Und so wäre zweifellos alles seinen Gang gegangen, hätte es nicht bei einer einzigen Sache eine Abweichung gegeben. Alles lief glatt – der Begräbniszug hinunter zu Deck C, das Versenken des beschwerten Sargs und das Hinausschmuggeln von Peter Morrison aus dem verlassenen Gesellschaftsraum –, bis die entsprechend instruierten Gehilfen Peter Morrison für seine »Auferstehung« zurechtmachen sollten. Weil ihr Meister angeordnet hatte, dass dieses Mal das Opfer in Rückenlage und nackt bis auf die Unterhosen auf einem Speisesaaltisch aufgefunden werden sollte, und sie zudem allen Grund zu der Annahme hatten, dass Morrison sich weiterhin in Trance befand, begannen sie, ihn von Kopf bis Fuß auszuziehen. Auch dagegen hätte Morrison nicht aufbegehrt, denn sie taten dies mit dem gebotenen Respekt, und er war ein gutmütiger Kerl, der mit einem Scherz auf seine Kosten umgehen konnte – hätte er nicht just an jenem Tag aufgrund einer Unachtsamkeit der Bordwäscherei keine Unterhosen getragen. Als die Ägypter also anfingen, ihm die Uniformhosen abzustreifen, protestierte er deutlich hörbar und händefuchtelnd, woraufhin die Lehrlinge, erschreckt von solch plötzlichem Eigenleben bei jemandem, den sie für nicht mehr als eine atmende Leiche gehalten hatten, schreiend und schnatternd Reißaus nahmen auf Deck C, um den zuständigen Hexenmeister zu finden.
Dieser genoss derweil nun doch die Gunst des Publikums. Wie immer hatte der Kontrast zwischen der Schäbigkeit seiner zuerst gezeigten Tricks und dem beeindruckenden Ausmaß dieses letzten seine Zuschauer beträchtlich in Schwung gebracht. Eine geschickt eingesetzte Bauchrednertechnik hatte aus dem sinkenden Sarg einen Schrei entweichen lassen, und es gab sogar einige, die hofften, Peter Morrison wäre tatsächlich, sei es durch die Bösartigkeit oder die Unfähigkeit des Magiers, auf den Grund des Meeres befördert worden. Das war etwas, worüber man in den Briefen nach Hause würde berichten können. Alle waren demnach höchst gespannt, wie es nun weitergehen würde – als die Gehilfen stammelnd auf dem Deck ankamen und sich ihrem Meister zu Füßen warfen.
Als jener begriff, was passiert war, war er verstört. Dass Morrison (nach Auffassung des Magiers) aus der Trance erwacht war, bevor diejenige Person, die ihn in diesen Zustand versetzt hatte, ihn daraus zurückgeholt hatte, war so noch nie vorgekommen und möglicherweise gefährlich. Die Besorgnis und das Unbehagen, die sich auf dem Gesicht des Gauklers zeigten und eindeutig echt waren, teilten sich umgehend auch den Offiziersanwärtern mit … die daraus, ganz richtig, schlossen, dass irgendetwas schiefgelaufen war, und, ganz unrichtig, dass dies nur bedeuten konnte, Morrison sei zu Schaden gekommen – und sie verlangten daraufhin in ganz unterschiedlicher Manier, entsetzt, entrüstet, ängstlich, mitfühlend, mit rassistischem Hass in der Stimme oder genüsslich das Schlimmste erwartend, eine Erklärung. Da er sich unter diesen Umständen mit einer solchen gar kein Gehör hätte verschaffen können, war der Zauberer einigermaßen erleichtert, als Peter selbst nun erschien und ihm mit seinem Auftauchen die Aufgabe abnahm. Doch erwies sich die Erklärung in der dargebotenen Form als nicht geglückt. Denn Peter, voller Bedauern, dass er die Gehilfen bei ihrem Tun gestört hatte, und bestrebt, das Kunststück nicht ohne einen entsprechenden Höhepunkt enden zu lassen, hatte sich mit Meerwasser übergossen, um den Eindruck zu vermitteln, er sei wirklich de profundis zurückgekehrt. Was schön und gut gewesen wäre, wenn die nun im Publikum vorherrschende Stimmung nicht nach etwas anderem verlangt hätte. Denn nachdem die Offiziersschüler gesehen hatten, wie der Zauberer immer nervöser geworden war, waren sie inzwischen davon überzeugt, dass hier irgendetwas ganz gewaltig falsch lief, auch war ihnen noch der grauenvolle Schrei, der aus dem Sarg ertönt war, in Erinnerung, und so gingen sie automatisch davon aus, dass der tropfnasse Peter tatsächlich darin untergegangen war und sich nur durch eigenes Vermögen und eigene Anstrengung gerettet hatte. Dieser lächerliche Gedanke hätte sich natürlich nie länger als ein paar Sekunden halten können; aber bevor diese Sekunden um waren, hatte bereits eine Horde Fahnenjunker, angeführt von Peters Freund Alister Mortleman, den glücklosen Zaubermeister brutal zur Gangway geprügelt und ihn von dort kopfüber in ein herumdümpelndes Bumboot geworfen, das durch den Aufprall wie ein Taschenmesser über ihm zusammenklappte und zehn Sekunden später unterging.
