Mein Leben - Meine Musik. John Fogerty. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: John Fogerty
Издательство: Bookwire
Серия: Musiker-Biographie
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854456001
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auch Synkopen spielte. Das war cool, eine Art Boogie-Woogie. Ihr Spiel war einigermaßen schlampig, was gut dazu passte. Es klang ganz schön abgefahren. Meine Mom spielte Klavier und sang „Shine On, Harvest Moon“, und manchmal begleitete ich sie. Das war bereits nach der Trennung meiner Eltern. Wenn man ein aufmüpfiges, etwas rebellisches Kind ist, macht man manchmal eben mit und dann wieder nicht, weil man es für uncool hält. Doch „Shine On, Harvest Moon“ ist immer noch eines meiner Lieblingslieder. Eine der besten Versionen stammt aus dem Film In der Fremdenlegion, in dem es Oliver Hardy singt. Diese Interpretation fand ich sehr inspirierend. Stan Laurel tanzte dazu. Das musikalische Arrangement war typisch für den Stil der Dreißigerjahre, doch Oliver Hardy sang eher bluesig dazu. Er klang richtig gut! Obwohl der restliche Film eher Slapstick war, war dies eine ernste Szene, über die keiner lachte. Zumindest sah ich das so. Für mich war das Kunst.

      In unserem Haushalt waren wir fünf Jungs. Da ging es drunter und drüber, und eigentlich wundert es mich, dass keiner von uns im Knast von St. Quentin landete. Es wäre nicht so abwegig für uns gewesen, in schlechte Gesellschaft zu geraten. Doch letztlich hielten uns unsere Eltern – besonders meine Mom ‒ auf Kurs. Wann immer ich Gefahr lief, vom Weg abzukommen, griff meine Mom ein.

      Wir gehörten meiner Meinung nach zur unteren Mittelschicht. Meine Mom war ein umgänglicher Mensch. Nach der Scheidung meiner Eltern machte sie ihren Abschluss als Lehrerin und hatte es fortan in erster Linie mit emotional oder sogar geistig beeinträchtigten jungen Menschen zu tun. Sie kannte sich richtig gut mit diesem Zeug aus. Ich sage „dieses Zeug“ dazu, weil wir Jungs eigentlich keine Ahnung hatten, welcher Arbeit unsere Mom nachging. Ihr Arbeitsplatz befand sich auf der anderen Seite der Bucht in South San Francisco, weshalb sie schon früh am Morgen aufbrach und erst am Abend wiederkam. So verbrachten wir viel Zeit allein und entwickelten uns auch ganz gut, wie ich finde.

      Ich weiß gar nicht, wie sich meine Eltern kennenlernten. Sie lebten beide zuerst in Great Falls in Montana und zogen von dort aus nach Kalifornien, in die Bay Area. Meine Mutter Lucile war in Montana geboren. Ein cooler Ort übrigens, dieses Montana. Meine Eltern unterhielten sich mitunter über Stechmücken, die so groß waren, dass sie selbst die mit Fliegengitter versehene Haustür öffnen und sich hereinlassen konnten.

      Um 1959 herum ‒ es war vor oder nach der neunten Klasse ‒ nahm mein Dad meine Brüder Dan und Bob und mich mit auf einen Ausflug nach Montana. Wir hielten an einem Bahnübergang, mein Dad streckte seinen Arm aus und sagte: „John, sieh dir diesen Zug an. Züge sind schon etwas Schönes. Und bald gibt es sie nicht mehr.“ Ich glaube, er meinte die Dampflok. Ich verstand ihn: dass es schade wäre, wenn diese Ära enden sollte. Mein Dad stand auf Züge. Ich denke, er ist ziemlich oft mit der Bahn gefahren. In meiner Familie heißt es, er sei als Hobo mit ihr bis nach Kalifornien gereist.

      Mein Vater Galen Robert Fogerty stammte aus North Dakota und wuchs entweder auf einer Ranch oder einer Farm auf. Er hatte irische Vorfahren, und wie mir erzählt wurde, war entweder sein Vater oder sein Großvater vor der Großen Hungersnot nach England geflohen. Unser Familienname schrieb sich einst „Fogarty“, aber da es damals so viele Vorurteile gegen Iren gab, änderten sie den Namen in „Fogerty“. Na ja, mir kommt das ungefähr so sinnvoll vor, als änderte man seinen Namen von „Smith“ in „Smythe“.

      Auch England erwies sich als ungeeignet, deshalb zogen sie nach Amerika. Als Kind und Jugendlicher war mir die Sache mit der irischen Abstammung sehr wichtig – Kobolde, der Topf mit dem Gold, der irische Whiskey – und mir fiel bald auf, dass die Iren ziemlich gut darin waren, in einem Pub rumzusitzen und sich ein Pint zu genehmigen.

      Die Herkunft meiner Mom lässt sich dagegen bis zur Mayflower zurückverfolgen. Ihr entfernter Verwandter und Vorfahr William Gooch stammte aus England und war der erste Gouverneur Virginias. George Washington stammte aus Goochland County. Mir gefiel es, dass unsere Wurzeln so weit in die Geschichte unseres Landes zurückreichten. Nach einer Familienlegende sind wir sogar mit Daniel Boone verwandt. In einer anderen Version ist es Davy Crockett.

