»Vorläufig bleiben Sie in meiner Nähe«, ordnete Rhodan an. »Ich möchte nicht, dass Sie einen weiteren Zwischenfall heraufbeschwören.«
Baynes nickte. Er hoffte, dass Kapitanski ihn sehen konnte. Für den jungen Fähnrich erschien es immer noch unglaubhaft, dass sie sich im Innern eines gewaltigen Wesens befanden. Kapitanski hatte ihm zu erklären versucht, dass die Halle, in der sie sich aufhielten, ein Speichermagen des Ungeheuers war.
Die CREST II wurde von den Twonosern sorgfältig bewacht. Da alle Maschinen abgeschaltet waren, konnten auch Rakal und Tronar Woolver, die Mutantenzwillinge, nicht mehr in das Schiff zurückkehren.
Baynes hatte erfahren, dass der Telepath John Marshall durch Gedankenüberwachung einiger Rotrüssel herausgefunden hatte, dass der Laderstrahl, mit dem die Twonoser die CREST II unschädlich gemacht hatten, höchstens zehntausend Kilometer in den Raum hinausreichte. Mit etwas Vorsicht hätte sich also die Gefangennahme vermeiden lassen. Der größte Teil der zweitausend Mann starken Besatzung war nicht gut auf den Haluter Icho Tolot zu sprechen, der den Vorschlag gemacht hatte, den Moby zu besetzen.
Atlan ging in seiner Kritik so weit, den Moby »Moby-Tolot« zu nennen. Dem Haluter, das hatte Baynes gerade erfahren, schien dieser Spott jedoch nichts auszumachen. Wahrscheinlich war er das einzige Wesen unter den Gefangenen, dem die derzeitige Situation Freude machte.
Die Terraner wussten inzwischen, dass sich die Twonoser in drei Kasten unterteilten. Die A-Kaste, die Parias, lebten in der Bauchetage des Mobys. Ihre Rüssel waren ungefärbt und zeigten die normale weiße Farbe. In der Mitteletage des Mobys hielten sich die Blaurüssel auf, Angehörige der B-Kaste. Fast alle Soldaten rekrutierten sich aus Mitgliedern der B-Kaste. Die vornehmste Kaste, die C-Gruppe, hatte sich in der Rückenetage des toten Mobys niedergelassen. Das Kennzeichen dieser Twonoser waren die rotgefärbten Rüssel.
Den Wissenschaftlern unter den Terranern war es noch nicht klar, wie es zu dieser Kasteneinteilung kommen konnte, aber sie vermuteten, dass die räumliche Aufteilung des Mobys auch für die Planeten galt, auf denen die Twonoser lebten. Wahrscheinlich war es so, dass die A-Kaste auf Welten mit schlechten Lebensbedingungen um ihren Fortbestand kämpfen musste, während die besseren Planeten der B-Kaste vorbehalten blieben. Auf den Paradieswelten hatten sich die Rotrüssel angesiedelt.
Das war so ziemlich alles, was die Terraner bisher herausgefunden hatten. Die Rotrüssel waren viel zu eingebildet, um sich mit den »minderwertigen« Eindringlingen in längere Gespräche einzulassen. So waren Perry Rhodan und Atlan weitgehend auf die Informationen der Mutanten angewiesen.
Lord Baynes' Gedanken wurden unterbrochen, als John Marshall zu Rhodan trat und ihm etwas zuflüsterte. Rhodan nickte.
»Offensichtlich ist geplant, uns in die Bauchetage zu bringen«, sagte Rhodan, an die anderen Männer gewandt. »Dort glaubt man uns am besten unterbringen zu können.«
»Dort unten lebt die A-Kaste«, erinnerte Atlan. Er warf Tolot einen bösen Blick zu. »Vielleicht vergeht Ihnen dort Ihr Humor, Tolot.«
»Keineswegs«, versicherte der Haluter. »Ich bin sogar sehr gespannt darauf, einmal mit anderen Twonosern zusammenzukommen.«
»Denken Sie daran, dass wir, wenn man uns von hier wegbringt, kaum noch eine Chance haben, zur CREST zurückzukehren. Das Schiff stellt, jedoch unsere einzige Fluchtmöglichkeit dar.« Marshall hatte mit ernster Stimme gesprochen.
»Es besteht keine Lebensgefahr für uns«, besänftigte ihn Tolot. »Wenn es kritisch wird, lassen wir uns etwas einfallen.«
Lord Baynes fühlte sich ermutigt zu fragen: »Wie will man uns in die Bauchetage transportieren?«
»Das konnte ich noch nicht herausfinden«, antwortete Marshall bereitwillig. »Aber bestimmt werden wir die Strecke nicht zu Fuß zurücklegen.«
Baynes wunderte sich, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Männer ihn in ihre Unterhaltung einbezogen. Nachdenklich blickte er zur Decke hinauf, wo ein blendfreier Leuchtkörper installiert war, der in dieser Halle die Aufgabe einer Sonne übernahm. Die Twonoser hatten alle technischen Probleme, die das Leben innerhalb des Mobys aufwarf, perfekt gelöst. Die künstliche Luft war atembar. Die Schwerkraft des Mobys lag nur knapp über dem Normalwert von einem Gravo. In der Halle betrug die konstante Wärme 25 Grad Celsius. Baynes bezweifelte nicht, dass diese Werte auch für andere Stellen innerhalb des Mobys zutrafen.
