Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Selma Lagerlöf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Selma Lagerlöf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 4064066117610
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und fein aus, mit weißen Spitzen um den Hals und um die Handgelenke, Schnallen an den Schuhen und die Strumpfbänder in eine Schleife gebunden. Jetzt eben hatte es einen gestickten Brustlatz aus der Truhe herausgenommen und betrachtete die alte Arbeit mit solcher Andacht, daß es das Erwachen des Jungen gar nicht bemerkt hatte.

      Der Junge war äußerst verdutzt, als er das Wichtelmännchen sah; aber eigentlich Angst hatte er nicht vor ihm. Vor einem so kleinen Geschöpf konnte man sich unmöglich fürchten. Und da das Wichtelmännchen von seinem eignen Tun so hingenommen war, daß es weder hörte noch sah, bekam der Junge sogleich große Lust, ihm einen Streich zu spielen, es in die Truhe hineinzustoßen und den Deckel zuzuschlagen, oder etwas Ähnliches.

      Aber das Wichtelmännchen mit den Händen anzurühren, das getraute sich der Junge doch nicht; und deshalb sah er sich nach etwas im Zimmer um, womit er ihm einen Stoß versetzen könnte. Er ließ die Blicke vom Kanapee nach dem Klapptisch und vom Klapptisch nach dem Herd wandern. Er musterte die Kochtöpfe und die Kaffeekanne, die auf einem Brett neben dem Herde standen, den Wasserkrug neben der Tür, und die Löffel, die Messer und Gabeln und die Schüsseln und Teller, die durch die halbgeöffnete Schranktür sichtbar waren. Er sah hinauf zu Vaters Flinte, die neben dem dänischen Königspaar an der Wand hing, und nach den Pelargonien und Fuchsien, die auf dem Fensterbrett blühten. Ganz zuletzt fiel sein Blick auf ein altes Fliegennetz, das am Fensterkreuz hing.

      Kaum hatte er das Fliegennetz erblickt, als er es auch schon zu sich heranzog und das Netz nach dem Truhenrande schwang. Und er war ganz überrascht über sein Glück. Er wußte beinahe selbst nicht, wie es zugegangen war, – aber er hatte das Wichtelmännchen wirklich gefangen. Der arme Kerl lag, den Kopf nach unten, in dem langen Netze und konnte sich nicht mehr heraushelfen.

      Im ersten Augenblick wußte der Junge gar nicht, was er mit seinem Fang tun solle. Er schwang nur immer das Netz sorglich hin und her, damit das Wichtelmännchen keine Zeit bekomme, herauszuklettern.

      Jetzt begann das Wichtelmännchen zu sprechen; es bat und flehte um seine Freiheit und sagte, es habe der Familie seit vielen Jahren viel Gutes getan und wäre wirklich einer besseren Behandlung wert. Wenn der Junge es loslasse, wolle es ihm einen alten Speziestaler geben sowie eine silberne Kette und eine Goldmünze, die so groß sei wie der Deckel an der silbernen Uhr seines Vaters.

      Dem Jungen kam zwar das Lösegeld nicht gerade groß vor; aber seit er das Wichtelmännchen in seiner Gewalt hatte, fürchtete er sich gewissermaßen vor ihm. Er fühlte, daß er sich in etwas eingelassen hatte, was fremd und unheimlich war und nicht in diese Welt gehörte; deshalb war er nur sehr froh, es loszuwerden.

      Er ging also schnell auf das Angebot ein und hielt das Netz still, damit das Wichtelmännchen herauskriechen könne. Als dieses aber beinahe aus dem Netz heraus war, fiel dem Jungen ein, daß er sich größere Dinge und alles mögliche Gute hätte ausbedingen können. Jedenfalls hätte er die Bedingung stellen können, daß ihm das Wichtelmännchen die Predigt in den Kopf zaubern müsse. „Wie dumm von mir, daß ich es freiließ,“ dachte er und begann das Netz aufs neue hin und her zu schwingen, damit das Wichtelmännchen wieder hineinpurzle.

      Aber kaum hatte der Junge das getan, da bekam er eine fürchterliche Ohrfeige, daß ihm war, als zerspringe ihm der Kopf in tausend Stücke. Er flog zuerst an die eine Wand und dann an die andre, schließlich fiel er auf den Boden und blieb da bewußtlos liegen.