      Mein Dad arbeitete bei der Berkeley Gazette. Passend zu seiner Liebe zu Zügen und allen anderen schönen Dingen, die aus der Mode kamen, bediente er dort eine Linotype-Setzmaschine. Dann nahm er noch einen zweiten Drucker-Job an, weshalb sein Arbeitstag länger als acht Stunden dauerte. In anderen Kreisen, zu anderen Zeiten hätte er als belesener Mann gegolten. Obwohl ich glaube, dass mein Dad in Montana das College abgeschlossen hat, reichte das damals nicht zu einem besseren Job mit mehr Geld oder einem höheren Lebensstandard für uns. Das mag sich selbstsüchtig anhören, aber so meine ich es gar nicht.

      Mein Dad war ein Träumer. Er schrieb Geschichten. Außerdem besaß er in den Vierzigerjahren eine Filmkamera, mit der er unsere Familie filmte. Ich besitze immer noch ein paar dieser Aufnahmen – und zeige sie mittlerweile sogar während meiner Konzerte. Dad montierte die Filme an seinem Schneidetisch. Jedoch filmte er auch Geschichten über eine Figur namens „Charlie the Chimp“. Mein Vater schrieb außerdem eine Geschichte über die Entdeckung des Pluto. Diese könnte sogar in Reader’s Digest erschienen sein. Ich glaube, das war seine bedeutendste Veröffentlichung.

      In späteren Jahren identifizierte Dad sich ernsthaft mit Ernest Hemingway. Er hatte denselben weißen Bart und schlohweißes Haupthaar. Im Haus lagen Manuskripte herum. Ich denke, mein Vater hätte das Zeug zum Schriftsteller gehabt, aber er konnte es nie beweisen. Solche Leute gibt es viele. Sie sind künstlerisch veranlagt, wissen jedoch nicht, an wen sie sich wenden sollen, damit ihre Arbeiten veröffentlicht werden. Dad bekam es nicht auf die Reihe, ein berühmter Autor zu werden – oder zumindest einer, der für seine Mühen entlohnt würde. Er war sehr smart und lebte im Augenblick. Als ich drei oder vier Jahre alt war, spielte ich ein kleines Spiel, das er selbst erfunden hatte. Es war durchaus pädagogisch wertvoll und bestand aus kleinen, kreisrunden Scheiben. Auf jeder dieser Scheiben standen ein Buchstabe und eine Zahl. Außerdem waren die Scheiben in unterschiedlichen Farben gehalten. So erlernte ich das Alphabet, wie man zählt, sowie die Namen der einzelnen Farben. Das war eine ziemlich coole Idee! Rückblickend wundere ich mich, wieso er nicht Millionen Dollar damit verdienen konnte. Er traf aber einfach nie auf die richtigen Leute. Vielleicht hat er es gar nicht versucht. Und so gab es dieses Spiel nur bei uns zu Hause.

      Wie gesagt, Dad war ein Träumer. Ich weiß nicht, wie oft ich versucht habe, darüber einen Song zu schreiben. Schon als 14-Jähriger dachte ich mir: „Dad ist einfach nicht praktisch veranlagt. Es gelingt ihm nicht, seine Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Er kümmert sich nicht darum.“

      Ich bin selbst ein Träumer, daher weiß ich, dass das eine gute Sache sein kann. Aber in Bezug auf mein eigenes Leben war es mir wichtig, Träume auch in die Tat umzusetzen. Das Los eines Träumers ist, dass er niemals die Goldmine finden wird. Statt ihm sind das immer irgendwelche Säcke wie Rupert Murdoch. Oder auch Saul Zaentz, wenn wir schon dabei sind. Was mich anging, so wollte ich beides. Ich wollte träumen und gleichzeitig versuchen, erfolgreicher zu sein.

      Allerdings war mein Dad auf viele andere Arten erfolgreich. Er brachte uns Kindern etwa die Natur näher. Dad liebte es zu campen und sich im Freien aufzuhalten. Zwar lernte ich nicht wirklich von ihm, wie man fischt, doch wollte ich es seinetwegen lernen. Außerdem las er uns, als wir noch klein waren, Geschichten vor, die für seine fünf Jungs sowohl cool als auch informativ waren. Seine Lieblingsgeschichten waren „The Shooting of Dan McGrew“ und „The Cremation of Sam McGee“ von Robert Service. Geschichten vom Yukon und von Goldgräber-Camps. Eine der besten Szenen in „Sam McGee“, die ich nie vergessen werde, war jene mit dem Typen, dem so kalt war. Er erfror, und da Feuerholz rar war, verheizten sie ihn. Ein wenig später dann öffnen sie die Ofentür, um noch ein paar Holzscheite nachzulegen, und der Typ ruft ihnen zu: „Hey, könnt ihr noch was drauflegen, mir wird langsam kalt hier drinnen!“ Ich fand das einfach cool.

      Manchmal fuhren wir nach Davis, Dixon oder in andere Kleinstädte oben im kalifornischen Central Valley. Ich weiß noch, wie wir einmal am Unabhängigkeitstag in Dixon waren. Da gab es ein Feuerwerk, Klettergerüste, Schaukeln und Unmengen grünes Gras. Wenn man die Interstate 80 noch weiter entlangfuhr, kam man zum Giant Orange Stand, der tatsächlich wie eine große Orange aussah, und zum Milk Farm Restaurant. Orte wie diese boten ein herzliches, glückliches und gemütliches Ambiente. Meine Eltern liebten solche Orte und weckten auch bei mir dieselbe Zuneigung