Mythor 167: Der Rote Eroberer. Hubert Haensel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hubert Haensel
Издательство: Bookwire
Серия: Mythor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845399195
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das Pochen in ihren Schläfen schier übermächtig wurde, als sie zu ersticken glaubte, durchbrach sie endlich die Oberfläche. Aber nur für wenige Augenblicke. Gierig atmete sie ein, sog die Lungen voll, bevor sie erneut absackte und keinen Grund mehr unter den Füßen fand. Instinktiv krümmte sie sich zusammen, legte die Arme schützend um ihren Oberkörper. Nur einen Herzschlag später prallte sie schwer gegen ein Hindernis.

      Ein Gefühl der Taubheit raste durch ihren Körper. Dann war nichts mehr.

      *

      Sie fror.

      Alles an ihr triefte vor Nässe. Ihr Rücken schmerzte wie nach unzähligen Peitschenhieben.

      Als sie sich aufrichten wollte, wurde ihr erneut schwarz vor Augen, und sie fiel haltlos zur Seite.

      Kräftige Fäuste zerrten sie hoch.

      »Was ist mit dir, Ilfa?«

      Sie wollte etwas sagen, doch nur ein qualvolles Stöhnen wurde daraus. Mühsam öffnete sie die Augen.

      Mythor stand vor ihr. Sein Gesicht war blutverschmiert, das Haar hing ihm in wirren Strähnen in die Stirn. Offenbar deutete er ihren entsetzten Blick richtig, denn er fuhr sich mit der flachen Hand über die Wangen.

      Unmittelbar hinter ihnen traten die Felsen eng zusammen; die Wassermassen mussten sich in tosendem Strudel in diese Schlucht ergossen haben. Dabei konnten sie von Glück reden, dass der entwurzelte Baum sich vor den Felsen verfangen und quergestellt hatte.

      Es regnete kaum noch. Bis auf überall verbliebene knietiefe Lachen hatte die Flut sich rasch verlaufen.

      »Ronda!«, rief Mythor. In rollendem Echo hallte seine Stimme von den Felsen wider. Aber eine Antwort blieb aus.

      »Du bist verletzt«, stieß Ilfa hervor.

      »Und wenn schon«, wehrte er unwillig ab. »Wir müssen die Amazone suchen.«

      »Sie kann sich selbst helfen.« Ilfa wischte Mythor mit ihrem Ärmel über das Gesicht. Das Blut begann bereits zu verkrusten. »Halt still!«, schimpfte sie, als er sie von sich schieben wollte. »Wie soll ich dir helfen können ...«

      »Mir geht es blendend«, wehrte Mythor ab. »Solange ich nicht weiß, was mit Ronda geschehen ist ...« Ehe er sich's versah, hinderten Ilfas Lippen, die sich fordernd auf seinen Mund pressten, ihn am Weiterreden. Wie eine Klette schmiegte sie ihren Leib an ihn. »Das war für die Amazone«, seufzte sie, als sie sich gleich darauf wieder voneinander lösten.

      Sorgsam tupfte sie ihm das Blut ab. Eine breite Platzwunde klaffte quer über Mythors Stirn. Ansonsten schien er unverletzt zu sein. Ilfa spuckte in die hohle Hand und betupfte die Wunde damit. »In einigen Tagen sieht man nur noch die Narbe«, sagte sie, als die Blutung endgültig aufgehört hatte. »Spucke hilft für alles, wenn keine Heilkräuter zur Hand sind.«

      Die jetzt herrschende Stille wirkte beklemmend. Mythor vermisste das Klirren. Wenn es wirklich Kriegstrommeln gewesen waren, konnte ihr Schweigen nur bedeuten, dass die Unbekannten bald angreifen würden.

      »Zoon-Krieger?«, flüsterte Ilfa betroffen.

      »Ich weiß nicht«, gab er ebenso leise zurück. »Wir werden es früh genug erfahren.«

      Die tiefhängende Wolkendecke war aufgerissen, darüber wetterleuchtete es noch immer. Ein heftiger Wind wirbelte die Dunstschleier mit sich. Mythor und Ilfa wagten es nicht mehr, nach Ronda zu rufen, um mögliche Gegner nicht aufmerksam zu machen. Vereinzelt stießen sie auf die Kadaver ertrunkener Tiere. Ein verheerender Wolkenbruch musste in den höheren Gebirgslagen niedergegangen sein, dass innerhalb kürzester Zeit eine gut fünf Fuß hohe Flutwelle das alte Flussbett ausgefüllt hatte.

      Ilfa blieb überrascht stehen, als die Trommeln lauter und eindringlicher als zuvor wieder einsetzten. Das begleitende Klirren jagte ihr eisige Schauder den Rücken hinab. Unwillkürlich lockerte auch Mythor sein Schwert in der Scheide, ließ jedoch gleich darauf, ärgerlich auf sich selbst, die Hand wieder sinken.

