»Ach wat, interessante Leute. Die haben wir hier auch«, fällt Betti ihr ins Wort, »wenn du irgendwo Chancen hast, dann hier.« Renate hält dagegen. Sie reden über die Landwirtschaft, über einen Hof, der kürzlich aufgegeben hat und über die Arbeitslosenzahlen.
»Ihr bedient euch doch.« Tante Gretchen unterbricht das Gespräch, äußert Sorge, dass ich nicht genug essen könnte und lädt mir fraglos ein Stück Apfelkuchen auf den Teller. Ich muss den Apfelkuchen loben, aber Tante Gretchen wehrt ab: »Der ist mir ein bisschen zusammengefallen. Ich hab ihn im neuen Ofen gebacken und dat muss man erstmal raushaben.« Beim Thema Backofen können alle mitreden. Es geht um Gradzahlen, Oberhitzen und Unterhitzen, bis Betti sich zu mir herüberbeugt und mich, während sie kaut, fest ins Visier nimmt: »Und? Haste deinen Bertram endlich gefunden?« Ich weiß nicht, was ich sagen soll, greife nach meiner Tasse. Betti macht weiter, immer noch kauend und schmatzend, das es kaum zu verstehen ist: »Der hat doch glatt gemeint, dat er die Welt retten könnt. Und jetzt hat er einfach alles stehn und liegen lassen! Und kein Mensch weiß, wo er ist.« Mit spöttischem Blick sieht sie zuerst auf mich, dann in die Runde, auf Zustimmung hoffend, und lacht. Diesmal rettet mich Onkel Hein. Er legt mir seine breite, warme Hand auf die Schulter. »Über Bertram wird heut net gesprochen. Erzähl uns lieber, wat du so machst. Schreibst du noch für die Zeitung?« Aber Betti hat immer noch nicht genug. »Und ich sag dir, den Bertram, den kannste total vergessen.« Ich richte mich auf, schiebe mir den letzten Bissen Apfelkuchen in den Mund und sage, während ich weiterkaue: »Ich vergess ihn aber nicht.«
Ich weiß noch, wie ich mit Bertram in einem Weidenbaum an der Kyll herumkletterte. Es war später Frühling und wir kletterten so hoch wir konnten, was nicht besonders hoch war, weil die Weide sich dem Wasser zuneigte und wir aufpassen mussten, von den biegsamen Ästen nicht abzurutschen. Das Licht sickerte warm durch die winkenden Blätter mit den zu flaumigen Kätzchen versammelten Blüten. Manche waren dick und eiförmig, andere eher oval und grünlich gefärbt. Die Zweige flirrten zwischen hellem und dunklerem Grün; Blätter schimmerten. Wind kam auf, was sich unter dem Blätterdach wie ein leichter Regen anhörte. Ein Eichhörnchen huschte über uns hinweg. Es hatte an den Blüten geknabbert und ließ durch seine Bewegungen ein rötlichgelbes Pulver zu Boden rieseln. Es flitzte hinüber auf einen anderen Baum, von dort zum nächsten, ohne dass es mit seinen geschickten Pfoten den Boden berührte. Käfer tummelten sich am Stamm der Weide. Bienen und Hummeln waren unterwegs, lutschten Saft aus den Blüten. Eine pollenbeladene Biene näherte sich und schwenkte ab. Ein Schwarm Mücken hing über uns und tanzte so nah heran, dass es mir in der Nase kitzelte. Wolken von Sporen. Unter der Rinde lebten Würmer, Larven, Läuse, Flöhe. Spinnengewebe verklebte mein Haar.
Ein Star landete auf einem Ast und schwang sich, als er uns gewahrte, erschreckt wieder auf. Ein grünglänzender Käfer duckte sich unter einer Rinde. Ein Kleid in dieser Farbe müsste man haben.
Schon die Krabbeltiere eines Astes waren zahlenmäßig nicht zu schätzen, und ich dachte, dass nur dieser eine Baum schon sehr viel mehr Einwohner haben musste als unser Dorf und der nahe Flecken zusammen.
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