Etwa eine Stunde nach dem von Baynes hervorgerufenen Zwischenfall verstrich, ehe wieder drei Rotrüssel zu Rhodan kamen.
»Es wurde alles für euren Transport vorbereitet«, erklärte der Sprecher dem Terraner. »Sorgen Sie dafür, dass ihre Männer sich ruhig verhallen.«
Baynes stellte fest, dass die Twonoser weder feindselig noch heimtückisch wirkten. Sie schienen sich lediglich grenzenlos überlegen zu fühlen.
»Wohin bringt man uns?«, wollte Rhodan wissen.
»Keine Fragen«, erwiderte der Rotrüssel. »Sprechen Sie noch einmal zu Ihrer Mannschaft.«
Rhodan winkte Tolot zu sich. »Heben Sie mich auf Ihren Rücken, Tolot, damit mich jeder sehen kann.«
Mühelos setzte der Haluter Rhodan auf seine rechte Schulter.
Rhodan hob den Arm. Die zweitausend Terraner verstummten und blickten erwartungsvoll zu ihm herüber.
»Es ist sicher nicht nötig, dass ich noch einmal auf unsere derzeitige Lage eingehe«, sagte er. »Die Twonoser haben nicht die Absicht, uns zu töten, aber es ist klar, dass sie uns nicht in dieser Halle lassen werden, wo wir uns in unmittelbarer Nähe des Schiffes befinden. Wir werden uns widerstandslos abführen lassen. Sobald wir an unserem Ziel angelangt sind, können wir uns mit eigenen Plänen beschäftigen.«
Rhodan hoffte, dass dies unverfänglich geklungen hatte. Zweifellos wurde seine Rede von den Geräten der Twonoser übersetzt. Es wäre gefährlich gewesen, in aller Offenheit von Flucht zu sprechen.
Weitere Rotrüssel tauchten in der Halle auf. Die zweitausend Gefangenen wurden gezwungen, sich in Marschordnung aufzustellen Rhodan, Tolot, Atlan, Marshall und Kendall Baynes bildeten die Spitze des Gefangenenzuges.
Vor ihnen gingen zwanzig bewaffnete Rotrüssel. Ein kurzer Blick überzeugte Baynes, dass zu beiden Seiten der Kolonne je über hundert Wächter gingen. Er vermutete dass einige Rotrüssel auch den Abschluss bildeten. Es waren alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden, um einen Ausbruch zu verhindern.
Die Halle verjüngte sich in eine überdimensionale Torbogenöffnung. Die Rotrüssel trieben ihre Gefangenen darauf zu. Baynes versuchte sich vorzustellen, dass dieser Durchgang, der vermutlich in eine weitere Halle führte, eine Venenöffnung des toten Mobys darstellte. Natürlich hatten die Venen und Adern innerhalb des Gigantenkörpers nicht zum Transport einer blutähnlichen Flüssigkeit gedient, sondern zum Einengen des Energieaustausches. Zu Lebzeiten des Mobys hatten diese Adern ein System energetischer Mantelrohren gebildet, in denen die Stromflüsse gebündelt, gleichgerichtet und gleichmäßig abgestrahlt worden waren.
Baynes seufzte. Er beschloss, sich nicht länger mit diesen Problemen zu beschäftigen. Er musste einfach mit den Gegebenheiten fertig werden.
Als sie noch hundert Meter vom Torbogen entfernt waren, glitt das Tor auf und gab den Blick in eine weitere Halle frei. Wie Baynes erwartet hatte, wurde auch sie von einer künstlichen Sonne erhellt. Vor ihnen marschierten die Wächter durch das Tor. Die Verschlusswand war offenbar nachträglich von den Twonosern eingebaut worden.
Der Boden, über den Baynes lief, erinnerte ihn an ein Mosaik. Er schien aus unzähligen farbigen Sternchen zu bestehen, obwohl er doch ein Ganzes war. Heimlich versuchte Baynes, mit dem Absatz eines Stiefels ein Loch herauszuschlagen, aber das Material erwies sich als zu hart.
Sie gelangten in die anschließende Halle, die jener, aus der sie kamen, in allen Einzelheiten glich. Vergeblich bemühte sich Baynes, irgendwelche Merkmale zu entdecken, die ihm Hinweise auf die Verwendung des ausgedehnten Raumes geben konnten.
Rhodan