Ein subjektiver Bedarf bei älteren Menschen umfasst alle Teilhabeformen, die einen positiven Nutzen zur Alltags- und Freizeitgestaltung beitragen können, um ein lebensnotwendiges Bedürfnis zu stillen (vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2001). Damit stellt ein Bedarf auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten ab, die die Befriedigung eines Bedürfnisses verwirklichen können. Der Begriff des Bedarfs lässt sich mit den Schritten der Erhebung und der Realisierung von Teilhabe umschreiben. Der pflegerische Auftrag im Bereich der Teilhabe umfasst in der Regel die Erhebung eines Bedarfs, denn die Realisierung der Teilhabe findet meist im Anschluss an die Bewältigung von gesundheitlicher Einschränkung oder von Pflegebedürftigkeit statt und obliegt meist den Angehörigen der privaten und informellen Netzwerken der älteren Menschen. Pflegerische Anforderungen beziehen sich auf die Vorbereitung älterer Menschen auf die eigenständige oder assistierte Form von Teilhabe, um sie an die Beteiligten der informellen Netzwerke zu übertragen.
Die unterschiedlichen Teilhabebedürfnisse wie die soziale, ökonomische, politische und kulturelle Teilhabe bringen zum Ausdruck, dass ältere Menschen mitmachen, mitgestalten, eben »mitmischen« möchten. Diese Bedürfnisse können evtl. aufgrund gesundheitsbedingter Einschränkungen nicht befriedigt werden. Dennoch bleiben sie bestehen und bilden einen Aspekt von »gutem Leben«, wenn sie trotzdem angegangen werden können. Dieses drückt sich in der Möglichkeit aus, sich mit Gleichgesinnten zu treffen, um sich auszutauschen, finanzielle Mittel zu besitzen, um sich im öffentlichen Raum zu bewegen oder für pflegerische Unterstützung zu zahlen, politisches Engagement zu betreiben und um Kultur- und Sportveranstaltungen zu besuchen.
Tab. 1: Übersicht über individuelle Bedürfnisse und subjektive Bedarfe bei der Teilhabe älterer Menschen
Bedürfnisse älterer Menschen bei TeilhabeSubjektiver Bedarf älterer Menschen bei Teilhabe und positiver Nutzen
Bei der Zuordnung der Teilhabeformen und ihres Nutzens für das Leben zeigt sich, dass die soziale und ökonomische Teilhabe am ehesten den Charakter lebensnotwendiger Aktivitäten haben. Ohne soziale und ökonomische Teilhabe kann die Lebens- und Alltagsgestaltung kaum gelingen. Die politische und kulturelle Teilhabe dagegen können die Lebens- und Alltagsgestaltung bereichern und identitätsstiftend wirken. Kann diese Bereicherung nicht mehr initiiert werden, weil z. B. der ältere Mensch seine Wohnung nicht verlassen kann, kann der Alltag dennoch gestaltet werden, auch wenn wichtige Impulse aus Kultur und Politik fehlen. Eine fehlende kulturelle und politische Teilhabe kann von den älteren Menschen am ehesten über Medien wie das Fernsehen oder das Internet kompensiert werden. Dies ist kein Ersatz für eine soziale Interaktion, kann aber als eine passive Möglichkeit der Information und Auseinandersetzung mit Politik und Kultur gelten.
Der Auftrag an die Pflegenden lautet nun, sich mit den älteren Menschen über ihre Teilhabebedürfnisse zu verständigen, um den entsprechenden Bedarf in Form pflegerischer Unterstützung anzubieten und somit den individuellen Teilhabebedarf zu initiieren und ggf. zu decken. Dabei können Pflegende auf die Unterstützung anderer Berufsgruppen zurückgreifen, wenn spezielles Wissen, wie z. B. die Realisierung sozialrechtlicher Ansprüche, nötig ist.
