The Who - Maximum Rock II. Christoph Geisselhart. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Geisselhart
Издательство: Bookwire
Серия: The Who Triologie
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854454168
Скачать книгу

      „Pete verhielt sich wirklich bemerkenswert“, meint Glyn Johns, der das Album produzierte. „Ron Wood stellte sein Haus für Proben zur Verfügung, und ich kam dazu. Ich tat eigentlich nichts, was soll man schon einem Eric Clapton vorschreiben? Ich blieb so lange, wie Eric halbwegs Interesse zeigte, und wenn er sich abwandte oder irgendwelche Ausreden erfand, warum er uns vier Stunden warten­ ließ, ging ich. Ich hatte keine Lust dazu. Aber Pete machte weiter, er stellte sogar die Rhythmusgruppe zusammen.“

      Clapton berichtet: „Pete hat sich wirklich sehr viel Zeit genommen, um mir da raus zu helfen, weil er daran glaubte, dass ich es wert war, während ich selbst das nicht glaubte. Er gab mir den Glauben an mich selbst zurück. Ich verdanke ihm sehr viel. Es ist sehr anstrengend, mit ihm befreundet zu sein, aber auf lange Sicht zahlt sich seine Ehrlichkeit aus.“

      Claptons Comeback im Januar 1973 wurde zwar kein überwältigender musikalischer Erfolg, aber Pete hatte es mit Zähigkeit und Hingabe geschafft, den Freund und Kollegen aus den Klauen der tödlichen Droge zu befreien – wobei ­Dr. Meg alias Margaret Petterson, eine schottische Neurologin, mit ihrer neu­artigen­ Elektroakupunkturtherapie vermutlich keinen geringen Anteil an Eric Claptons­ Heilung hatte.

      Die Kraft, die Pete zu solchem Einsatz abseits der Musik benötigte, hatte er sicher auch auf einer spirituellen Reise gefunden, die ihn im Februar 1972 nach Indien führte. Pete flog nach Bombay, um das Grab seines Meisters Meher Baba in Arangaon zu besuchen. Es wurde eine seiner extremsten Erfahrungen – als steinreicher Rockstar war er „mit meinen zwanzig Koffern und meinem Erste-­Klasse-Billet“ in einem der ärmsten Länder der Erde unterwegs.

      „Ich fühlte mich wie ein Schwein, wirklich“, erzählt er. „Du fliegst elf, zwölf Stunden, kommst in Indien an, und da empfangen dich Frauen in Leintüchern und flehen ‚Sahib, Sahib!‘. Und Bettler stürzen auf dich zu, Leute ohne Beine und ohne Augen. Ich fühlte mich elend und einsam. Ich packte meine Koffer und checkte im Hotel ein. Ich versuchte etwas zu schlafen, doch sofort kreuzten­ ein paar Jungen auf und sagten: ‚Hello, Mister, Sie sind doch Peter Townshend von The Who? Ach bitte, ein Autogramm, wir wären Ihnen so dankbar – denn wissen Sie: The Who, wunderbare, herrliche Musik – Sie spiegeln das Lebensgefühl auf den Straßen von Bombay wider!‘ … Vollkommen verrückt! Aber um eine lange Geschichte abzukürzen: Schließlich war ich in Babas Grabmal. Dort gab es ein Ritual, das ich schrecklich fand, weil es genau das war, was Baba nie gewollt hätte. Trotzdem ging ich immer wieder hin; ich wollte unbedingt seine Anwesenheit spüren. Nach dem dritten Mal dachte ich, dass ich es nie schaffen würde, mich in Gottes Gegenwart zu erfahren. Und genau in diesem Moment wurde ein schrecklich abgemagerter kleiner Junge hereingeschoben, der von Ruhr gezeichnet war und zitterte wie ein Blatt. Mich überkam so tiefes Mitleid mit ihm. Als ich sah, wie er sich niederbeugte und mit der Stirn den Boden berührte, liefen mir Tränen übers Gesicht. Und plötzlich vergaß ich, weshalb ich hier war; ich erkannte, dass dieser kleine Junge eine Gnade für mich war. Das war das unglaublichste Gefühl, das ich jemals in meinem Leben hatte. Ich ging hinaus und klappte vor Dankbarkeit zusammen.“

      Pete blieb fast einen Monat in Arangaon, umgeben von Baba-Jüngern und Angehörigen der Familie des Guru. Diese Erfahrungen waren so intensiv, dass er ­zweifelte, ob er noch einmal die Kraft für eine solche Reise finden könnte:

      „Manchmal war es so schrecklich, dass ich mich wie in der Hölle fühlte“, erzählt er. „Das tägliche Ritual bestand darin, dass sich alle Anhänger ums Grab versammelten und ‚Begin The Beguine‘ von Cole Porter sangen, eines von Babas Lieblingsliedern. Irgendwie packte mich das so sehr, dass ich aufstand und heulte. Ich hatte seltsame unaussprechliche Gedanken und Gefühle,­ so wie ein Jahr davor im Baba-Center von Myrtle Beach, als ich in seiner frühe­ren Hütte übernachtete. Ich legte meinen Kopf auf das Bett und … nun ja, da war seine Gegenwart wirklich. Es war schrecklich. Es war, als ob sich eine Tür einen Spalt öffnete, und bevor man mehr als nur einen Schimmer sehen ­konnte,­ wurde sie wieder zugeschlagen. Und du denkst: ‚Jesses, ist das der Ort, wohin wir alle gehen?‘ Wenn das so wäre, dann bräuchten wir uns nie mehr um irgendetwas Sorgen zu machen.“

      Nach seiner Rückkehr schloss sich Pete in sein Studio in Twickenham ein. Er hatte schon 1970 zum ersten Todestag von Meher Baba zusammen mit anderen Baba-Anhängern, darunter Ronnie Lane von den Faces, eine Platte aufgenommen: „Happy Birthday“ wurde im Februar 1970 in einer Auflage von zweitausendfünfhundert Stück gepresst.

