Vorwort
Für die Einheimischen heißt er einfach nur »der Wald« und seine Einwohnerinnen und Einwohner »die Wälder« – ohne »l«. Der Bregenzerwald, der über Jahrhunderte hinweg nur lose Verbindungen über hohe Passwege zur namensgebenden vorarlbergischen Landeshauptstadt hatte, ist eine für die Alpen typische Talschaft, zusammengehalten durch einen Fluss, die Bregenzer Ach, an dessen Ufern die vielen kleinen Dörfer liegen. 22 Gemeinden gehören offiziell dazu, es gibt keine einzige Stadt, keine Burg, keine riesigen Fabrikanlagen, keine Autobahn, nur noch einen kleinen Museumszug und ein einziges kleines Kloster. Es gibt hier keine Getreideäcker und so gut wie keine Siloanlagen; Kühe, Pferde und Ziegen grasen noch auf Weide und Alpe. Und es gibt auch gar nicht mehr so viel Wald, aber trotzdem überall das alles prägende Holz.
Der Bregenzerwald ist eine Einheit in der Vielfalt und trotz touristischer Erschließung noch immer, zum Glück, eine kleine Welt für sich. Und eine Talschaft mit wunderschöner, abwechslungsreicher Landschaft und einem offenen und freundlichen Menschenschlag mit einem lieblichen, wenn auch für ungeübte Ohren aufs Erste nicht immer ganz leicht zu verstehenden Dialekt. Die Orte sind klein und übersichtlich und oft weit verstreut in die Landschaft eingebettet, umgeben von den Vorsäßen und Alpen mit ihren Kapellen, Bildstöcken, Brunnen und Feldkreuzen. Und wer hier wandert, muss damit rechnen, einen Weidezaun zu übersteigen, um sich den Weg dann mit den einheimischen Tieren zu teilen, die das für gewöhnlich recht gelassen hinnehmen.
Kurzum, der Bregenzerwald besticht durch seine landschaftliche Schönheit, durch seine vielen Möglichkeiten zum Wandern, vom Flussuferweg bis zum Hochgebirgsgipfel, durch seine eigene Kultur und seine aufgeschlossenen Bewohner, durch seinen »stillen« Tourismus, im Sommer wie im Winter. Oder anders gesagt, ohne viele weitere Worte zu machen: Willkommen im Bregenzerwald!
Konstanz, im Dezember 2020
Benedikt Grimmler
Dieser Wegweiser in Schnepfau beweist: Der Bregenzerwald ist ein Wanderparadies.
Saftige Wiesen vor dem Meierhof bei Riefensberg
Willkommen im Bregenzerwald!
Vorderer, Mittlerer und Hinterer Wald
Grob setzt sich der Bregenzerwald aus mehreren klar erkennbaren Teilen zusammen: dem nördlichen Vorderen Wald, der noch durch weite Flächen und hohe Hügel geprägt ist, eine voralpenländische Mittelgebirgslandschaft. Im Süden, unterhalb des Durchbruchs der Ach bei Bersbuch, beginnt der Hintere Wald, bestimmt durch die aufragenden Gipfel des Hochgebirges, das hier bis deutlich über 2500 Meter hinaufreicht. Dazwischen liegt noch, als drittes, der Mittlere Wald, eine weite Ebene um Egg, Schwarzenberg und Andelsbuch.
Die Subersach, ein tief eingeschnittener Nebenfluss, war lange Trennlinie zwischen den zwei bzw. drei Teilen und ist noch heute als Dialektgrenze erkennbar. Waren es einstmals die charakteristischen Holzbrücken, so sind es heute monumentale Stahlbetonkonstruktionen, die die Region verbinden. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist gleichwohl geblieben. Wie erwähnt hatte man über Jahrhunderte hinweg aufgrund der Abgeschlossenheit zu Rheintal, Allgäu und Arlberggebiet, die nur über hochgelegene Saumwege erreichbar waren, wenig Verbindung zur Außenwelt. Es entstand eine eigene Identität, die auch zu geschichtlichen Sonderentwicklungen führte.
