Gärten des Jahres 2021. Konstanze Neubauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Konstanze Neubauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783766725387
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auch und natürlich besonders im privaten Bereich.

      Anspruch pflegeleicht

      Wie war das noch mit der Verschotterung der Vorgärten? Graben wir erst den Boden weg, legen wir Folie oder Bändchengewebe aus, schütten dann für viel Geld Schotter als gebrochenes Material in möglichst großer Körnung auf und freuen uns, wenn dann ein einsamer Buchs, eine Kugel-Catalpa oder ein gestreifter Miscanthus darin wachsen soll und scheitert.

      Pflegeleicht! Das ist der ursprüngliche Anspruch an die einkörnigen Schotterflächen. Am Ende ist diese Art Schotterbeet doch nicht ganz so pflegeleicht! Der Wind trägt auch die Samenkörner vom Löwenzahn, Weidenröschen, von der Brennnessel oder anderen Pflanzen dorthin, wo der Schotter liegt. Vielleicht gerade dahin, weil diese Art Pflanzen mit extremen Bedingungen besonders gut zurechtkommen. Aber das möchte der Gartenbesitzer nicht! Einzig der Natur ist es egal. Aber was heißt denn pflegeleicht wirklich? Das Wort allein schon macht mich grantig. Das Adjektiv per se hält im Garten nicht stand. Denn was für mich pflegeleicht oder pflegearm ist, muss für den Gartenbesitzer noch lange nicht leicht zu pflegen sein. Also, wann ist eine Pflanzung pflegeleicht? Wenn ich mich nicht bücken muss? Oder wenn ich ganz einfach nicht schneiden, nicht stäben, nicht gießen, nicht graben, nicht Unkraut jäten, nicht das Laub aus dem Schotter blasen, nicht dies und nicht das tun muss? Zum Glück gibt es eine ganze Menge Menschen, die gerne von der Verschotterung wegwollen, die sich danach sehnen, eine funktionierende Pflanzengesellschaft in ihrem Vorgarten oder Garten zu haben, um die man sich eben nicht jeden Tag kümmern muss. Das Angebot für die Bienen inklusive. Schon gäbe es noch einen anderen Ansatz, solche Pflanzungen zu benennen. Naturhaft, natürlich oder so ähnlich, dann wäre auch noch die Arbeit aus dem Wort.

      Spätestens hier könnte eine ausführliche Beratung hilfreich sein, vor allem für diejenigen, die noch nicht verstanden haben, dass Pflanzenwurzeln Boden mit Feinanteilen benötigen. Die meisten Pflanzen können sich mit losen Steinbrocken und Bändchengewebe nicht zufriedengeben. Das erinnert mich immer wieder an die Diskussion mit meinem Vater und an die Tatsache, dass Wissen in Verbindung mit Hartnäckigkeit zum Erfolg führen kann, meistens jedenfalls.

      Rezeptur

      Wie beim Kochen gibt es bei der Pflanzplanung vergleichbare Strukturen, was die Vorbereitung betrifft. Kreativität, Improvisationstalent und fundiertes Fachwissen versprechen am Ende Erfolg. Unabdingbar ist jedoch in beiden Fällen Grundwissen zur Thematik: Man nehme die Fläche, die es zu gestalten gilt, prüfe den Boden, mische ihn unter Umständen mit etwas Kies, Splitt oder Schotter ab, um ihn durchlässiger zu machen. Zu achten ist auf die Exposition der Fläche, auf die besondere Lage hinsichtlich Beschattung durch benachbarte Pflanzen oder Gebäude. Gibt es eine bestimmte Funktion, die zu erfüllen ist, wie Sichtschutz oder Windschutz? Oder gibt es noch andere funktionale Anforderungen, wie die freie Trennung zweier benachbarter Grundstücke ohne Zaun, auch das wäre ja denkbar. Was möchte ich mit meiner Pflanzung erreichen? Was muss ich erreichen? Ist also geklärt, wie die Pflanzung wo zu gestalten ist, kommt der Moment, an dem sich viele Geister scheiden. Neben den fachlichen Anforderungen kommen Stil und Ästhetik hinzu.

      Kompositionen

      Entsprechend dieser Fragen beginne ich die Auswahl festzulegen. Aktuell, aber auch schon die letzten vier Jahre, beschäftige ich mich mit eher mageren Standorten, im Besonderen mit Versickerungsmulden. In früheren Zeiten war das ein sicherer wechselfeuchter Standort. Mittlerweile wählen wir Arten aus, die eher mit wechseltrockenen Bedingungen leben können. Wie viel Trockenheit und Hitze vertragen die Pflanzen, wie kommen sie mit plötzlicher Überflutung zurecht?

