Greifen und BeGreifen. Sally Goddard Blythe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sally Goddard Blythe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783954840953
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hinaus Bettnässer bleiben. Beuret (1989), der in Chicago erwachsene Patienten behandelt, fand außerdem heraus, dass dieser Reflex bei vielen Menschen zu finden ist, die unter Verdauungsstörungen leiden.

      Ein offensichtliches Merkmal, das bei Schulkindern auf einen beibehaltenen oder rudimentären Spinalen Galantreflex hindeutet, ist die Schwierigkeit, über längere Zeit stillzusitzen. Dies sind die Kinder, von denen man sagt, sie haben „Hummeln in der Hose“, die ständig ihre Körperhaltung ändern, zappeln und hin und her rutschen – und zwar schlicht und einfach aus dem Grund, dass das Gummiband im Hosenbund oder das Zurücklehnen im Stuhl den noch auslösbaren Reflex aktivieren. Verständlicherweise mögen diese Kinder meistens keine Kleidung tragen, die um die Taille herum eng sitzt. Der Reflex kann auch die Konzentration und das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigen, da er als ständiger irritierender Störenfried immer um die Aufmerksamkeit des Kindes kämpft.

      Bleibt der Spinale Galantreflex nur einseitig aktiv, kann er Haltung, Gang und andere Formen der Fortbewegung beeinträchtigen. So kann der Reflex den Eindruck eines „hinkenden“ Ganges erwecken; es kann auch die Ursache einer späteren Skoliose sein. Es ist ebenfalls möglich, dass er die vollständige Entwicklung der späteren Amphibienreflexe und der Segmentären Rollreflexe behindert und so flüssige Bewegungsabläufe und die allgemeine Beweglichkeit beim Sport oder anderen körperlichen Aktivitäten in Mitleidenschaft zieht.

      Eine Skoliose ist eine abnormale Krümmung der Wirbelsäule.

      Symptome eines beibehaltenen Spinalen Galantreflexes

      1. „Herumzappeln“

      2. Bettnässen

      3. Mangelnde Konzentration

      4. Schwaches Kurzzeitgedächtnis

      5. Einseitige Hüftrotation beim Gehen

      Tonischer Labyrinthreflex vorwärts

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      Entstehung: Im Mutterleib – fötale Beugehaltung.

      Bei der Geburt: Vorhanden.

      Hemmung: Etwa 4 Monate nach der Geburt.

      Tonischer Labyrinthreflex rückwärts

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      Entstehung: Bei der Geburt.

      Hemmung: Prozess, der sich vom Alter von 6 Wochen bis zum Alter von 3 Jahren vollziehen kann, bei gleichzeitiger Entwicklung der Kopfstellreflexe und jener Reflexe, die gewöhnlich als Halte- und Stellreaktionen kategorisiert werden, jedoch weiter oben als „Brücken“-Reflexe wie der Symmetrisch Tonische Nackenreflex und der Landau-Reflex bezeichnet werden. Zwischen dem Moro-Reflex und dem Tonischen Labyrinthreflex besteht in den ersten Lebensmonaten eine enge Verbindung. Beide sind vestibulären Ursprungs, beide werden durch die Stimulation des Labyrinths und dadurch auch durch jede Veränderung der Körperposition im Raum aktiviert. Der Reflex wird durch eine Bewegung des Kopfes nach vorn oder nach hinten ausgelöst, wobei der Kopf sich dann jeweils über bzw. unter der Ebene befindet, die das Rückgrat bildet. (Das Baby wird in Rückenlage gehalten.) Es wird angenommen, dass der Flexus habitus (die Position des Fötus in der Gebärmutter) die früheste Form des Tonischen Labyrinthreflexes in der vorwärts geneigten Position darstellt. Zum Zeitpunkt der Geburt sollte der Reflex vollständig vorhanden sein. Das Ausstrecken des Kopfes unter die Ebene des Rückgrats führt unmittelbar dazu, dass das Baby Arme und Beine ausstreckt (siehe Abbildung).

      Der Tonische Labyrinthreflex sollte zum Zeitpunkt der Geburt in beiden Richtungen voll entwickelt sein. Die Hemmung des Tonischen Labyrinthreflexes vorwärts sollte mit etwa vier Monaten vollzogen sein. Die Hemmung des Tonischen Labyrinthreflexes rückwärts geschieht dagegen langsamer und nur schrittweise – in diese Entwicklung ist auch die Entstehung einiger Halte- und Stellreflexe eingebunden, und es dauert bis zu einem Alter von drei Jahren, bis dieser Vorgang vollständig abgeschlossen ist.

