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zerschnitten worden. Er jammerte nur wenig, obwohl über einen Monat später festgestellt wurde, dass er sich auch noch das Schlüsselbein gebrochen hatte. „Er ging so tapfer mit dem Schmerz um“, schrieb Verna. „Ich fragte mich, ob es daran lag, dass ich ihm beigebracht hatte, wie wichtig es war, Schmerz zu ertragen.“

      Tyree und Little Warren

      Nach der endgültigen Trennung von Theodore traf Verna ihren zukünftigen Ehemann Curtis Crayon bei einer Strandparty. Doch auch diese Beziehung verlief schon bald in unrunden Bahnen. Nach ihrer Scheidung „drangsalierte er mich mit Gewaltandrohungen“, schrieb sie und erreichte schließlich eine einstweilige Verfügung.

      Doch das Resultat ihrer Ehe, der gemeinsame Sohn Tyree Du-Sean Crayon, der drei Jahre jünger als Andre war, sollte dessen größter Unterstützer und Vertrauter werden. Tyree spielte Football, Basketball und betrieb Leichtathletik – und wurde schließlich das erste Familienmitglied, das die High School abschloss. Er fand Arbeit in einem Raumfahrtunternehmen und wurde Vater eines Jungen. „Mein Bruder war mein bester Freund und wir unternahmen alles zusammen. Es war einfach immer lustig mit ihm. Wenn er zur Tür hereinkam, nahm die Party Schwung auf“, erklärte Andre einmal. Verna heiratete noch ein drittes Mal, einen Angestellten eines Luftfahrtkonzerns aus Long Beach namens Warren Griffin Jr. Ihre Familien zogen unter ein Dach, ganz im Stil von Drei Mädchen und drei Jungen, nur dass hier nun gleich acht Kids sich ein Zuhause teilten. In dieser Kinderschar befand sich auch Warren Griffin III, ein ruhiger Junge mit Brille, der später als Rapper und Produzent Warren G zu Ruhm gelangen sollte.Warren Griffin Jr. war Freimaurer und ein Karate-Meister, der Andre, Warren und Tyree in Selbstverteidigung unterwies. An manchen Wochenenden lud Big Warren die ganze Rasselbande in seinen Ford-Kombi und führte sie ins Autokino aus. Verna entwickelte hingegen ein Interesse an Modedesign und rekrutierte die Kids für ihre Präsentationen. Zurechtgemacht in Klamotten à la Miami Vice alberte Tyree über den Laufsteg, während Andre R&B und Jazz auflegte. „Wir alle modelten“, erzählt Warren G. Verna eröffnete schließlich ihre eigene Boutique in der Mall von Carson und Andres neue Freundin, die aufstrebende R&B-Sängerin Michel’le, kamen, um sie zu bewerben und Autogramme zu schreiben.

      Die Familie hielt zusammen, auch in schwierigen Zeiten, etwa während eines Streiks beim Flugzeughersteller in Long Beach, als des Öfteren Eipulver auf dem Speiseplan stand. Warren G verehrte seine älteren Stiefbrüder. Andre und Tyree nannten ihn „Kibbles“, weil sein Haar sie an das Hundefutter Kibbles ’N Bites erinnerte. Sie trieben sich auch im nahegelegenen Kelly Park herum, der zum Stammesgebiet von Eric Wrights Gang zählte. Die Kids zogen den kleinen Warren auf, weil er ursprünglich aus Long Beach war – und so zeigten ihm seine Stiefbrüder, wie er sich wehren konnte. Nicht nur ein wenig balgen, nein, richtig kämpfen, wie er betont. „Sie ließen mich auf die kleinen Jungs los, wenn einer von ihnen mal wieder losplapperte“, sagt Warren G. „‚Hol ihn dir, Kibbles!‘“

      Rap Talker

      Wegen seiner schlechten Noten verließ Andre die Centennial High School in Compton und wechselte an die Fremont in South Central. Doch auch nach dieser Luftveränderung verbesserten sich seine schulischen Leistungen nicht, weshalb er auch aus dem Team für Wasserspringen flog. Und doch sahen seine Pädagogen etwas in ihm. „Sein Englischlehrer sagte: ‚Ich weiß, dass er kein Dummkopf ist. Ich sehe ihn in der Mittagspause beim Schach und er schlägt jeden‘“, schrieb Verna. Als begabter Zeichner fand er auch Gefallen an technischem Zeichnen. Ein Lehrer ermutigte ihn, sich intensiver damit zu beschäftigen, aber letzten Endes brach er die Fremont ab. Er stritt sich mit seiner Mutter über seine Zukunft. Sie bestand darauf, dass er zurück an die Schule gehen oder sich einen geregelten Job suchen sollte.

