Beschreibung der Welt. Марко Поло. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Марко Поло
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783843806794
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sich an derselben Stelle befindet, an der vor vielen Jahren das Haus von Marco Polo stand!«

      Und weil uns in der Suggestivität dieses Stils bis auf wenige Ausnahmen keine Erlebnisse, sondern ausnahmslos Erkenntnisse mitgeteilt werden – wie eine Örtlichkeit heißt, welche Menschen dort wohnen, was für Sitten sie haben und welche Denkwürdigkeiten sich mit dem Platz verbinden –, ist unsere Phantasie ständig in Bewegung: Was muss das rings um Japan für ein eindrucksvolles Meer sein, in dem »siebentausendvierhundertundvierzig Inseln« liegen! Und welch ein Reichtum muss daselbst herrschen, wo es unmöglich ist, »den Wert des Goldes und anderer Dinge, die auf den Inseln gefunden werden, zu schätzen«!

      Kolumbus – oder Cristoforo Colombo aus Genua – sollte der Magie der Beschreibung der Welt eines Tages erliegen. »Aurum in copia maxima« hat er in sein 1485 gedrucktes lateinisches Exemplar neben die Zeile geschrieben, in der es heißt: »Ibi est aurum in copia maxima« … »Dort ist Gold im größten Überfluss.«5 Auf diese Randbemerkung muss man sein Augenmerk richten, um im Spektrum der Spekulationen über Kolumbus’ Beweggrund zu seiner Reise nach »Indien« den wahren Antrieb erkennen zu können. Es war nicht bloß so dahergesagt, was er seinen Leuten in Aussicht gestellt und am 10. September 1492 in das Bordbuch eingetragen hatte: »Heute ließ ich die Mannschaft zusammenrufen und sprach von den Ländern, die auf uns warten. Ich schilderte sie, wie ich sie aus dem Bericht Marco Polos kenne. Als ich die Reichtümer erwähnte, das Gold und die Edelsteine, mit welchen sich ein jeder die Taschen würde vollstopfen können, hellten sich die Mienen doch ein wenig auf.« … »Aurum in copia maxima.« Die sich nicht erfüllende Verheißung war Marco Polos Rache für die Haft in Genua.

      I viaggi di Marco Polo …: quasi una fantasia?

      Alles um sie ist dubios. Doch deshalb Hokuspokus? Einem ›Marco Polo‹ angedichtet? Aus Aufgeschnapptem, Ausgedachtem? Beleg für einen Reisetraum, nicht für eine Traumreise?

      Dietmar Henze, der die Beschreibung der Welt mit einer Sorgfalt sondergleichen in Beziehung gesetzt hat zu den darin aufgeführten geographischen Realien, fällte über Marco Polo das Urteil: »Seine ganze lange vorgegebene Reise indes – und das zu klären, war hier erste Aufgabe – ist ein blankes Fabelstück, um es deutlicher zu sagen: der kolossalste Schwindel der globalen Entdeckungsgeschichte.«

      Hie Henze, da Kolumbus. Dort ein Leser, der sich auf den Text eingelassen hat. Hier ein Tüftler, der das Buch als arglistige Täuschung verteufelt. Es ist die Spannweite dieser Beurteilungsmöglichkeit, von der die Faszination der Beschreibung der Welt ausgeht.

      Eindeutigkeit gibt es nicht. Oder doch?

      Als Miguel de Cervantes Saavedra im ersten Teil seines Don Quixote (1605) auf allerlei Räuberpistolen zu sprechen kam – genau in dieser Passage erscheint im Übrigen der Name Marco Polos – sah er Verdammnisse wie die Henze’sche voraus. Darum ließ er einen Domherrn der ausschweifenden Vor- und Darstellungskraft Absolution erteilen mit dem Argument, »dass die Lüge umso besser ist, je mehr sie wahr scheint, und umso mehr gefällt, je mehr sie Wahrscheinlichkeit und Mögliches enthält. Die Dichtung muss sich mit dem Geiste des Lesers vermählen; das heißt, man muss das Erdichtete so gestalten, dass es das Unmögliche begreiflich macht, das allzu Hohe ebnet, die Geister in Spannung versetzt und uns mithin in solchem Grade Verwunderung und Staunen abnötigt, uns aufregt und unterhält, dass Verwunderung und frohe Stimmung stets gleichen Schritt halten.« Punktum!

      Was immer die Beschreibung der Welt ist, Dichtung oder Sachbuch: Sie versetzt uns beim Lesen oder Zuhören in »Verwunderung und frohe Stimmung«. Und macht uns reiselustig …

       Detlef Brennecke

      ____________

      1Der Auslaut ist wie »-ei« zu sprechen und der Name nicht etwa mit dem der Halbinsel Sinai zu verwechseln!

      2Um den Gang der Handlung im Folgenden nachvollziehbar zu machen, werden im Vorwort zuerst die heute gebräuchlichen Länder- und Ortsnamen genannt und danach, gegebenenfalls, die in unserem Band verwendeten alten oder verballhornten Namen in einer Klammer hinzugesetzt. Im Text Marco Polos wurden hingegen die ursprünglichen Ortsnamen beibehalten – vgl. dazu das Ortsverzeichnis ab S. 317.

      3Das ist nachzulesen bei Sven Hedin: Durch Asiens Wüsten. Drei Jahre auf neuen Wegen zwischen Pamir, Tibet und China 1893–1895, Edition Erdmann in der marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012 (S. 236 f).

      4In der vorliegenden Ausgabe nicht enthalten (vgl. dazu den Hinweis in der Editorischen Notiz am Ende des Bandes).

      5Die Stelle steht in unserem Band auf S. 297 und lautet dort »Sie haben Gold im größten Überfluss.«

      PROLOG

      Ihr Kaiser, Könige, Herzöge, Fürsten, Grafen und Ritter und alle anderen, die ihr den Wunsch habt, Kunde zu erlangen von den mannigfachen Rassen des Menschengeschlechts und den verschiedenen Königreichen, Provinzen und Ländern in den östlichen Teilen der Welt – lest dieses Buch und ihr werdet darin die wunderbarsten und merkwürdigsten Beschreibungen der Völker, besonders in Armenien, Persien und im Land der Tataren finden, wie sie in dem vorliegenden Werk von Marco Polo niedergelegt worden sind, einem weisen und gelehrten Bürger der Stadt Venedig, der einen scharfen Unterschied macht zwischen dem, was er mit eigenen Augen sah, und dem, was ihm andere mitgeteilt haben. Denn dieses Buch soll nur wahre und zuverlässige Angaben enthalten. Man muss auch wissen, dass seit der Erschaffung Adams bis auf den heutigen Tag kein Mensch, mag er nun Heide, Sarazene oder Christ sein oder einem anderen Stamme und Geschlechte angehören, jemals so viele und so große Dinge gesehen hat wie der oben erwähnte Marco Polo. Da dieser den Wunsch hatte, alle Dinge, die er sah und hörte, zu veröffentlichen zu Nutz und Frommen aller Menschen, die sie nicht mit eigenen Augen sehen konnten, so ließ er im Jahre 1298 unseres Herrn im Gefängnis zu Genua alles, was in dem vorliegenden Werk enthalten ist, von dem Herrn Rustigielo, einem Bürger der Stadt Pisa, der in Genua in demselben Gefängnis weilte, niederschreiben.

      ERSTES BUCH

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       Balduin II., Kaiser von Konstantinopel

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