»Also nun«, sagte der Truppenkommandeur. »Mir wurde aufgetragen, eine Untersuchung des gestrigen kleinen Vorkommnisses vorzunehmen. Rühren Sie sich, meine Herren, bitte.«
Der Truppenkommandeur hob den Blick und schaute vorwurfsvoll die zehn eng gedrängt dastehenden Offiziersanwärter an, die sich in seiner Tageskajüte eingefunden hatten, setzte dann sein Monokel ein und begann das vor ihm liegende Papier vorzulesen:
»Vor dem britischen Konsul in Port Said wurde durch Mustapha Duqaq, professioneller Zaubermeister, zu Protokoll gegeben, dass am 25. Tag im November des Jahres 1945, als er sich auf offizielle Einladung hin an Bord der Georgic, eines Truppenschiffs Seiner Majestät, im Hafen von Port Said aufhielt, er, Mustapha Duqaq, von einer Gruppe Offiziersanwärter vom Deck des oben genannten Schiffes in ein kleines, sich in seinem eigenen Besitz befindliches Boot hinabgeworfen wurde, das für seine Abfahrt bereitstand; dass er selbst dabei körperliche Verletzungen erlitten habe, deren Kosten sich auf 73 Pfund Sterling und 14 Schilling belaufen …«
»Sir«, tönte Alister Mortleman da wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts, »wie will er das denn jetzt schon so genau wissen?«
»Unterbrechen Sie mich nicht!«, sagte der Truppenkommandeur und blinzelte hinter seinem Monokel. »… dass sein Boot, mit einem Gegenwert von 270 Pfund Sterling, demoliert wurde und gesunken ist, dass dabei Gegenstände des für seine Berufsausübung erforderlichen Equipments im Wert von 185 Pfund Sterling verloren gingen oder unwiederbringlich beschädigt wurden …«
»Aber Sir, sein ganzes Equipment war im Gesellschaftsraum in der Ersten Klasse …«
»Würden Sie mich bitte nicht unterbrechen, Sir … und dass zwei seiner Helfer, die sich im Boot befanden, ertrunken seien; geschätzter Pro-Kopf-Wert ein Pfund und zehn Schilling. Sie sind angehalten, diese Anschuldigungen unverzüglich zu untersuchen und die für den Angriff Verantwortlichen unter Arrest zu stellen. Anschließend wird umgehend ein Bericht an die Zivil- und die Militärbehörde in Port Said erfolgen, und letztere wird Sie darüber in Kenntnis setzen, wie die Übergabe der Beklagten an die zuständige ägyptische Behörde abzulaufen hat. Ich verbleibe, Sir … da-di, da-da … J. Kershaw, Brigadegeneral, B. M. C., Port Said. Sehen Sie«, sagte der Truppenkommandeur verdrießlich, »wo Ihre kleine Posse hingeführt hat?«
»Aber Sir, das wollten wir nicht, wir …«
»Herrgott noch mal, Mann, Ruhe jetzt! Jedes Mal, wenn Sie den Mund aufmachen, machen Sie alles nur schlimmer. – Schon besser!«, sagte der Truppenkommandeur, als eine beklommene Stille eingetreten war. »Nun, meine Herren, wir werden den Hauptzeugen der Geschehnisse anhören, Feldwebel W. T. Pulcher von der Militärpolizei. Hören Sie ihm gut zu – und unterbrechen Sie ihn nicht!«
»Können wir ihn im Anschluss ins Kreuzverhör nehmen, Sir?«
»Wenn Sie das möchten …«, er lachte unvermittelt in sich hinein. »Stabsfeldwebel, bringen Sie Feldwebel W. T. Pulcher rein.«
»… liiinks, rechts, liiinks, rechts, stillgestanden!«
»Machen Sie Ihre Aussage, Feldwebel Pulcher.«
»Sir ! Am fünfundzwanzigsten November hatte ich zusammen mit dem diensthabenden Wachoffizier die Aufsicht über die Landungsbrücke. Ungefähr um 15.15 Uhr, da gab’s auf einmal lautes Geschrei und mächtigen Rabatz, und eine Gruppe Offiziersanwärter rennt mit etwas daher, das aussieht wie ’n Ballen schmutzige Wäsche, und das haben die direkt an meiner Ohrmuschel vorbei ins Hafenbecken geworfen. Sir !«
»Doch der Wäscheballen war in Wirklichkeit