Ulrich Seeberg hatte davon gehört. Er nickte ernst. „Das waren Stümper. Das hätte nicht passieren dürfen.“
Ute Morell brachte zwei Tassen Kaffee und ging wieder hinaus.
„Ich werde auch weiterhin meine Patienten nur in die Seeberg-Klinik schicken“, sagte der Grünwalder Arzt.
„Und wir werden weiterhin bestrebt sein, uns deines Vertrauens würdig zu erweisen“, gab Ulrich Seeberg lächelnd zurück.
„Und wie geht’s zu Hause?“, erkundigte sich Sven. „Alles in bester Ordnung?“
„Wie man’s nimmt.“
„Was gibt es für Probleme?“, hakte Sven sofort nach.
„Ruth will mal wieder die ganze Wohnung umkrempeln.“ Es klang nicht eben begeistert.
„Lass sie doch“, sagte Sven und süßte seinen Kaffee.
„Sie hat hin und wieder solche Anwandlungen“, seufzte Ulrich Seeberg. „Dann muss der Schrank von da nach dort, das Sofa von dort nach da, Anrichte, Hausbar, HiFi-Turm ... alles bekommt einen neuen Platz zugewiesen, so dass man sich in seinen eigenen vier Wänden nicht mehr zurechtfindet, von Wohlfühlen ganz zu schweigen, und wenn die Familie dann lautstark und einmütig Beschwerde einlegt, wird – natürlich unter Protest – der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt.“
„Darf ich einen Vorschlag machen?“
„Nur, wenn er gut ist.“
Sven nahm einen Schluck vom Kaffee. „Wie wäre es, wenn wir kommenden Samstag ins Theater und anschließend essen gingen? Du, Ruth, Solveig und ich. Bei der Gelegenheit könnte ich versuchen, deiner lieben Frau die Absicht, eure Wohnung auf den Kopf zu stellen, auszureden.“
„Mach das mal. Aber erwecke um Himmels Willen nicht den Eindruck, ich hätte dich darum gebeten, sonst hängt bei uns der Haussegen schief.“
„Ich werde die Sache ganz diplomatisch anpacken“, versprach Sven Kayser, doch er sah an der Miene des Freundes, dass dieser erhebliche Bedenken hatte, ob ihm das auch gelingen würde.
4
Walter Schmidts Heimkehr wurde groß gefeiert. Die Tür seines Zimmers war mit Blumen geschmückt. Überall hingen Papierschlangen, Lampions und Girlanden. Die überschwängliche Dekoration war so richtig schön kitschig. Auf Transparenten stand: Willkommen daheim!“ „Wir lieben Dich, Walter!“ „Ein dreifach Hoch dem Wiedergenesenen!“
Man feierte mit Sekt aus dem Supermarkt, und obwohl Walter eigentlich nicht vorgehabt hatte, mitzutrinken, war er zwei Stunden später so blau, dass seine Freunde ihn zu Bett bringen mussten.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, lag Saskia Fröhlich neben ihm. Saskia war eigentlich Oliver Hellnweins Freundin; jedenfalls war sie die meiste Zeit mit ihm zusammen.
Man konnte aber auch sagen, dass sie jedermanns Freundin war, und der großzügige Oliver hatte absolut nichts dagegen einzuwenden.
Wenn Saskia ihre Freiheit brauchte, sollte sie sie haben. Es wäre Oliver niemals in den Sinn gekommen, sie in irgendeiner Weise mit Vorschriften, Grundsätzen oder Richtlinien, die das Zusammenleben mit ihm betrafen, einzuschränken. Die gleichen Rechte beanspruchte er aber auch für sich. Wenn ihm mal nach einer anderen Frau war, brachte er sie einfach mit, und Saskia musste vorübergehend Platz machen.
Es war eine sehr einfache, sehr lockere Beziehung, die die beiden unterhielten, doch in der Wohngemeinschaft stieß sich niemand daran.
Wenn Saskia und Oliver so leben wollten, war das in Ordnung. Die beiden waren das friedfertigste Paar in dieser Wohnung. Sie hatten niemals Streit, konnten sich gut anpassen und in die Gemeinschaft einfügen, leisteten pünktlich ihre finanziellen Beiträge und machten ihren Freunden ab und zu großzügige Geschenke.
Als Walter Schmidt die Augen aufschlug, lächelte Saskia ihn an. Sie war rothaarig, und ihr niedliches Gesicht war von Sommersprossen übersät.
„Hallo“, sagte sie freundlich. „Wie geht’s?“
„Das tut man nicht“, brummelte er.
„Was tut man nicht?“, wollte sie wissen.
„Man beobachtet einen Menschen nicht, wenn er schläft.“
„Und wieso nicht?“, fragte Saskia amüsiert.
„Weil das unfair ist“, antwortete Walter.
,,Wieso ist das unfair? “
„Weil ein Schlafender sich nicht wehren kann.“
Saskia kicherte. „Warum willst du dich wehren, wenn ich dich ansehe?“
Er gähnte und rieb sich die Nase. „Hast du die ganze Nacht neben mir geschlafen?“
Sie nickte. „Ja.“
Seine Miene verdüsterte sich. „Ich bin ein Idiot.“
„Wieso?“, fragte Saskia.
„Ich wollte mich nicht besaufen.“
Saskia strich sich eine Strähne ihres schulterlangen roten Haares aus dem Gesicht. „Das tut man nicht immer mit Vorsatz. Das passiert hin und wieder mal. Ich finde das nicht so schlimm.“
„Du hattest ja auch noch nie ein Magengeschwür“, entgegnete Walter.
„Zum Glück nicht.“
Er sah sie unsicher an. „Haben wir ...“
Sie schmunzelte. „Haben wir ... was?“
„Du weißt schon.“ Er wollte es nicht so offen aussprechen.
Sie hatte ihn natürlich schon längst verstanden. „Nein, wir haben nicht“, antwortete sie belustigt. „Ich habe mich nur zu dir gelegt, für den Fall, dass du was brauchst.“
„Bist ein echter Kumpel, Saskia. Danke.“
Ihre Hand glitt zu ihm herüber. „Wir könnten aber jetzt, wenn du dich dafür wieder in Form fühlst ...“
Er fand ihr Angebot so verlockend, dass er es grinsend annahm.
5
Petra Praetorius gehörte seit langem zu Dr. Sven Kaysers Patientinnen. Die attraktive junge Frau kam regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen, weil sie fand, dass man nicht einfach sorglos