      Wenn das Baby geboren wird, wird es gleichzeitig einer Reihe ganz neuer Herausforderungen ausgesetzt. Bisher hatte es sich in einer abgeschlossenen Umgebung befunden, die aus Wasser bestand, in der die Auswirkungen aller sensorischen Reize gedämpft wurden und in der auch die Schwerkraft eine abgeschwächte Wirkung hat. Der Tonische Labyrinthreflex stellt eine erste, primitive Methode für das Kind dar, mit dem Problem der Schwerkraft umzugehen. Jede Bewegung des Kopfes in vertikaler Richtung über die Mittellinie des Körpers hinaus wird zu einer extremen Beugung oder Streckung des ganzen Körpers führen. Dies beeinflusst den Muskeltonus im ganzen Körper vom Kopf abwärts.

      Mit ungefähr sechs Monaten sollte diese Reaktion sich dahingehend verändert haben, dass die Kontrolle über den Kopf sich entwickeln kann. Auch der Augen- und der Labyrinthstellreflex sollten sich zu dieser Zeit bilden. Die Kontrolle über den Kopf ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung aller späteren Funktionen; sie sollte der Hauptinitiator aller Frühformen der Bewegung sein – das Gleiche gilt für die Muskelspannung und das Gleichgewicht (zephalo-kaudales Gesetz).

      Das zephalo-kaudale Gesetz beschreibt eine Bewegung, die sich vom Kopf bis zu den Zehen abwärts vollzieht.

      Der Tonische Labyrinthreflex hat einen tonisierenden Einfluss auf die Muskelspannung im ganzen Körper; er hilft dem Neugeborenen, sich aus der gebeugten fötalen und Neugeborenenhaltung gerade zu strecken. Auf diese Weise werden Gleichgewicht, Muskeltonus und Tiefensensibilität (Propriozeption) allesamt während dieses Prozesses trainiert.

      Wird der Tonische Labyrinthreflex nicht zum richtigen Zeitpunkt gehemmt, wird er als Folge das vestibuläre System und dessen Interaktion mit anderen sensorischen Systemen stören. Ein Kind, bei dem der Tonische Labyrinthreflex noch aktiv ist, wird, wenn es mit dem Laufen beginnt, nicht in der Lage sein, echte Sicherheit im Umgang mit der Schwerkraft zu gewinnen (Ayres, 1979–1982), da die Bewegung des Kopfes den Muskeltonus verändert und das Gleichgewichtszentrum „über den Haufen wirft“. Da das Kind keinen festen räumlichen Bezugspunkt hat, wird es Schwierigkeiten haben, wenn es darum geht, Raum, Entfernung, Tiefe und Geschwindigkeit einzuschätzen.

      Unser Richtungssinn basiert auf unserem Wissen darum, wo wir uns im Raum, der uns umgibt, befinden. Ist unser Bezugspunkt aber schwankend und instabil, dann kann die Fähigkeit zur Unterscheidung von oben und unten, links und rechts, vorn und hinten ebenfalls Schwankungen unterliegen. Dies ist genau der Zustand, den Astronauten im Weltraum erleben. Wenn Astronauten in eine schwerelose Umgebung versetzt werden, schreiben sie plötzlich von rechts nach links, sie verdrehen Buchstaben und Zahlen und fangen an, in Spiegelschrift zu schreiben – und demonstrieren damit die Bedeutung der Schwerkraft und der Balance für alle menschlichen Funktionsebenen.

      Die anhaltende Aktivität des Tonischen Labyrinthreflexes führt dazu, dass sich die Kopfstellreflexe nicht vollständig entwickeln. Die mangelnde Kontrolle über die Kopfbewegungen wird auch die Funktion der Augen beeinträchtigen, da die Augen vom selben Regelkreis im Gehirn gesteuert werden – dem vestibulo-okularen Reflexbogen.

      Wenn in einem Abschnitt dieses Regelkreises eine Funktionsstörung vorliegt, dann beeinträchtigt dies auch den reibungslosen Ablauf anderer Systeme, die von diesem Kreislauf abhängig sind. So wird die Balance durch fehlerhafte visuelle Information beeinflusst, das Sehvermögen wiederum wird durch die schlechte Balance beeinträchtigt. Es ist möglich, dass sich ein Zweiwegesystem etabliert, das nicht zusammenpasst, das das Kind aber für ganz normal hält, da es nie etwas anderes kennen gelernt hat. Eine dauerhafte präzise Wahrnehmung hängt von der Synchronisation im Timing der Botschaften ab, die zwischen dem vestibulären System, dem Körper und dem visuellen System ausgetauscht und dabei vom Cerebellum moduliert werden.

      Vestibulo-okularer Reflexbogen

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      Die Organisation des Gleichgewichtssystems

      Das