Er sah zu, dass er ins Auditorium kam, als Price dort auftrat, und mogelte sich an den Sicherheitskräften vorbei, um eine Audienz bei ihm zu bekommen. Price kannte Richard und die meisten anderen, die den Circuit bedienten, und begeisterte sich dermaßen für sein Schaffen, dass er ihn drängte, mit einem Tonbandgerät ein Demo aufzunehmen und an Art Rupe zu schicken, den Geschäftsführer von Specialty. Lloyd gab ihm die Adresse des Labels am Sunset Boulevard und versprach, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Binnen weniger Tage trug Richard Songs zusammen, die er geschrieben hatte, und fand sich im Studio von Hamp Swainns Sender WBML ein. Nur in zwei der Tracks, „Wonderinʼ“ und „She’s my Star“, spielt er im Hintergrund Klavier, und zwei weitere, „Directly From My Heart To You“ sowie „Iʼm Just A Lonely Guy“, waren A-Capella-Nummern. Er wies Rupe direkt darauf hin, er möge ihn aufgrund des Letztgenannten unter Vertrag nehmen. Auch diese Stücke entsprachen nicht dem, was er gern aufgenommen hätte, doch er blieb bei Gospel-Blues, um Specialty nicht zu verprellen. Nach der Session nahm er das Band, steckte es behutsam in einen Umschlag und versandte es.
Daraufhin wartete er … und wartete.
* * *
Specialty hatte etliche heißere Eisen im Feuer. Das 1945 von Rupe gegründete Unternehmen bot ein beeindruckendes Programm aus Blues und frühem Rock ’n’ Roll mit besonderem Fokus auf den Sound von New Orleans. Kräftigen Aufwind bekam es nicht nur dank Price, sondern auch durch Eddie „Guitar Slim“ Jones, der 1953 den wichtigen Blues-Gospel-Hit „The Things I Used to Do“ einspielte; produziert wurden seine anspruchsvollen, kratzigen Gitarrenlinien und schwermütigen Vocals von dem jungen Pianisten R. C. Robinson, der bald darauf – als er einen Deal mit Atlantic abschloss – unter dem Namen Ray Charles firmierte. Das Lied wurde eine Nummer 1, hielt sich 42 Wochen lang in den R&B-Charts und schwappte auch auf den weißen Markt über (später coverten es James Brown und Jimi Hendrix). Des Weiteren hatte sich Rupe der Gospelgruppe Soul Stirrers angenommen, deren Leadsänger ein gewisser Sam Cooke war, ein Tenor mit honigsüßer Stimme, den die Girls umschwärmten, wenn er seinen Sexappeal auf den Brettern ausströmte, während er fromme Texte zum Besten gab. Mit diesem Stall stand das Label in erbitterter Konkurrenz mit den führenden Labels für „Race Music“ in L. A.: Imperial, Federal und Modern. Letzteres war die Heimat von John Lee Hookers und Etta James.
Von Belang war nichts von alledem für Little Richard, der erwartete, dass die Plattenfirma alles stehen und liegen ließ, um sein Demo zu hören. Da er in der Schwebe hing und nicht jünger wurde, rief er ständig bei Rupe an, verlangte ein Gespräch mit ihm und wollte – falls er durchgestellt wurde – unbedingt wissen: „Wann machen Sie Aufnahmen mit mir?“ Dann endlich, nach acht langen Monaten, reagierten Rupe und sein A&R-Topmann Robert „Bumps“ Blackwell: Sie hatten das Tonband auf einem Stapel von Bewerbungen suchen müssen. Als sie es fanden und laufen ließen, erkannte Blackwell – ein ehemaliger Jazzbandleader, der nicht nur Ray Charles, sondern auch Quincy Jones in ihrer Anfangsphase engagiert und „Lawdy Miss Clawdy“ produziert hatte – trotz der schlechten Aufnahmequalität: „Die Stimme war unbestreitbar die eines Stars“, wie er später sagte. Little Richard „hatte etwas zu sagen, und mir fiel niemand ein, der sich besser auszudrücken wusste.“ Bumps mochte einen guten Riecher bewiesen haben, ahnte aber nicht annähernd, was kommen würde.
Er legte Rupe ans Herz, Richard unversehens unter Vertrag zu nehmen, und der Firmenchef habe sich beileibe nicht überschlagen, es dann aber getan (Art behauptete das Gegenteil: Blackwell habe „nicht viel davon gehalten“, doch er selbst will gesagt haben: „Nehmen wir ihn unter Vertrag, er klingt wie B. B. King!“). Bevor man Clint Brantley jedoch einen Vertrag für Richard zum Unterzeichnen schicken konnte, fand Rupe heraus, dass dieser noch an Peacock gebunden war. Darüber hinaus war Don Robey immer noch äußerst empört über den Mann, der ihn einfach so verlassen hatte, und wollte seinen Vertrag erst nach einem weiteren Racheakt auflösen: Er mahnte 600 Dollar an, die Rupe schließlich für Richard bezahlte.
Er war überzeugt davon, einen richtigen Glücksgriff gemacht zu haben. Nach einem Telefongespräch, in dem sich Richard als großer Fan von Fats Dominos Sound geäußert hatte, setzte Rupe für den 13. September eine Aufnahmesession in New Orleans fest, und zwar im Zentrum der kosmischen Schwerkraft des Blues und Rock – bei J&M Recording im hinteren Teil eines Möbelgeschäfts in der Rampart Street. Er wusste schon zu diesem Zeitpunkt, dass Mr. Penniman bei all seinem Talent ein Quälgeist sein konnte. Richard war, während er auf eine Rückmeldung von Rupe wartete, an einer Tankstelle von der Polizei von Macon festgenommen worden. Er hatte sich auf einem sehr bizarren Ausflug mit einer Frau befunden, die sich (von ihm) beim Sex mit Männern zuschauen ließ. Man verdonnerte ihn wegen unzüchtigen Verhaltens zu einer mehrtägigen Gefängnisstrafe. Solche Aktivitäten konnten einem Star großen Ärger bereiten. Obwohl der Vorfall nicht aktenkundig wurde, hielt sich Richard eigenen Angaben zufolge zumindest für eine Weile von der Stadt fern. „Ich konnte deshalb nicht mehr dorthin zurückkehren. Wir sind einfach ununterbrochen weitergetourt.“
Er blieb gleichwohl lange genug, um den Vertrag mit Specialty zu unterschreiben, ehe er mit den Upsetters zu seinem dritten Versuch, weitreichenden Erfolg zu erlangen, nach New Orleans aufbrach. In seinem Übermut mochte er geglaubt haben, im Begriff zu sein, den Lauf der Geschichte zu ändern, indem er sich von seiner Bestimmung, „richtig rhythmischem Rock ’n’ Roll“ zu spielen, leiten ließ. Falls ja, war er der Einzige, der das dachte.
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