      Feuerschein loderte am Horizont auf. Die Entfernung war schwer zu schätzen, mochte aber etwa eine Wegstunde betragen. Selbst auf die Gefahr hin, in der Finsternis auszugleiten und sich zu verletzen, kletterte Mythor auf einen in der Nähe aufragenden Felsblock. Aus einer Höhe von gut acht Schritt gewann er ein wenig mehr Übersicht.

      Im Norden, offenbar durch eine parallel zum Flussbett verlaufende Schlucht und eine von Findlingen übersäte Ebene von diesem Teil des Gebirges getrennt, waren mehrere Feuer entfacht worden. Wahrscheinlich ein Heerlager. Die offensichtliche Unbekümmertheit der Krieger ließ vermuten, dass sie keine Feinde zu fürchten hatten. Mythor beobachtete noch eine Weile, konnte aber nicht viel mehr als vage Schatten erkennen, die sich zwischen den Feuern bewegten.

      »Wenn es Zoon-Krieger sind, müssen wir verdammt auf der Hut sein«, raunte er Ilfa zu. Steine lösten sich unter seinen zupackenden Händen und polterten in die Tiefe.

      »Sei vorsichtig!«, warnte die Frau.

      Fast gleichzeitig ertönte ein langgezogener Kampfschrei. Obwohl er aus unmittelbarer Nähe gekommen sein musste, war die Richtung keineswegs einwandfrei festzustellen.

      Aus einer Höhe von wenig mehr als drei Schritt sprang Mythor und kam federnd neben Ilfa auf. Beide zogen ihre Schwerter.

      Wie aus dem Boden gewachsen, stand plötzlich eine Schar barbarisch anmutender Krieger vor ihnen. Wären nicht ihre einheitlichen Wickelgewänder gewesen, aufgrund ihrer unterschiedlichen Waffen hätten sie den Eindruck eines bunt zusammengewürfelten Haufens erweckt. Einige trugen Speere und Äxte, andere hielten Schwerter in Händen – gerade und gebogene Klingen, geflammte und mit Widerhaken versehene, Kurzschwerter und solche, die zu führen man der Kraft beider Arme bedurfte.

      Langsam rückte die Meute näher. Ihre Mienen blieben ausdruckslos, aber in den Augen der Barbaren funkelten Feuer des Hasses.

      Mythor und Ilfa wichen zurück, bis sie den Fels hinter sich spürten. Es bedurfte keiner Worte zwischen ihnen. Ilfa hielt ihr dreiviertellanges Schwert mit beiden Händen waagerecht über der linken Schulter, bereit, zugleich mit dem Gefährten vorzupreschen. Mythor stand breitbeinig da, die Linke abwehrend ausgestreckt und die leicht gespreizten Finger wie beschwörend auf die Gegner gerichtet, das Schwert hielt er in Gürtelhöhe, die Klinge leicht zu Boden geneigt, um überraschend zuschlagen zu können.

      »Wer seid ihr?«, stieß er schließlich hervor, des stummen Sich-Belauerns überdrüssig. »Was wollt ihr von uns?«

      »Kurus macht mit Zoon-Kriegern kein Federlesens«, lautete die überraschende Antwort.

      »Wir sind keine Zoon«, erwiderte Ilfa.

      Der Sprecher der Angreifer lachte heiser. »Kleidung und Waffen verraten euch dennoch.«

      »Jetzt?«, raunte Ilfa.

      Mythor nickte.

      Gemeinsam schnellten sie vor. Mythor stieß den Schwertknauf einem der Krieger in die Magengrube. Der Mann brach ächzend zusammen und behinderte die hinter ihm Stehenden. Zwei blitzschnelle Kreuzhiebe ... die Gewänder ebenso vieler Barbaren schlitzten auf. Die Fleischwunden, die Mythor ihnen zufügte, mochten überaus schmerzhaft sein.

      Ilfa hatte weniger Glück. Sie war sofort eingekreist worden und hatte Mühe, sich der Übermacht zu erwehren. Hart prallte ihre Klinge gegen schartigen Stahl, aber obwohl sie alle Kraft in ihre Hiebe legte, gelang es ihr nicht, die nötige Freiheit zurückzuerlangen. Ein zu einer Schlinge geknüpftes Seil schwirrte heran, legte sich um ihren Ellbogen und schloss sich ruckartig. Sie musste das Schwert mit der Rechten auslassen, um freizukommen. Ein zweites Seil rutschte über ihr Handgelenk, ein drittes fiel vor ihr auf den Boden, weil sie es mit der Klinge abwehren konnte. Der folgende heftige Ruck, als die Schlinge sich um ihre Hand schloss, zerrte sie nach vorne. Ilfa kappte das Seil und ließ sich fallen. Auf dem Rücken wälzte sie sich herum, schlug nach den Beinen der offensichtlich überraschten Angreifer, die vor ihr zurückwichen. Sie federte in die Hocke hoch, obwohl der Bogen und der Köcher mit den Pfeilen über ihrer Schulter sie behinderten. Zu spät, um noch auszuweichen, sah sie das engmaschige