Digitales Lernen?. Tom Freudenthal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tom Freudenthal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783948642181
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der Welt nützen uns nichts, wenn wir sie nicht in Wissen verwandeln, und Wissen nützt uns nichts, wenn wir es nicht auch anwenden. Das wusste schon der britische Philosoph Herbert Spencer (1820–1903), als er vor über 100 Jahren sagte: „Das große Ziel von Bildung ist nicht Wissen, sondern Handeln.“

      Wozu wenden wir Wissen an? Beispielsweise, um Veränderungen oder Verbesserungen herbeizuführen oder um eine neue Tätigkeit anzugehen, eine neue Erfahrung zu machen. Wir können also durch angewandtes Wissen unser Leben nicht nur geistig, sondern auch in viel größerer Hinsicht bereichern.

      Wenn wir Wissen anwenden wollen, müssen wir zunächst Informationen so aufgenommen haben, dass wir sie gut abspeichern, sie also so verstanden haben, dass sie schließlich durch die richtige Verarbeitung zu Wissen werden, das wir später auch aktiv anwenden können.

      Die erste Voraussetzung ist also die Fähigkeit, aus Gelesenem/Gehörtem/Gesehenem eigenes Wissen aufzubauen.

      Und hier kommt ein Problem: Die Orte, an denen wir organisiert lernen, sind zum Beispiel Schule und Universität, also klassische Bildungseinrichtungen. Wie viel weißt du noch von dem, was du in der Schule gelernt hast? Hand aufs Herz … nicht mehr so viel wahrscheinlich. Viele Kinder wissen zur Mitte des Schuljahres schon oft nicht mehr, was sie zu Beginn gelernt hatten. Die Schüler:innen lernen oft so, dass sie das Wissen zum Prüfungstermin abrufen können – und danach wieder vergessen. Warum das so ist, warum „Pauken“ keine nachhaltige Lernmethode ist, mit dieser Frage haben sich Hirnforscher in den letzten Jahren und Jahrzehnten beschäftigt … und eine Antwort gefunden!

      Wie das Internet ist auch unser Gehirn ein unfassbares Netzwerk. Rund 86 Milliarden Nervenzellen arbeiten da oben – gerade jetzt, da du dies hier liest, ist eine ganze Menge los zwischen deinen Ohren. Wir wissen heute mehr über die bestimmenden Prozesse, die im Gehirn beim Lernen ablaufen als beispielsweise noch vor zehn oder zwanzig Jahren – und wir können daraus Ideen für das Lernen ableiten. Wenn wir wollen, ganz konkret zum Beispiel für die Praxis der innerbetrieblichen Weiterbildung – ob online, blended oder offline.

      Du wirst überrascht sein, welche Lösungen zum zeitgemäßen Lernen ich dir hier vorstelle. Und ich wette darauf, dass du gelegentlich bei verschiedenen Lerntechniken oder Methoden manchmal denken wirst: „Aber? Das geht doch gar nicht!“. Das ist eine normale Reaktion auf ungewohnte Erkenntnisse und Ideen. Und auch daran sehen wir, wie wichtig es ist, unser Wissen auch anzuwenden: Erst wenn du die neuen Erkenntnisse umgesetzt, also die theoretischen Ideen selbst praktisch angewendet hast, kannst du wirklich erkennen, dass die Lösungen funktionieren. Du musst also die entsprechenden Erfahrungen machen, sie sind eine der unabdingbaren Voraussetzungen fürs nachhaltige Lernen. Zusammengefasst: Wenn du’s nicht ausprobierst, kannst du nicht wirklich wissen, ob sie funktionieren

      Funktionieren diese Lösungen auch digital? Vielleicht sogar besser als analog? Was ist eigentlich dran am Thema „digitales Lernen“? In Deutschland wird das Thema, spätestens seit Corona, unglaublich gepusht. Schulen und Universitäten sollen digitaler werden, der Unterricht findet oft per Videokonferenz statt – und auch Lern-Apps und entsprechende Games stehen im Mittelpunkt der Diskussionen.

      Dank Internet und digitaler Informationen haben wir alle Zugriff auf irrsinnig viele Informationen, in unterschiedlichen Formen und Medien, und zwar 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. So viel Information gab es noch nie. Denn so gut vernetzt waren wir noch nie.

      Und nach dem Motto „Höher, schneller, weiter“ wollen wir diese Informationsflut wie auch die digitalen Möglichkeiten natürlich auch für uns optimal nutzen – um noch mehr zu lernen und noch besser zu lernen.

      Gleich zu Beginn eine gute und eine schlechte Nachricht: Unser Gehirn bleibt immer offline. Unser Gehirn ist, das ist nichts Neues für dich, organisch, arbeitet biochemisch – und auf absehbare Zeit bleibt das auch so. Der Begriff „digitales Lernen“ ist also genau betrachtet recht unscharf: Lernen müssen wir immer noch mit dem eigenen Gehirn, ob uns das gefällt oder nicht. Trotzdem ahnen wir alle, was mit dem Begriff „digitales Lernen“ wohl gemeint ist: Statt aus Büchern zu lernen, können wir heute digitale Angebote wahrnehmen, wie etwa Apps, in denen wir per Multiple Choice Vokabeln lernen können. Oder einen sechswöchigen Videokurs belegen und anschließend online die Abschlussprüfung machen und das Zertifikat erhalten.