      Als er wieder erwachte, war er noch in der Hütte. Von dem Wichtelmännchen war keine Spur mehr zu sehen. Der Truhendeckel war geschlossen, und das Fliegennetz hing an seinem gewöhnlichen Platz am Fenster. Wenn dem Jungen nicht die rechte Wange von der Ohrfeige so sehr gebrannt hätte, hätte er sich versucht gefühlt, alles für einen Traum zu halten. „Was aber auch geschehen sein mag, jedenfalls werden Vater und Mutter behaupten, daß es nichts gewesen sei als ein Traum,“ dachte er. „Sie werden mir wegen des Wichtelmännchens sicher nichts von der Predigt abziehen, und es wird am besten sein, wenn ich mich jetzt eilig dahinter mache.“

      Aber als er an den Tisch ging, kam ihm etwas sehr verwunderlich vor. Das Zimmer konnte doch unmöglich größer geworden sein. Woher kam es denn aber, daß er jetzt so viel mehr Schritte machen mußte als sonst, wenn er an den Tisch ging? Und was war denn mit dem Stuhl? Er sah zwar nicht gerade aus, als sei er größer als vorher, aber der Junge mußte zuerst auf die Leiste zwischen den Stuhlbeinen steigen und dann vollends auf den Sitz hinaufklettern. Und gerade so war es auch mit dem Tisch. Er konnte nicht auf die Tischplatte hinaufsehen, sondern mußte auf die Armlehne des Stuhles steigen.

      „Was ist denn aber das?“ sagte der Junge. „Ich glaube wahrhaftig, das Wichtelmännchen hat den Lehnstuhl und den Tisch und die ganze Stube verhext.“

      Die Postille lag auf dem Tische, und anscheinend war sie unverändert. Aber etwas Verkehrtes mußte doch daran sein, denn er konnte kein Wort lesen, sondern mußte erst auf das Buch selbst hinaufsteigen.

      Er las ein paar Zeilen, dann aber sah er zufällig auf. Dabei fiel sein Blick in den Spiegel, und da rief er ganz laut: „Ei sieh, da ist ja noch einer!“

      Denn im Spiegel sah er ganz deutlich einen winzig kleinen Knirps in einer Zipfelmütze und Lederhosen.

      „Der ist genau so angezogen wie ich,“ sagte der Junge und schlug vor Verwunderung die Hände zusammen. Aber da sah er, daß der Kleine im Spiegel dasselbe tat.

      Da begann er sich an den Haaren zu ziehen, sich in den Arm zu kneifen und sich im Kreise zu drehen, und augenblicklich tat der Kleine im Spiegel dasselbe.

      Jetzt lief der Junge ein paarmal um den Spiegel herum, um zu sehen, ob vielleicht so ein kleiner Kerl hinter dem Spiegel verborgen sei, aber er fand niemand dahinter, und da begann er vor Schrecken am ganzen Leibe zu zittern. Denn jetzt begriff er, daß das Wichtelmännchen ihn selbst verzaubert hatte, und daß er selbst der kleine Knirps war, dessen Bild er im Spiegel sah.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Junge wollte durchaus nicht glauben, daß er in ein Wichtelmännchen verwandelt worden war. „Es ist gewiß nur ein Traum und eine Einbildung,“ dachte er. „Wenn ich ein paar Augenblicke warte, werde ich schon wieder ein Mensch sein.“ Er stellte sich vor den Spiegel und schloß die Augen. Erst nach ein paar Minuten öffnete er sie wieder und erwartete nun, daß der Spuk vorbei sei. Aber dies war nicht der Fall, er war noch ebenso klein wie vorher. Sein weißes Flachshaar, die Sommersprossen auf seiner Nase, die Flicken auf seinen Lederhosen und das Loch im Strumpfe, alles war wie vorher, nur sehr, sehr verkleinert.

      Nein, es half nichts, wenn er auch noch so lange dastand und wartete. Er mußte etwas andres versuchen. O, das beste, was er tun könnte, wäre gewiß, das Wichtelmännchen aufzusuchen und sich mit ihm zu versöhnen!

      Er sprang auf den Boden hinunter und begann zu suchen. Er lugte hinter die Stühle und Schränke, unter das Kanapee und hinter den Herd. Er kroch sogar in ein paar Mauselöcher, aber das Wichtelmännchen war nicht zu finden.

      Während er suchte, weinte er und bat und versprach alles nur erdenkliche. Nie, nie wieder wolle er jemand sein Wort brechen, nie, nie mehr unartig sein und nie wieder über einer Predigt einschlafen!

      Wenn er nur seine menschliche Gestalt wieder bekäme, würde ganz gewiß ein ausgezeichneter, guter, folgsamer Junge aus ihm. Aber was er auch immer versprach, es half alles nichts.

      Plötzlich fiel ihm ein, daß er Mutter einmal hatte sagen hören, das Wichtelvolk halte sich gern im Kuhstall auf, und schnell beschloß er, auch dort nachzusehen, ob das Wichtelmännchen da zu finden sei. Zum Glück stand die Tür offen; denn er hätte das Schloß nicht selbst öffnen können, so aber konnte er ungehindert hinausschlüpfen.

      Als er in den Flur kam, sah er sich nach seinen Holzschuhen um, denn im Zimmer ging er natürlich auf Strümpfen. Er überlegte, wie er sich wohl mit den großen, schwerfälligen Holzschuhen abfinden solle, aber in diesem Augenblick entdeckte er auf der Schwelle ein Paar