Reisen und Entdeckungen im südlichen Afrika. David Livingstone. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David Livingstone
Издательство: Bookwire
Серия: Edition Erdmann
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783843803137
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im Osten des Landes von den Boers um Vieh und Kinder gebrandschatzt wurden. Sie verfahren dabei folgendermaßen: Befreundete Stämme werden gezwungen, eine Abteilung berittener Boers zu begleiten, und da man sich der Pferde nur im Winter ohne Gefahr, sie durch Krankheit einzubüßen, bedienen kann, so finden solche Expeditionen auch nur in dieser Jahreszeit statt. Erreichen die Boers das Lager des zu überfallenden Stammes, so werden die befreundeten Eingeborenen in Front aufgestellt, um, wie sie sagen, einen »Schild« zu bilden; die Boers feuern alsdann kaltblütig über ihre Köpfe hinweg, bis die zum Opfer ausersehenen Männer fliehen und Vieh, Weiber und Kinder den Bedrängern überlassen. Dies geschah während meines Aufenthalts im Inneren neunmal, und bei keiner Gelegenheit wurde auch nur ein Tropfen Boersblut vergossen. Die Kunde von diesen Taten verbreitete sich rasch unter den Bakuena, und Setschele erhielt mehrmals Briefe von den Boers mit der Weisung, zu ihnen zu kommen, sich ihnen als ihr Vasall zu unterwerfen und den englischen Händlern, die um Feuerwaffen zu verkaufen ins Land kämen, den Heimweg zu weisen. Allein die Entdeckung des Ngami-Sees, welche wir weiter unten schildern werden, lockte die Tauschhändler in fünffach größerer Anzahl ins Land, und Setschele erwiderte: »Gott hat mich zum unabhängigen Häuptling gemacht und hierher gesetzt, aber nicht ihr. Ich wurde niemals von Mosilikatze bezwungen wie diejenigen Stämme, welche ihr jetzt beherrscht; und die Engländer sind meine Freunde. Ich erhalte von ihnen alles, was ich wünsche. Ich kann sie nicht hindern, zu gehen, wohin sie wollen.« – Wer sich aus seinen früheren Jahren noch der angedrohten französischen Invasion in England erinnert, der kann sich den Eindruck vorstellen, welchen die beständige Gefahr eines Einfalls der Boers auf die Gemüter der Bakuena ausübte; wer Ähnliches nicht erlebt hat, kann sich gar nicht denken, welche Plage die ewigen Botschaften und Drohungen der eigenmächtigen Behörden der Boers vom Magaliesberg waren. Und als zu all diesen höchst unangenehmen Belästigungen in Folge der Dürre auch noch Mangel an Nahrungsmitteln kam, so können wir uns, so sehr uns dies auch leidtat, über die geringe Neigung der Bakuena, sich im Christentum unterrichten zu lassen, doch nicht wundern.

      Die Sage von dem schwarzen Topf nahm bald einen ernsthaften Charakter an. Ich versuchte unter den von den Boers vom Magaliesberg unterworfenen Stämmen dadurch Nutzen zu stiften, dass ich auf verschiedenen Punkten eingeborene Lehrer anstellte. »Ihr müsst die Schwarzen lehren, dass sie uns nicht gleich seien«, sagte Hendrik Potgeiter, der Oberbefehlshaber, zu mir. – Andere Boers meinten, ich könnte ebenso gut die Paviane auf den Felsen wie die Afrikaner unterrichten, traten aber zurück, als ich ihnen vorschlug, zu untersuchen, ob sie oder meine eingeborenen Schüler besser lesen könnten. Zwei von ihren Geistlichen kamen, um die Kinder der Boers zu taufen; da ich mich nun mit der Hoffnung tröstete, mit der Unterstützung dieser guten Männer den Widerwillen ihrer Gemeinde gegen die Unterweisung der Schwarzen überwinden zu können, so besuchte ich sie. Allein mein Besuch endete mit einem tückischen Streich, welchen mir der Befehlshaber der Boers spielte, indem er mich unter Versicherungen der größten Freundschaft veranlasste, nach Kolobeng zurückzukehren, während er auf einem anderen Weg einen Brief an die übrigen Missionare im Süden sandte und von denselben meine unverzügliche Abberufung verlangte, »weil ich ihren Feinden eine Kanone geliehen habe.« An die Kolonialregierung wurde ebenfalls ernstlich berichtet, dass die Geschichte wahr sei, und so kam es, dass ich in Folge davon für einen Mann von sehr verdächtigem Charakter angesehen wurde.

      Ich verzeichne diese Einzelheiten in Betreff der Boers nicht in der Absicht, um spöttisches Lächeln über ihre Unwissenheit hervorzurufen, sondern um das Mitleid ihrer Freunde anzuregen. Sie führen beständig ihre Gesetze im Munde, allein in der Anwendung ist ihr Gesetz nur das Recht des Stärkeren. Die Betschuanen konnten nicht begreifen, warum unter ihren Befehlshabern immerwährender Wechsel stattfand. »Wahrlich«, meinten sie, »man weiß nie, wer bei diesen Boers der Häuptling ist. Wie die Buschmänner haben auch sie keinen König – sie müssen also die Buschmänner der Engländer sein.« – Die Vorstellung, dass ein Menschenstamm so unverständig sein könne, keinen erblichen Häuptling zu haben, deuchte diesen Leuten so absurd, dass ich – um nicht ebenso töricht zu erscheinen – mich genötigt sah, ihnen zu sagen, die Engländer seien so ängstlich bemüht, den königlichen Namen zu erhalten, dass sie sogar eine junge Dame zu ihrem Häuptling gemacht haben. Dies erschien ihnen als ein höchst schlagender Beweis von unserem gesunden Menschenverstand, und wir werden noch weiter unten sehen, was für ein Vertrauen ihnen meine Schilderung von unserer Königin einflößte.

