Leipzig. Hartmut Zwahr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hartmut Zwahr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783867295680
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      Hartmut Zwahr

      Leipzig · Studentenroman

      Hartmut Zwahr

      LEIPZIG

      Studentenroman

      Sax-Verlag

      Alle Ähnlichkeiten in Ort und Zeit,

      auch Namensgleichheit mit Lebenden und Toten sind zufällig

      und dem Umstand geschuldet, dass Figuren und Strukturen

      unter bestimmten Bedingungen einander entsprechen.

      Umschlagbild:

      Das am Augustusplatz durch Arwed Rossbach 1894 – 1897 umgebaute Augusteum, nach Bombardierung (Dezember 1943) und Enttrümmerung (1943 – 1953) teilweise wieder in Betrieb. Vom 5. Mai 1953 bis Februar 1991 Karl-Marx-Universität Leipzig. Im Bild neben dem Alten Augusteum die fast unversehrte Paulinerkirche, beide Gebäude am 30. Mai 1968 aus politischer Willkür gesprengt. Ansicht vor Mai 1968.

      Fotografie: Gudrun Vogel, Leipzig

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

      ISBN 978-3-86729-230-6

      E-Book ISBN 978-3-86729-568-0 (epub)

      E-Book ISBN 978-3-86729-569-7 (pdf)

      1. Auflage 2019

      Alle Rechte vorbehalten

      © Sax-Verlag, Beucha · Markkleeberg, 2019

      Layout und Umschlaggestaltung: Sax-Verlag

      www.sax-verlag.de

      Weh denen, die Böses gut und Gutes böse heißen,

      Die aus Finsternis Licht, und aus Licht Finsternis machen,

      Die aus sauer süß, und aus süß sauer machen.

      Jesaia 5.20.

      (notiert in Leipzig am 9.10.1953)

      ERSTER TEIL

      IM JUNI KAMEN DIE PANZER

      DAS ERSCHRECKEN BLEIBT

      1

      Wie der reinkam in heller Uniform, der Ami, ich dachte, der schießt, sagte der Hausmeister

      Die Haltestelle der Straßenbahn im Rücken lief Johannes den Gitterzaun entlang, der die Villa und den Park umschloss. Flieder duftete. An der Tischtennishalle begegnete er dem Hausmeister. Die wollten dich wohl nicht?

      Sie redeten über den Lehrlingskurs. Du hast gefragt, wie das war, wie der reinkam in heller Uniform, der Ami, ich dachte, der schießt, sagte der Hausmeister.

      Na, geh erst mal zu ihr hoch.

      Auf die Tür geklebt: Trautmann. Kommen Sie rein. Auf dem Schreibtisch ein Tresor, auf dem die Brotbüchse. Sie sind die Nachbewilligung? Im Fragebogen klebte sein Passbild. Sie lachte. Sind wir die Pionierorganisation? Sie bekommen Grundstipendium. Lohnbescheinigung genügt. Lützner 75. Kenne ich, die Eltern hatten einen Laden in Lindenau.

      Fünfundzwanzig fürs Zimmer? Ist in Ordnung.

      Johannes fragte nach der Lebensmittelkarte, sie, ob er Radio hätte. Zuerst kommt die Moral. Karte C. Vorzugsversorgung. Mittagessen ohne Fleisch, leider, wegen der Nachmeldung.

      Sie zahlte das Stipendium aus.

      Seine Wachstuchbrieftasche klebte zusammen. Bei meinem Jungen auch. Spielen Sie Pingpong? Überwiesen wird zum Sechzehnten. Am besten, Sie nehmen die Sparkasse. Beim ersten Schmetterball zuckte sie zusammen. Sie stempelte den Fahrantrag. Wie ich das Ballgeklapper liebe! Zuerst in die Meldestelle. Von der Polizei zur Kartenstelle gehn, nicht umgekehrt.

      Die Straßenbahn fuhr an. An der Schule Gertraude Schubert, Strickjacke, Kleid.

      Die Innocentia liegt mir! Am Tischtennis eine lange Blonde. »Ich werde seine Frau oder gehe ins Wasser!« Sie lachten über eine Pointe, die er nicht verstand. Die Abiturklasse spielte Theater.

      Warum kommst du erst jetzt? Sie standen in der Diele. Der schwere Leuchter ohne Licht. Mit dem Renovieren hatten sie angefangen, als die Russen die Villa freigaben. Im Klubraum steckten in einem Gummibaumkübel die Papierfähnchen vom Achten Mai. Jemand rief: Die erste fällt aus.

