine typische Arena mit 15.000 Sitzplätzen, in Portland oder Pittsburgh, oder den Checkerdome in St. Louis – das ist gar nicht so wichtig, denn sie sind alle gleich. Auf der Rückseite jeder dieser Locations befindet sich eine Rampe, über die die Ausrüstung ein- und ausgeladen wird. Am Fuße dieser Rampe warten ein Sattelschlepper und dahinter noch ein halbes Dutzend weiterer Laster, die geduldig ausharren, bis sie an der Reihe sind. Sie alle spucken giftige Gase in die abgestandene Luft. Über den ganzen Bereich legt sich Rauch, was einen an den Anflug auf Los Angeles an einem schönen Tag erinnert. Ihr wisst schon: Je näher man dem Boden kommt, desto dicker wird die Luft, und sie verändert die Farbe: von durchsichtig zu irgendwie rosafarben, bis der Anblick – ein paar Tausend Fuß über der Erde – eine schlammige Note erhält.

      Draußen stehen die Trucks und die schwitzenden Roadies. Und auch die Groupies – Labsal für die Truppen. Die Mädels verströmen einen überwältigenden Geruch – und dabei handelt es sich nicht nur um Parfüm, sondern auch um das Aroma von Sex, Schweiß und Begehren. Er ist kaum auszumachen, doch man nimmt ihn dennoch wahr: diesen Geruch des Verlangens und den Zwang, loszulegen. Trink eine Flasche Schnaps, wirf dir ein paar Pillen ein, rauch einen Joint (oder auch zehn) und warte ab, wohin dich der Abend führen wird. Vielleicht nirgendwohin. Vielleicht erhaschst du aber auch einen Blick hinter die Kulissen – auf einen Abend (oder zumindest ein paar fieberhafte, verschwitzte Minuten) voller fleischlicher Wonnen mit einem der Bandmitglieder. Und wenn daraus nichts wird, dann eben mit einem der Roadies oder jemandem aus der Crew vor Ort. Vielleicht trollst du dich auch einfach wieder nach Hause zu deinem Freund und kletterst zu ihm ins Bett, während dir David Lee Roth durch den Kopf geistert. Bei einem Van-Halen-Konzert ist das Verlangen stets greifbar – und es begegnet einem in Form eines berauschenden Aromas, wie Patschuliöl, das durch die Tore in den Backstage-Bereich hereinströmt.

      Während der Beginn der Show stetig näher rückt, wird einem bewusst, dass der Energiepegel steigt. Das lässt sich nicht nur am Lärm festmachen – nein, man kann es vielmehr fühlen. Es scheint fast so, als würde das Gebäude selbst zum Leben erwachen.

      Wenn ich durch den Hintereingang trete, ist die Band bereits versammelt: Edward mit seiner Gitarre in der Hand (ohne sie geht er nirgendwohin. Er tauchte sogar einmal an einem Tatort mit ihr auf); der sanftmütige Michael, der „Jedermann“ der Truppe, der einfach so herumlungert (kein Bass in Sicht); David, der pedantische Entertainer, der dem Tontechniker ausführliche Anweisungen gibt („Wenn ich zum Ende von ‚Atomic Punk‘ komme und ‚Let the show go on and on‘ sage, dann legst du da ein Echo drüber, okay?“); und Alex, der verkehrt herum auf einem Stuhl sitzt und die Rückenlehne mit zwei Drumsticks bearbeitet, während er mit seinen wachsamen Augen abcheckt, was für „Grazien“ die Szenerie betreten. Als eine junge, attraktive Angehörige der Catering-Crew einen Teller mit Chicken Wings auf dem Büffettisch abstellt, greift er flugs nach einem der Schenkel der Frau. Er lächelt. Sie kichert, verpasst ihm einen Klaps auf die Finger und gibt sich ungerührt. Doch ich habe das Gefühl, dass sie bloß ein Pokerface aufsetzt – oder vielleicht ist sie einfach an die ungewünschte Aufmerksamkeit gewöhnt, die man erhält, wenn man Rockbands das Essen liefert. Was kann man da sagen? Das, was ansonsten als sexuelle Belästigung gebrandmarkt würde, gilt in der Welt des Rocks als harmloses Getue. Die Zeiten haben sich natürlich geändert, doch vor mehr 35 Jahren? Nun, man musste davon ausgehen, dass in jedem Rockstar eben auch ein bisschen ein Höhlenmensch steckte. Diese Jungs waren darauf konditioniert zu glauben, dass so ziemlich jede Frau, die ihre Wege kreuzte, eine potenzielle – und potenziell willige – „Gespielin“ darstellte. So ist das eben mit dem Rock ’n’ Roll, Baby. Da geht’s nicht nur um die Musik, sondern auch darum, die gut geölte Stange der Evolution hinabzugleiten …

      Wenn wir uns tiefer in die Arena hineinbegeben, weg von der Ladezone, verändern sich die Gerüche. Der Benzingestank weicht einer Melange aus Essen und Drogen. Chili und Hühnerteile in der einen Sekunde, Alkohol und eine Kombination aus Gras und Zigarettenrauch in der nächsten. Damals rauchte nämlich jeder – deine Mama, deine Schwester, dein komischer Onkel mit dem Silberblick, der Quacksalber, dem du 150 Dollar pro Stunde zahltest, um endlich aufzuhören damit. Es wird also gequalmt, und dementsprechend undurchdringlich ist der Nebel.

      Wenn man die Ohren spitzt, dann hört man auch Schnüffeln. Geht etwa ein Virus um? Eine Allergie? Oder ist es nur der Klang von mehreren Dutzend Leuten, die sich Kokain und andere Stoffe durch die Nase ziehen? Sucht es euch aus – und vergesst nie: Das hier sind die Achtzigerjahre, und das ist Rock ’n’ Roll.

      Nachdem sie gegessen und mit ein paar Groupies geflirtet haben, die sich bereits Zugang verschafften, machen sich die Jungs auf zu ihrer Garderobe.

      „Wo