      Was wir also brauchen, sind Überlebenskünstler: Gehölze, baum- oder strauchartig, dazu Stauden und Gräser, die langlebig und/oder kurzlebig sind, sommergrün oder gerne immergrün. Des Weiteren ist über folgende Eigenschaften nachzudenken:

      •Welches Wurzelsystem haben die Pflanzen,

      •wie vertragen sich die einzelnen Arten untereinander,

      •welchem Wurzeldruck halten sie stand,

      •welchen Ausbreitungsdrang haben sie,

      •wie standfest sind die Pflanzen,

      •welche Strukturen ergeben das Wuchsbild,

      •welche der abgeblühten Blütenstiele liefern eine Struktur für das Winterbild,

      •wie gestaltet sich der Austrieb,

      •wie und wann setzt die Blüte ein,

      •wie und welche Früchte werden ausgebildet,

      •wann kommt der Laubaustrieb,

      •wie färben sich die Blätter oder färben sie sich überhaupt?

      Ich trage die Pflanzen zusammen, von denen ich überzeugt bin, dass sie zusammenpassen, sich im Idealfall ergänzen. Ein weiteres, spezielles und sehr wichtiges Auswahlkriterium sind die Farben von Blüten und Blättern. In jedem Fall müssen die Pflanzen „sich mögen“. Das ist wie bei uns Menschen, wenn wir im Team zusammenspielen sollen. Wollen wir etwas erreichen, dann müssen wir zusammenspielen. Macht jeder, was er will, dann funktioniert es nicht. Egal, was wir angehen. Diese Erkenntnis ist ohne Einschränkung auf die Pflanzenwelt übertragbar.

      Steht dann Sedum telephium bei Euphorbia segueriana, haben Anthemis, Sesleria heufleriana und Liatris den richtigen Abstand? Ergeben Euphorbia und Aster x frikartii ein markantes Bild von allen Seiten, und haben die Wildastern genügend Platz, sich auszubreiten? Sind die verschiedenen Gräser entsprechend ihrer Höhe positioniert und stehen die Gehölze im spannungsreichen Abstand zueinander? Kann sich die Beschattung der vorgesehenen Bäume auswirken? Stehen alle Lichthungrigen in der vollen Sonne, und ist eine Art dabei, welche die gesamte Komposition sprengen könnte? Sind die Kurzlebigen so platziert, dass sie weichen können, ohne Löcher zu hinterlassen? Ist an alles gedacht?

      Diese letzte Frage kann ich eindeutig mit NEIN beantworten. Viel Wissen, viele Eindrücke, viel Wollen kann manches Mal dazu führen, dass das Transparent auf meinem Zeichentisch lange da liegt und leer bleibt. Erst das Loslassen, alles perfekt und richtig zu gestalten, lässt meine Farbstifte glühen. Erst, wenn alles aufgeschrieben ist, erscheint die Pflanzung vor meinem geistigen Auge, und dann kann ich versuchen, meine Fragen zu beantworten.

      Am Ende gibt es noch eine ganz besondere Prise obendrauf, und das sind die Geophyten. Sie komplettieren das Werk. Tatsächlich wachsen selbst unter den schon genannten schwierigen Bodenbedingungen Crocus ancyrensis, kleinblumige Narzissen, diverse Allium-Sorten wie 'Globemaster', 'Purple Sensation', 'Forelock', 'Mount Everest' und Arten wie macleanii oder senescens subsp. montanum richtig gut. Sie vermehren sich wunderbar und ergänzen die mögliche Vielfalt auf extremen Standorten.

      Et voilà: Fertig ist eine bienen- und insektenfreundliche Pflanzenkomposition, in der von Januar bis Dezember geblüht wird, die über das ganze Jahr in ansprechendem Zustand ist. Zumindest aus meiner Sicht. Hätte ich jetzt fertig gekocht, könnte ich guten Appetit wünschen. Habe ich eine Pflanzung fertig gestellt, kann ich sagen: Genießen Sie und haben Sie Geduld, idealerweise mit sich und den Pflanzen. Lassen Sie die Pflanzen den Lauf der Natur finden, schneiden Sie nicht gleich jeden abgeblühten Halm ab. Und vor allem: Lassen Sie das ganze Werk über den Winter gehen, haben Sie so viel Mut, sich gegen den herbstlich organisierten kommunalen Grünabtransport zu stellen. Nach dem Motto, ich bin NICHT dabei.

      Pflegearbeiten

      Gegossen wird direkt nach der Pflanzung. Sind die Wurzelballen nicht abgedeckt, muss nachgearbeitet werden. Keinesfalls aber darf zu tief gepflanzt werden. Das ist der sichere Tod bei den Gehölzen.

      Im Pflanzjahr gibt es regelmäßige Wassergaben, damit die Wurzeln sich entwickeln können. Schon nach zwei Monaten kann man feststellen, dass die Pflanzen Wachstumszuwachs zeigen. Je nach Pflanztermin gebe ich dann nur noch Wasser, wenn es über einen längeren Zeitraum keinen natürlichen Niederschlag gibt.