Norman Mailer: „Advertisements For Myself“
Ohne die Liebe und Unterstützung meiner Mutter und meines Vaters und ohne die Inspiration durch meine Tochter würde es dieses Buch nicht geben. Robert Greens Bemühungen hatten ebenfalls einen Anteil an der Verwirklichung. Mein Schreibtalent – wenn vorhanden – verdanke ich in großem Maße meinen Lehrern Walter Smith und Helen White. Während der jahrelangen Arbeit an diesem Buch wurde ich auf verschiedene Weise unterstützt von Paul Bomarito, Gerald Weiler, Arthur Kretchmer, Dann Wenner, Aubrey Guy, Edward Blaine, Charles Baker, James Allison, Lucius Burch, Irvin Salky, Saul Belz, George Nichopoulos, Joseph Battaile und den mittlerweile verstorbenen John Dwyer, Colonel Thomas Thrash und George Campbell. Peter Guralnick und Gary Fisketjon haben mich über jedes vernünftige Maß hinaus unterstützt. Keith Richards, Bill Wymam, Ian Stewart, James Dickinson, Helen Spittall, Shirley Arnold, Joe Bergman und den auch verstorbenen Alexis Korner und Leslie Perrin gebührt die stete Wertschätzung des Autors. Viele Leute haben die Arbeit an diesem Buch unterstützt und einige haben versucht, sie zu behindern und es dadurch unvermeidlich gemacht. An dem Inhalt des Buches ist ganz allein der Autor schuld.
For all the Children
Ein Drittel der Ewigkeit
Vorwort zur deutschen Erstausgabe 1995
mark twain sagte, wenn man nur gut genug schriebe, habe ein Werk „ewig – und mit ewig meine ich dreißig Jahre“ Bestand. Also hat dieses Buch, in den Vereinigten Staaten erstmals vor zehn Jahren publiziert, ein Drittel der Ewigkeit überdauert. Ich muss sagen, dass es mir länger erscheint, andererseits hat es fünfzehn Jahre gebraucht, um das Buch zu schreiben. Ich glaube nicht, dass ein derartiges Buch über ein derartiges Phänomen heutzutage geschrieben werden könnte. Es ist die ziemlich intime Story einiger idealistischer Kriegskinder: wie ihre Hoffnungen und Träume einen Unterschied machten, wie all diese Hoffnungen und Träume irrelevant zu werden drohten und wie nichts, oder zumindest sehr wenig von Bedeutung, dabei herauszukommen schien. Trotz wahrer Galaxien von Klon-Bands und obwohl seitdem Millionen von Platten über die Ladentische gingen und sogar ungeachtet der Tatsache, dass sich seitdem das Angesicht und der Klang der Zivilisation verändert haben. Als „Dance With The Devil“ im Original erschien, waren die Rolling Stones aus der damals – und wahrscheinlich noch immer – überwiegend unreifen Sicht der Herausgeber ebenso unwichtig wie Elvis Presley in seiner Hollywood-Phase. Man sah im überholten Vermächtnis der Stones nichts als einen seichten, kosmetischen (oder antikosmetischen) Look – eine Mode, den oberflächlichsten und kurzlebigsten aller Bereiche. Aber das war vor dem Fall der Berliner Mauer.
Die Musik der amerikanischen Unterschicht, urbaner Blues, sprach zu den Herzen von Jungen wie Mick Jagger, Keith Richards und Brian Jones, die Zeugen des Horrors der Politik waren, Botschafter einer würdigeren Art zu leben als jener, die ein traditionell kapitalistisches Arbeitsverhältnis zu bieten hat. Der Rhythm & Blues der Stones und der Rock ’n’ Roll der Beatles waren beide Nigger-Musik. Sie haben ihre Wurzeln in Bohrlagern, Sägemühlen, schindelgedeckten und in Vorderzimmern von Lagerhäusern eingerichteten Kirchen, in Spelunken, wo abgebrühte Typen verkehren, in Spielhöllen und in Vergnügungsetablissements. Gesellschaftlich unakzeptabel. Aber das verrückte an diesem gesellschaftlich unakzeptablen Lärm ist, dass die Gesellschaft, besonders die Oberschicht, ihn akzeptiert hat. Als Edward VII. Prinz von Wales war, sagte er, dass die einzigen beiden wirklich königlichen Frauen, die er kannte, seine Mutter und Bessie Smith waren. In diesem Buch erzählt Charlie Watts davon, wie er mit Benny Goodman auf einer Party für Prinz Philip gespielt hat. In meiner aktuellen Biographie über ihn spricht Keith Richards davon, wie er für Debütanten gespielt und eine schnelle Ausbildung bezüglich dessen, was eine Lady ist, genossen hat. Ein paar Seiten weiter bemerkt Ahmet Ertegun, dieses seelenvolle türkische Jazz-Baby, ganz richtig, dass diese Musik die populärste Musik aller Zeiten ist – nenn sie, wie du willst, meinetwegen die Boogie-Krankheit („you may call it madness but I call it hi-de-ho“). 1830 ging es ziemlich gut mit ihr los. 1930 brauchte Jimmy Rodgers dann kein schwarzes Gesicht mehr zu haben. Das Klagelied der Sklaven war nicht das Eigentum einer einzelnen Rasse – nur der Menschheit.