      Pete vertonte nun Babas Lieblingsgebet „O Pavardigar“ für ein zweites ­Tributealbum, das den Titel I Am trug – ein drittes, With Love, folgte 1976. Für I Am steuerte Pete vor allem die originale zwölfminütige Synthesizersequenz von „Baba O’Riley“ bei. Von diesen Aufnahmen erschienen bald sehr schlechte Raubkopien in den Vereinigten Staaten. Pete wollte darauf reagieren und schlug Decca vor, unter dem Titel Who Came First ein offizielles Townshend-Baba-Album auf den Markt zu bringen.

      „Ich hatte nie die Absicht, ein Soloalbum zu produzieren. Mein erstes wirk­liches Soloalbum war eher Quadrophenia als Who Came First. Aber Decca sagte, die Plattenläden in den USA verkauften diese miesen Raubkopien für 11 Dollar­ 98, und es gab nichts, was sie dagegen tun konnten. Sie boten mir einen Dollar pro Album, wenn ich es offiziell herausbrachte, bei fünfundzwanzigtausend Kopien Erstauflage. Ich fiel fast vom Stuhl: fünfundzwanzigtausend Exemplare! Und dann entschied ich, wenn wir schon in diesem Größen­bereich an die Öffentlichkeit gehen, warum dann nicht gleich mit einem richtigen, einem neuen Album?“

      Pete handelte mit Decca und Track einen fünfzehnprozentigen Anteil aus, den er für Aktivitäten zugunsten der Lehre von Meher Baba verwenden durfte. Nach seinen­ eigenen Angaben erwirtschaftete die Platte in den USA hundertfünfzig­tausend Dollar, wovon das meiste für einen Film über das Leben der Baba-­Jüngerin­ und Sufilehrerin Murshida Duce verwendet wurde. „Im Rest der Welt kamen ungefähr sechsundneunzigtausend Dollar zusammen, und das ging hauptsächlich an die Avatar-Meher-Baba-Stiftung in Indien.“

      Überzeugt von seinem Glauben unterstützte Pete Baba-Anhänger, wann immer sie den Weg zu ihm fanden. Bisweilen kam ihn das teuer zu stehen; aber Pete ließ sich auch von Trittbrettfahrern und Betrügern nicht von seiner Großzügigkeit abbringen, sondern meinte nur lakonisch: „Glauben ist eine teure Angelegenheit.“

      Die Unbeirrbarkeit und der fast naive Idealismus, mit denen er seinen persönlichen Weg verfolgte, übertrugen sich allmählich auch wieder auf seine Beziehung zu The Who. Pete war sich seiner Verantwortung für die Band sehr bewusst. Als Texter, Komponist und Chefplaner hielt er ihre Zukunft in der Hand. Vor allem Keith brauchte eine solche Perspektive, The Who schienen das einzige in seinem Dasein, was irgendwie einen Sinn hatte.

      In Tara House litten bald alle Mitbewohner unter Keiths notgedrungener Un­tätigkeit. Die von ihm vorgeschriebene vierundzwanzigstündige Partyzone erwies sich als letzter Sargnagel in seiner absterbenden Beziehung zu Kim. „Der zirkusartige Lebensstil wurde dünn und hohl“, schreibt Teilzeitgast Richard ­Barnes.­ „Für Kim und den Rest des Haushalts wurde es zunehmend schwierig, Keith noch lustig zu finden. Er wollte ein Zuhause, eine Frau und ein Kind – aber nicht auf Kosten von irgendetwas anderem.“

      Am besten verstand sich Keith offenbar mit seiner Schwiegermutter – was wohl seinen außergewöhnlichen Charakter unterstreicht: Ehemänner neigen ja gemeinhin dazu, das Weite zu suchen, wenn die Schwiegermutter im Anzug ist. Nicht so Keith: Er lud Joan Kerrigan ausdrücklich ein, mit ihrem Sohn Dermott, Kims jungem­ Bruder, in Tara House dauerhaft einen Pavillon zu beziehen, nachdem Joan in einem nächtlichen Streit mit Kim seine Partei ergriffen hatte. Kim erzählt von dieser Szene: „Eines Abends, als wir wieder zu viel getrunken hatten, begann Keith über mich zu schimpfen: ‚Sie ist eine richtige Schlampe.‘ Und meine Mutter­ sagte: ‚Genau, ich konnte das auch nie an ihr leiden.‘ Und Keith lachte und ­meinte:­ ‚Du gefällst mir, warum kommst du nicht zu uns und wohnst bei uns?‘ Und ich ­­dachte bloß: Oh nein, das wird ja traumhaft.“

      Keith stellte Joan, deren Ehe gescheitert war, offiziell als Haushälterin an. ­Tatsächlich fungierte sie jedoch als pure Unterhaltungsdame. Lenny Baker von der Rock’n’Roll-Klamauktruppe Sha Na Na, bei der Keith zum Ehrenmitglied avancierte, berichtet lakonisch: „Sie trug