Hoch oben im Gebirge finden sich meist nur noch rote Markierungen.
Die Bregenzer Ach verbindet (fast) alle Gemeinden des Bregenzerwalds.
In unserem Buch stellen wir von den 22 Gemeinden 21 vor (Schröcken ist die Ausnahme – das wird nachgeholt, versprochen!), dazu auch einige Orte am Rand und im Rheintal, um ein möglichst umfassendes Bild des Bregenzerwalds zu geben und seine zahlreichen Facetten vorzustellen – und dies auf Wegen, die nicht immer den üblichen Routen folgen.
Bregenzerwaldgebirge und Nagelfluhkette
Ganz so einfach ist es mit der klaren Aufteilung aber dann doch wieder nicht, denn die historische und die moderne touristische Region Bregenzerwald sind nicht komplett identisch mit dem sogenannten Bregenzerwaldgebirge.
Der Vordere Wald gehört zur Nagelfluhkette, die über die Landesgrenze bis weit hinein nach Bayern reicht; der Mittlere und der Hintere Wald sind – geologisch und offiziell definiert von den Alpenvereinen – das eigentliche Bregenzerwaldgebirge, das sich jedoch südlich bis ins Große Walser- und westlich bis ins Rheintal ausdehnt. Um das Ganze noch etwas komplizierter zu machen, gehören die Gebirgszüge östlich von Au bereits zur Arlberggruppe, darunter Bregenzerwälder-Klassiker wie der Diedamskopf und der Widderstein sowie auch die höchste Erhebung der Region, die Braunarlspitze mit ihren 2649 Metern. Der berühmteste, markanteste und auch unheimlichste Berg der Talschaft, der buchstäblich seinen Schatten auf den Bregenzerwald wirft, ist jedoch die Kanisfluh (2044 m), eine enorme Bergwand.
Krumbach mit seiner typischen Wälderkirche
Allzu sehr verwirren lassen sollte man sich von dieser Einteilung für Experten jedoch nicht – wer durch den Wald reist, wird die Bergwelt auch einfach so genießen können und froh sein, dass er an einem Tag mal eher auf Hügeln, an einem anderen Tag auch mal steil auf eine Bergspitze wandern kann. Flach geht es allerdings nie zu, kein Wunder bei Höhenunterschieden von knapp über 400 Metern auf Bodenseeniveau bis hinauf auf 2650 Meter.
Leben im Bregenzerwald
Besiedelt wurde der Bregenzerwald erst nach dem Jahr 1000, vereinzelt aber mag der eine oder andere auch schon früher dort gelebt haben, denn bereits die Römer liebten die Region als Jagdgebiet, wie auch viele spätere Herrschaften. Es waren die lokalen Größen, die anfangs den Wald unter sich aufteilten: die Bregenzer Herzöge, das Kloster Mehrerau, schließlich die Habsburger. Die einzelnen Dörfer wurden nach und nach gegründet, aber man blieb quasi unter sich. Die Oberherrschaft der abgelegenen Region blieb lose, im Hinteren Wald bildete sich die sogenannte »Wälderrepublik« heraus, eine Art demokratisch halbautonome Versammlung der Einwohner, nachgewiesen seit 1522 und aufgelöst erst zu Zeiten der kurzen bayerischen Besatzung (s. Tour 18). Für das Grundverständnis der Wälder ist diese Selbstständigkeit noch immer – zu Recht – bedeutsam. Es waren übrigens gerade die Frauen, die in mehreren Aufständen jegliche Versuche der Unterwerfung durch Fremdmächte meist erfolgreich abwehrten. Heute ist man Fremden gegenüber natürlich sehr aufgeschlossen; auch wenn das Wälderbähnle nur noch sehr verkürzt verkehrt – aber durch ein hervorragendes Busnetz ersetzt wurde –, ist der Tourismus naturgemäß eine der wichtigsten Einnahmequellen.
Neugierig sind nicht nur diese Ponys in Stollen, …
… sondern