      Aber Andres große Leidenschaft war die Musik. Auf alles andere pfiff er. Verna hätte es besser wissen müssen, schließlich war das ihre größte Gemeinsamkeit. Sie trat als Mitglied der Gruppe Four Aces auf, die selbst Kompositionen fürs Klavier schrieben, und Andres zweiter Vorname Romell bezog sich auf die Gesangsgruppe seines Vaters, The Romells. Verna hatte eine überbordende Plattensammlung und schon als Kind setzte Andre bei ihren Partys die Nadel auf die Vinyl-Scheiben. Noch bevor er lesen konnte, wusste er die einzelnen Singles anhand der unterschiedlichen Label-Farben zu unterscheiden. „Jeder in meinem Viertel liebte Musik“, erzählte er einmal. „Wenn ich über den Zaun hinterm Haus sprang, war ich schon im Park, wo es überall Ghettoblaster gab.“

      Verna fuhr besonders auf den Funk der Siebzigerjahre ab: Earth Wind and Fire, Parliament-Funkadelic, James Brown, Isaac Hayes und so weiter. Und so wuchs auch Andre damit auf. Ein Konzert von Parliament-Funkadelic, das er als 14-Jähriger im L.A. Coliseum besuchte, haute ihn total aus den Socken. Er stand mit offenem Mund da, als ein Funk-Raumschiff von oben herabschwebte und George Clinton seine Band auf seine extravagante, ausgeflippte Weise auf die Bühne führte. An Ort und Stelle beschloss Andre, sein Leben der Musik zu widmen. „Bevor ich von ihnen gehört hatte, wollte ich noch technischer Zeichner werden“, schrieb er später in der Los Angeles Times. „Aber die Musik von P-Funk [Parliament Funkadelic] öffnete meinen Verstand für die Idee, dass es keine Grenzen gab, außer jenen, an die man glaubte.“ Der Funk wurde zum prägenden Sound seines Lebens, zur Grundlage seines Schaffens.

      Andre lernte Klavier zu spielen und Noten zu lesen. Doch vor allem war er mit einem ausgezeichneten Gehör für zusammenpassende Sounds gesegnet. Als er zu Weihnachten ein Mischpult geschenkt bekam, brachte er sich bei, Komponenten verschiedener Songs miteinander zu verbinden. „Das war das ultimative Geschenk“, sagte Andre. „Wer braucht schon ein Fahrrad, ich habe ein Mischpult!“

      In den Siebziger- und Achtzigerjahren waren die DJs die Stars im Hip-Hop. Wenn ein Rapper auf den Plan trat, dann hauptsächlich, um den Mann an den Turntables hochleben zu lassen. Einer der ersten populären Rapper in L.A. war Ice-T. Sein Song „Reckless“ war im Grunde genommen ein ausführlicher Shout-out an seinen DJ, Chris „The Glove“ Taylor: The DJ named Glove has reigned supreme / As the turntable wizard of the hip-hop scene. „Reckless“ erschien auf dem Soundtrack zu Breakin’, einem Hip-Hop-Film aus dem Jahr 1984, in dem es auch jede Menge Pop-Locking zu sehen gab. Die MCs spielen nur eine untergeordnete Rolle. Im Abspann wird Ice-T als „rap talker“ angeführt.

      Früher Hip-Hop wurde in erste Linie live aufgeführt, etwa auf Partys, und als Gruppen anfingen, ins Studio zu gehen, versuchten sie das dort vorherrschende gesellige Ambiente nachzuahmen. Doch schon bald wandten sich Gruppen wie Grandmaster Flash and the Furious Five mit Nummern wie „The Message“ (1982) soziopolitischen Themen zu und ab Mitte der Achtzigerjahre war Hip-Hop mit aggressiven Backing-Tracks ein großes Ding in New York. Run-DMC und LL Cool J rappten zu harten Beats und der MC begann den DJ als dominante Figur abzulösen.

      Aber die Message hatte sich nicht bis L.A. herumgesprochen. Dort war die Party noch im vollen Gange. Ein flotterer, von starkem Synthie-Einsatz geprägter Electro-Dance-DJ-Sound inklusive maschineller Vocoder-Stimmen regierte nach wie vor die Dance­floors. Die Leute interessierten sich weniger für gepflegten Sprechgesang als dafür, ordentlich einen drauf zu machen. Angesagte DJs wie Egyptian Lover produzierten Sounds, die sich heutzutage eher nach Techno anhören. An den Turntables manipulierte er Schallplatten so, dass sie einen Drumbeat oder eine bestimmte Stelle eines Songs dreimal hintereinander spielten – boom, boom, boom! Egyptian Lover tat sich mit einer mobilen DJ-Crew zusammen, die sich Uncle Jamm’s Army nannte und ihr Audio-Equipment stets mitbrachte, wenn irgendwo eine Party abgehen sollte. Der Leader der Gruppe, Rodger Clayton, verfügte über jede Menge Swag und hatte ein Händchen für Vermarktung. Kids konnten ihre Adressen in Versandlisten eintragen und wurden von ihm durch Postkarten auf dem Laufenden gehalten.Uncle Jamm’s Army waren beeinflusst von Afrika Bambaataa, einem DJ-Pionier aus New York und ehemaligen Mitglied einer brutalen Gang aus der Bronx, den Black Spades, der schließlich die auf Hip-Hop ausgerichtete Bewegung Universal Zulu Nation aus der Taufe hob. Sein Song „Planet Rock“, der sich musikalisch bei den deutschen Electronic-Urvätern Kraftwerk bediente, wurde gleich nach seiner Veröffentlichung 1982 zu einem Dancefloor-Hit. Uncle Jamm’s extravagante Electronic-Eskapaden orientierten sich stark an Bambaataa und erfreuten sich in den frühen Achtzigerjahren großer Beliebtheit. Die Gruppe trat zunächst noch an Orten wie dem Veterans Memorial Auditorium in Culver City auf, irgendwann aber sogar auch in der L.A. Sports Arena – vor über 5.000 Bandana-Girls in Miniröcken und afroamerikanischen