      Als Pretorius den Oberbefehl über die Boers übernommen hatte, fühlten sich diese so ermutigt, dass sie den Entschluss fassten, fortan keinen englischen Tauschhändler mehr über Kolobeng hinausgehen zu lassen, indem sie den Stamm der Bakuena zerstreuten und alle Missionare vertrieben. Sir George Cathcart proklamierte die Unabhängigkeit der Boers – das Beste, was er hätte tun können, wenn sie zwischen uns und den Kaffern gewesen wären. Man schloss einen Vertrag mit den Boers, in welchem ein Artikel betreffs des freien Durchzugs der Engländer durch ihr Gebiet nach dem jenseits desselben liegenden Land und ein anderer aufgenommen wurde, infolgedessen keine Sklaverei auf dem unabhängigen Gebiet geduldet werden sollte. Hierdurch sollten die Wünsche der Regierung Ihrer Majestät im Mutterland ausgedrückt werden. – »Was soll aber mit den Missionaren geschehen?«, fragten die Boers. – »Mit denen könnt ihr es halten, wie ihr wollt!«, soll die Antwort des Bevollmächtigten gewesen sein. Diese Bemerkung, wenn sie überhaupt gemacht wurde, war vermutlich nur im Scherz getan worden: Arglistige Männer setzten sie jedoch in Umlauf, sodass man ganz allgemein an ihre Richtigkeit glaubte; diese Ansicht ist noch immer die herrschende im Land und führte wahrscheinlich bald darauf zur Zerstörung von drei Missionsstationen. Der verstorbene Pretorius sandte im Jahr 1852 die Boers in einer Stärke von vierhundert Mann aus, um die Bakuena anzugreifen. Die Boers rühmten sich, die Engländer hätten alle Schwarzen in ihre Gewalt gegeben und ihnen versprochen, sie in der Unterjochung derselben dadurch zu unterstützen, dass sie gar keine Vorräte an Schießbedarf mehr in das Land der Betschuanen gelangen lassen wollten: Hierauf überfielen sie die Bakuena, erschlugen ihnen eine beträchtliche Anzahl von Erwachsenen und schleppten Zweihundert von unseren Schulkindern in die Sklaverei. Die Eingeborenen verteidigten sich unter Setscheles Anführung, bis der Einbruch der Nacht ihnen erlaubte, in die Berge zu flüchten, und da bei dieser Verteidigung eine Anzahl Feinde getötet wurden – die Ersten, die jemals in diesem Land durch die Betschuanen fielen –, so wurde mir das Verdienst beigemessen, den Stamm im Erschlagen der Boers unterwiesen zu haben. Zur Rache dafür wurde mein Haus geplündert, das jahrelang unter dem Schutz der Eingeborenen vollkommen sicher gestanden hatte. Englische Männer von Ansehen und Bildung, welche Cummings Fußstapfen folgten, um im Inneren des Landes zu jagen, und den Bakuena bedeutende Vorräte zur Aufbewahrung gegeben, auch mehr als achtzig Stück Hornvieh als Vorspann für die Heimreise zurückgelassen hatten, wurden ihres ganzen Eigentums beraubt und fanden bei der Rückkehr nach Kolobeng nur die Gebeine der Wächter über den ganzen Platz zerstreut. Die Bücher einer guten Bibliothek – mein einziger Trost in der Einsamkeit – wurden zwar nicht fortgeschleppt, aber die Blätter herausgerissen und überall umhergestreut. Mein Vorrat von Arzneien wurde zerstört und alle unsere Möbel und Kleidung fortgeschleppt und öffentlich versteigert, um die Kosten des Raubzuges zu decken.

      Ich erwähnte diese Vorfälle nicht, um ein klägliches Wehgeschrei über meine Verluste zu erheben oder um Mitleid für mich zu erregen; denn obschon es mir leidtat um den Verlust von Wörterbüchern usw., welche die Gefährten meiner Knabenzeit geworden waren, so gewährte mir die Plünderung im Grunde genommen doch erst vollständige Freiheit für meine Expedition nach dem Norden, und ich habe seither auch nie nur einen Augenblick lang Kummer um irgendetwas von dem gehabt, was ich damals einbüßte. Die Boers beschlossen, das Innere zu verschließen, und ich war entschlossen, das Land zu öffnen; wir werden noch sehen, wer von uns beiden in seinem Vorhaben am glücklichsten war – sie oder ich.

      Eine kurze Schilderung der afrikanischen Hauswirtschaft dürfte für den Leser nicht uninteressant sein. Der gänzliche Mangel an Läden und Werkstätten zwang uns, alle unsere Bedürfnisse selber aus dem Rohmaterial herzustellen. Braucht man Backsteine zum Bau eines Hauses, so muss man zunächst aufs Feld hinausgehen, einen Baum fällen und in Bretter sägen, um daraus die Backsteinformen zu machen; das Material für Türen und Fenster steht ebenfalls noch draußen im Wald; und will man bei den Eingeborenen geachtet sein, so muss man sich ein Haus von anständigem Umfang bauen, das eine Unmasse Handarbeit kostet. Die Leute können nicht viel