      Wieder Möhren! Gewöhnst dich dran. Reiche Leute, müssen das gewesen sein, denen die Villa gehört hat, sagte Gertraude.

      Von der Galerie hingen die rote Fahne und die blaue des Jugendverbandes.

      Ein Dicker reckte den Kopf, hatte eine Kommandeurstasche umhängen, mit Schlaufen für Schreibzeug. Hieß Pockrandt. Ich brenne für die Literatur! Mir musst du das nicht sagen! Der antwortete, Rudi Gernitz, hatte die schwarzen Haare zur Bürste geschnitten.

      Berliner, Pockrandt auch, sagte Gertraude. Sie mochte sie nicht, zog die Ringelsöckchen hoch. Böckler ist der mit dem Bein einknickt. Die Drei verschwanden im Treppenaufgang.

      Jemand hielt ihm die Augen zu. Wer bin ich? Ein Hauch Parfüm. Irina. Du bist gesehn worden. Vieldeutig mit Augenaufschlag sagte sie das: Wo, wird nicht verraten.

      Willkommen im Vorkurs. Bei den Werktätigen. Die Wimpern getuscht, sah sie ihn an. Die meisten, die da sind, kennst du, der Rest sind andere. Brigitta macht die FDJ, Regina ist oben. Die hatte ihn beim Abschiedsabend abgeklatscht, damals, in der Eingangshalle. Musst auf die Musik hören, hatte sie gesagt, Tanzen geht von alleine. Irina, in einer Bluse mit großen Blumen. Weil ihr Gestricktes nicht steht, du Dummer, hatte sie gesagt.

      Haben sie dir Schwierigkeiten gemacht? Mir kannst du’s sagen.

      Abgelehnt.

      Hast du eine Vermutung?

      Mein Vater ist Angestellter.

      Die Unsichtbaren durchforschen die Fragebögen, sagte sie, das wird’s kaum sein.

      Er stolperte ins Klassenzimmer, in den Dachraum. Den Balken hatten die Bauleute stehen lassen. Die schrägen Wände kannte er, das Kabuff dahinter auch.

      Gernitz ist der mit den schwarzen Haaren, wenn er nicht an seiner Zigarette zieht, redet er.

      Irina stellte Johannes vor. Willkommen bei der Arbeiterklasse, du Nachbewilligter, sagte Gernitz. Genosse bist du nicht. Eine Willensmaschine, das war ihm anzusehen. Wusste er was? Die Pelikan hat Vertretung, rief jemand. Klaus Grimm zeigte auf einen Stuhl. Für dich. Sie kannten sich aus dem Lehrlingskurs. Mich haben sie zum Sportverantwortlichen gemacht. Einen Posten hat fast jeder.

      Außer mir, sagte Irina.

      Brigitta Richter stieg über die Schwelle. Die Pelikan vertritt Heise. Kann einem leidtun mit seinen Prothesen. Den hatten die Engländer abgeschossen. Die Klasse nahm Platz. Der neben ihm nuschelte was, streckte die Hand hin. Er entdeckte in der ersten Reihe Regina, dachte an Ruth. Von ihr hatte er sich nicht verabschiedet. Wie auch? Die Mutter war am Telefon gewesen, er hatte aufgelegt. Auf der Fahrt war er das dumme Gefühl wegen Ruth nicht losgeworden. Im Zug hatte er stehen müssen in so einem Verbindungsstück zwischen den Waggons.

      Einer im dunklen Jackett lachte ihn an.

      Sie sind neu, hatte ihn Frau Pelikan begrüßt. Als es Pause klingelte, hüpfte sein Nachbar hoch und hielt sich mit einer Hand aufstützend an der Tischplatte fest. Ich bin der Wolfgang Böckler, ein Arm hing herunter.

      Die zweite Stunde war Geschichte. Der im Jackett kam dran, kaum war der Dozent, Herr Arnold, hereingekommen. Wo sind wir stehn geblieben? Das möchte ich von Herrn Eichler wissen. Es gehörte zu ihrem Spiel, was Johannes nicht wissen konnte. Dass sie Barbara hieß, auch nicht. Dieser Dozent und Friedhelm Eichler standen wegen ihrer Liebesgeschichte in einem gewissen Verhältnis.

      Barbara gehörte in die bibliothekarische Vollausbildung, sang im Schulchor, war Abiturklasse, Friedhelm dagegen war Vorkurs, Werktätigenklasse. Arnold, semmelblonder