      Im ersten Beispiel, der Vokabel-App, finden die Informationsaufnahme und der Lernprozess komplett am Bildschirm statt. Im zweiten Fall, beim Videokurs, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir uns nebenbei noch Notizen machen werden und die Inhalte solide verarbeiten müssen. Das geht tatsächlich nach wie vor offline mit Hand, Stift und Papier am besten.

      Vieles aus unserer analogen Welt bleibt auch im digitalen Zeitalter wichtig: Menschen lernen am besten von anderen Menschen, am besten im direkten Kontakt. Um etwas geistig zu begreifen, hilft es, wenn unsere Hände ebenfalls „begreifen“ können – ein haptischer Reiz fördert das Denken (weshalb viele Menschen beim Denken unbewusst einen Gegenstand in der Hand drehen). Handschriftliche Notizen, ob bildlich oder als Text, helfen ebenfalls, Informationen besser abzuspeichern. Generell wissen wir heute: Lernen funktioniert immer dann am besten, wenn wir bei der Informationsaufnahme und -verarbeitung so viele unterschiedliche Methoden oder Herangehensweisen wie möglich nutzen. Manche davon werden online stattfinden, die meisten aber nach wie vor analog und offline: denken, sprechen, verstehen, reden, schreiben, zeichnen, lehren … Reines „Online-Lernen“ wird schon deshalb selten optimal funktionieren, weil es per se nur einen Bruchteil der möglichen Lernwege und -techniken bedienen kann.

      Werfen wir mal einen Blick ins Silicon Valley. Hier werden die neuesten Smartphones, Tablets und Apps entwickelt – all das, was wir und unsere Kinder konsumieren. Wie halten es denn die Hightech-Giganten mit ihren Kindern? Tatsächlich haben Eltern im Silicon Valley in den vergangenen Jahren Schulen gegründet, an denen digitale Medien praktisch verboten sind. Eltern aus der Elite der Hightech-Szene! Smartphones und Co. für die eigenen Kinder? Da sagen die Hightech-Eltern ganz klar Nein – und geben den Kindern strikte Regeln zum Umgang mit den neuen Medien vor. Sie wissen, dass ihre Kinder besser und nachhaltiger lernen, wenn sie offline spielen und sich selbst etwas ausdenken und kreativ werden.

      Aber gilt das auch für dich als Erwachsene:r?

      In jedem Fall: Verbinde einfach die Vorteile des digitalen Lernens mit denen des analogen Lernens. Endlich kannst du die Spezialinformationen zu deinem Spezialthema finden, weil ein Professor in Alabama dazu eine Vorlesung online gestellt hat. Natürlich greifst du darauf zu! Eines deiner großen Business-Vorbilder bietet einen Online-Kurs an – die beste Gelegenheit, von ihm zu lernen. Natürlich buchst du diesen Kurs. Offline könntest du ihn dir niemals leisten.

      Digitales Lernen für Erwachsene? Ich sage ganz klar Ja. Nutze die Vorteile der digitalen Welt unbedingt für dein Lernen. Darum zeige ich dir in diesem Buch ein Praxiskonzept, das die entscheidenden Techniken und Tools zu einem Lernsystem verbindet, mit denen du die Vorteile der digitalen und der analogen Welt miteinander kombinierst.

      Das Beste beider Möglichkeiten zu vereinen, heißt, die Informationsfülle zu nutzen und sie für das Gehirn verdaubar zu machen, um sie dann in Form von Wissen anwenden zu können.

      Das Internet wird also meist zum Startpunkt des Lernvorgangs: Hier informieren wir uns, denken gemeinsam mit anderen über Themen nach, entwickeln Gedanken weiter, tauschen uns aus. Hier bekommen wir einen Überblick darüber, womit wir uns genau beschäftigen möchten.

      Aber anschließend müssen wir das Gehirn so aktivieren, dass es das Gelernte auch ohne Internetverbindung behält – du willst doch denken statt googeln, oder?

      Allerdings gibt es auch Ausnahmen von der Regel.

      In seltenen Fällen kann man Lernprozesse durchaus positiv mit Software beeinflussen. Wir von „Centered Learning“ haben zum Beispiel zwei Softwarepakete entwickelt, die genau das können.

      Da ist einmal das „Lernbook“, mit dem man wunderbar Vokabeln mit dem Fokus auf Rechtschreibung lernen kann. Aber Achtung – zwar ist das ein wichtiger Teil des Fremdsprachenlernens, entweder für die Schulprüfungen oder im beruflichen Kontext.

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