Auch wenn die Pflegenden in der Regel nicht die Maßnahmen zur Teilhabe selbst ausführen, sondern eher parallel zur Genesung von gesundheitlichen Einschränkungen einen Teilhabebedarf erheben, sind sie gehalten, dies systematisch zu tun. Vor der Ermittlung des Teilhabebedarfs werden die Teilhabebedürfnisse ermittelt. Dieses Ermitteln kann als ein pflegediagnostischer Prozess und Festlegung von pflegerischen Interventionen verstanden werden.
Dieser pflegediagnostische Prozess kann in einzelne Schritte unterteilt werden:
Abb. 1: Schritte des pflegediagnostischen Prozesses
Im ersten Schritt ermitteln die Pflegenden zusammen mit den älteren Menschen ihr Teilhabebedürfnis, um zu verstehen, wo ein empfundener Mangel besteht. Dieser Mangel soll behoben werden, indem die Ursache für den Mangel, d. h. der Teilhabebedarf, ermittelt wird. Die Ursache für einen Teilhabebedarf gibt wichtige Hinweise, welche Teilhabeform betroffen sein könnte. Das Vorhandensein von Ressourcen kann dabei helfen, die verlorengegangene Teilhabe wiederherzustellen, und ist ein wichtiger Bestandteil zu ihrer Wiedererlangung. Diese vorhandenen Ressourcen zeigen sich meistens in Alltagssituationen und sind deshalb im pflegerischen Kontext gut zu ermitteln. Im letzten Schritt erfolgt die Erhebung des Umfangs und der Art des Teilhabebedarfs, um die entsprechenden Angebote zu unterbreiten.
Für die Realisierung der Teilhabeformen ist das Einverständnis der älteren Menschen erforderlich, aus diesem Grund ist die Gestaltung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung von Vorteil. Interventionen zur Förderung z. B. der ökonomischen Teilhabe bedürfen der Zustimmung der älteren Menschen. Angebote zur sozialen oder kulturellen Teilhabe dagegen können auch von den älteren Menschen abgelehnt werden, ohne dass dies zu existenziellen Risiken führen müsste.
1.1 Die integrierte Teilhabeplanung für ältere Menschen
Bei der integrierten Teilhabeplanung handelt es sich um ein Planungs- und Steuerungsinstrument aus dem Bundesteilhabegesetz. Es ist kein rein pflegerisches, sondern ein berufsgruppenübergreifendes und trägerübergreifendes Instrument der Eingliederungshilfe. Das schrittweise Erstellen und die Organisation als Regelkreis erinnern an die Pflegeprozessplanung.
Es soll als Instrument in diesen Band aufgenommen werden, da es durchaus möglich sein kann, dass ältere pflegebedürftige Menschen an ihrer Teilhabeplanung beteiligt sind, über einen Plan mit zahlreichen wertvollen Hinweisen zu ihrer derzeitigen und geplanten Teilhabe verfügen oder Termine zur Teilhabeplanung bei der Kommune oder dem Bezirk/Stadtteil wahrnehmen sollen.
Die integrierte Teilhabeplanung kann mithilfe pflegerischen Wissens zu den Teilhabebedarfen und -bedürfnissen ergänzt werden. Dieses bildet den Ausgangspunkt für die Gestaltung von Teilhabe in dem Sozialraum, in dem der ältere Mensch lebt oder z. B. nach einem Krankenhausaufenthalt wieder leben wird. Unter Sozialraum wird in diesem Zusammenhang sein näheres Lebensumfeld verstanden, in dem seine Wohnung liegt. Darunter können auch pflegebedürftige Personen verstanden werden, die in einer stationären Pflegeeinrichtung oder einer anderen Institution leben, z. B. in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz.
Gerade für Menschen mit Demenz existieren in der Zwischenzeit zahlreiche Angebote, die sich hinter dem Label einer »demenzfreundlichen Kommune« oder »demenzfreundlichen Stadt« verbergen. Vorkehrungen einer Kommune