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Ein Blick in die Vergangenheit
Gertraud Bergen sah Dr. Norden an.
Sie wirkte bedrückt und ratlos. »Sie müssen jetzt unbedingt einmal an sich selbst denken«, sagte Dr. Daniel Norden energisch, wenn auch voller Mitgefühl.
»Wenn das so einfach ginge«, flüsterte Gertraud.
»Es muß gehen«, sagte Daniel Norden bestimmt. »Ihre Schwiegertochter wird es lernen, sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern. Sie kann es nicht immer als selbstverständlich hinnehmen, daß Sie alle Arbeit tun und dabei Ihre Gesundheit ruinieren.«
Er kannte die Verhältnisse bei den Bergens zur Genüge. Dr. Johannes Bergen hatte es seinerzeit gut gemeint, als er seine Mutter in den neuerbauten schönen Bungalow holte. Er wollte ihr, die er sehr liebte und der er viel verdankte, einen geruhsamen Lebensabend im Kreis der Familie verschaffen. Seine kapriziöse Frau Karina sah das anders und machte für sich das Beste daraus. Sie überließ so nach und nach sowohl die Fürsorge der beiden Kinder Corinna und Mark als auch den Haushalt der Schwiegermutter und hatte so viel Zeit, sich ihren Interessen zu widmen.
»Ich könnte ja mal mit Ihrem Sohn reden«, warf Dr. Norden vorsichtig ein.
Gertraud schüttelte den Kopf. »Johannes hat genug um die Ohren und arbeitet von früh bis spät. Er soll wenigstens zu Hause seine Ruhe haben.«
Dr. Johannes Bergen hatte eine Spitzenfunktion in einem Elektronik-Konzern und war entsprechend gefordert.
Nun wurde es Dr. Norden zuviel. »Auch wenn ein Mann beruflich stark engagiert ist, hat er die Pflicht, sich um die Belange seiner Familie zu kümmern. Das geht mir nicht anders.«
»Ich möchte meinem Sohn keine Schwierigkeiten machen.«
»Sie machen ihm keine Schwierigkeiten, wenn Sie endlich an Ihre Gesundheit denken! Und dazu ist es jetzt höchste Zeit, denn die Untersuchungen sind nicht zu meiner Zufriedenheit ausgefallen. Ihr Herz ist nicht in Ordnung, die Nierenfunktion muß gründlich überprüft werden. Sie müssen dringend zu einem Check up in die Klinik gehen. Ich kann Ihnen Dr. Behnisch empfehlen, er ist mein Freund, und ich könnte Sie schon avisieren.«
»Gut«, sagte Gertraud. »Ich rufe Sie an.«
»Aber bald«, mahnte Dr. Norden, befürchtete aber, so schnell nichts von ihr zu hören. Wie kann man dieser Frau nur helfen, fragte er sich. Aber nun konnte er sich nicht mehr weiter mit ihr beschäftigen, denn Wendy brachte den nächsten Patienten herein. Das Wartezimmer war voll.
Am Abend sprach er mit Fee über diesen Fall. Die Kinder schliefen, nachdem sie mit dem Papi gespielt und geschmust hatten. Die Zwillinge Jan und Dèsirée waren außer Rand und Band gewesen, sie entwickelten sich zu den reinsten Temperamentsbündeln mit umwerfendem Charme. Anneka dagegen war das Schmusekätzchen der Familie. Die »Großen«, Danny und Felix, waren schon verständige Jungen.
Daniel war stolz auf seine Kinderschar, die ihm soviel Freude machte. Gewiß – es gab auch Probleme, wo gab es die nicht, aber er und Fee waren verständige Eltern. Die Kinder konnten mit ihnen über alles reden und taten es auch.
Nun aber saß er mit Fee zusammen, und das genossen beide. Sie waren ein harmonisches Ehepaar, wie es selten geworden war. Auch er konnte mit seiner Frau über alles reden, oft suchte er ihren Rat.
Als er über die Familie Bergen sprach, zog Fee die Brauen hoch. »Karina Bergen kenne ich, wie treffen uns gelegentlich beim Friseur. Sie ist ziemlich oberflächlich, wichtig ist ihr nur ihre Freiheit. Die Kinder überläßt sie frohgemut der Omi. Das jüngere der beiden Kinder ist übrigens gehbehindert, es soll mit besonderer Liebe an der alten Dame hängen. Das Kind paßt anscheinend nicht zu Karinas Prestigeempfinden. Ich kann verstehen, daß sich Frau Bergen ungern von der Familie entfernt, sie wird vor allem von den Kindern gebraucht und von der Schwiegertochter so richtig ausgenutzt. Sie müßte sich einmal richtig durchsetzen, aber wie kann man ihr dabei helfen?«
»Uns muß was einfallen, Feelein. Sie ist nicht gesund«, sagte er und nahm seine Frau in die Arme.
Dann dachten sie nur noch an sich.
Die Nordens ahnten nicht, daß sie sich umsonst Sorgen machten.
*
Daniel staunte, als schon zwei Tage später Frau Bergen anrief. Sie sei bereit, in die Klinik zu gehen. Ob Dr. Norden alles veranlassen könne?
Er konnte und tat es nur allzu gern.
Die Sprechstunde war zu Ende, und seine Sprechstundenhilfe Wendy legte ihm zwei Mappen heraus von Patienten, die von Dr. Norden in die Behnisch-Klinik überwiesen worden waren und über die er heute mit Dieter Behnisch sprechen wollte.
»Legen Sie mir bitte die Unterlagen von Frau Bergen heraus. Die nehme ich auch gleich mit.«
Dr. Behnisch runzelte die Stirn, als er später die Befunde von Frau Bergen durchsah. »Da liegt aber einiges im argen.«
Dr. Norden hatte ihm die Situation der Patientin geschildert. Dieter würde sich um sie besonders kümmern, und Daniel war gespannt, aus welchem Anlaß sie sich so plötzlich zu dem Klinikaufenthalt durchgerungen hatte.
»Wie geht es denn deinem Fernsehstar?« fragte Daniel.
Dieter Behnisch runzelte erneut die Stirn. »Sie macht mir immer noch Sorgen. Aber sie ist endlich aus dem Koma erwacht, das läßt uns hoffen.«
Cordula Bürgner war nicht die erste prominente Patientin, die die Behnischs betreuten. Ihre Klinik war über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt.
»Es ist eine dramatische Geschichte«, sagte Daniel. Er hatte sie von Anfang an verfolgt.
»Wir sehen uns dann, wenn morgen etwas Besonderes mit Frau Bergen ist…«
»…sage ich dir Bescheid.«
Dieter Behnisch und Dr. Norden verabschiedeten sich. Die Zeit war knapp.
*
Cordula Bürgner nach drei Monaten aus dem Koma erwacht!lautete die Schlagzeile eines Boulevardblattes. Sie war fettgedruckt.
Dr. Jenny Behnisch hatte die Zeitung auf dem Schreibtisch liegen, und als Dr. Dieter Behnisch ihr Zimmer betrat, deutete sie darauf.
Sofort verdüsterte