Für den ernsthaften Schriftsteller, schrieb Flannery O’Connor, sind alle Menschen arme Menschen. Jeder, der lange genug lebt, lernt, was es heißt, arm zu sein, zumindest seelisch. Diese Musik handelt von Erlösung und wie man aus den Zitronen, die das Leben reicht, Limonade macht. „Ich frage mich, wie lange noch, bis ich meine Kleidung wechseln kann“, sang Booker T. Washington White als Gast des Staates Mississippi auf der Parchman-Gefängnisfarm und machte durch das Wunder der Kunst aus seiner unglückseligen Haft wegen Mordes ein Fest. Dieses Erlösungs-Zeug ist mysteriöser Stoff. Im Film „The Benny Goodman Story“ sagt Bennys Mutter, erschrocken über den Aufruhr nach einem Konzert ihres Sprößlings, den unsterblichen Satz: „Ich verstehe diese unpopuläre populäre Musik nicht.“
Da haben wir das Problem mit der Erlösung und der Revolution: Man kann kein Omelett machen, ohne Eier zu zerbrechen. Oder wie William Temple, der verstorbene Erzbischof von Canterbury, anmerkte: „Warum sich irgendein Mensch die Mühe gemacht haben sollte, den Christus des Liberalen Protestantismus zu kreuzigen, ist immer ein Rätsel gewesen.“ So ein netter, vernünftiger Kerl hätte ein großartiger Versicherungsverkäufer sein können. Jesus von Nazareth, der gewöhnliche Bürger, wurde gekreuzigt, weil er der herrschenden Klasse eine Scheißangst eingejagt hat. Diesbezüglich – und eigentlich in noch mehrerlei Hinsicht – waren die Stones Christus ziemlich ähnlich. Brian Jones konnte nichts anderes sein, als was er war, ein lebendes (und sterbendes) Opfer. Keith Richards desgleichen. Mick Jagger hatte die Wahl, und er braucht sein ganzes Leben lang, um sie zu treffen.
Aber was auch immer die Stones, diese rockenden Fossile, jetzt auch sein mögen – waren sie wirklich, wie Keith glaubt, für das Einstürzen von Mauern verantwortlich wie der mythische Josua? Wäre es ohne den stetigen Vierviertel-Beat zum Fall der Berliner Mauer gekommen, hätte es die Perestroika gegeben? Ich glaube schon, ja. Selbst wenn die Menschen noch immer Foxtrott, Gavotte, Menuett und Walzer tanzen würden. Denn sogar bei Mozart gibt es jede Menge wilder Hemmungslosigkeit, ganz zu schweigen von Beethoven – das genügt, um die Städte in Flammen zu setzen, Mauern niederzureißen. Musik jeglicher Art – mit Ausnahme von Märschen, Kampfschreien, Hymnen und Trauergesängen – ist ein potenzielles Problem für den Staat, daran besteht kein Zweifel.
Andererseits kann Musik völlig unbedeutend für historische Ereignisse sein. Aber das politische Faktum bleibt bestehen, dass sich in unserer Zeit eine gewisse apolitische oder suprapolitische Lingua franca etabliert hat, die aus Levi’s, Marlboro, Cadillac, Mercedes, Coke und Koks, Haschisch, Heroin, Ecstasy, Löwenbräu, Dom Perignon, Jack Daniel’s, den Rolling Stones, Robert Johnson, Bob Dylan, den Black Crowes, was immer deine Marke ist, besteht. Indem man an all dem teilnimmt, erhält man sich den Glauben daran, dass das gute Leben weitergeht. Der Zusammenbruch des Kommunismus hat das moderne Konsumdenken kampflos als den offensichtlichen Sieger zurückgelassen. Das ist nicht unbedingt ein Desaster; Micky Maus ist ein größtenteils recht anständiger Nager, menschlicher als Josef Stalin oder viele amerikanische Präsidenten und sogar als manche deutsche Führer.
Gleichzeitig befinden sich anscheinend verschiedene Formen des Fundamentalismus im Aufschwung. Eine Kombination aus Konservatismus und Fundamentalismus – rechte Kräfte in einer unheiligen, aber selbstgerechten Allianz – hat, neben anderen Schrecklichkeiten, die große Depression in den USA vertieft und verlängert. Und diese Kräfte, allesamt scheinheilige Schleimscheißer, sind noch immer und glamouröser denn je mitten unter uns und versuchen wie eh und je, die Bevölkerung mit Nichtigkeiten abzulenken und über welche Missstände auch immer hinwegzuregieren. Es gab diese Kräfte auch zu jener