Es gibt niemanden, der nie Angst hat.
Kennen Sie solche Momente? Nein? Okay, Sie hatten also noch nie Geldsorgen, Angst davor, den Job zu verlieren, alleine zu sein, Verlustängste, Angst vor Krankheit, Tod, der Zukunft oder dem Scheitern? Dann möchten wir Ihnen ganz herzlich gratulieren. Sie haben einen Sechser im Lotto oder Sie sind besonders gut darin, sich selbst zu verarschen. Sie haben richtig gelesen. Wir sind davon überzeugt, dass jeder, der sich dieses Buch auch nur ansieht, an der einen oder anderen Stelle sagt: »Kenn ich!« Also lassen Sie sich bitte darauf ein und lassen Sie die sogenannte Schwäche »Angst« zu. Vielleicht können wir Sie ein wenig inspirieren oder Ihnen sogar dabei helfen, die eine oder andere Furcht abzulegen.
KURZ GEFASST: JEDER HAT ANGST
Jeder hat vor irgendetwas Angst – und das ist kein Grund, sich schwach oder hilflos zu fühlen.
Was ist Angst eigentlich?
Wissenschaftlich gesehen ist Angst eine Kettenreaktion im Gehirn, die durch einen Stressimpuls ausgelöst wird. Der führt zur Ausschüttung von chemischen Stoffen, die unter anderem dafür sorgen, dass unser Herz zu rasen beginnt, unser Atem schneller wird und sich unsere Muskeln mit Energie aufladen. Das nennt man die Fight-or-Flight-Reaktion: In kürzester Zeit entscheiden wir, ob wir gegen einen Gegner kämpfen oder doch lieber weglaufen wollen. Diese Angstreaktion geschieht automatisch und ohne dass wir sie bewusst herbeiführen müssen. Sie ist ein Instinkt, dem wir bereits als Urzeitmenschen folgten und der bis heute in uns steckt.
KURZ GEFASST: WAS IST ANGST EIGENTLICH?
Wenn wir Angst haben, reagiert der Körper instinktiv. In Sekundenschnelle entscheidet er, ob wir angreifen oder doch lieber weglaufen sollen.
Angst ist noch so viel mehr
Wir erleben Angst aber nicht nur als Schutzreflex. Vielmehr treffen wir in so vielen verschiedenen Facetten auf das Phänomen, dass wir auf einige später unbedingt noch gesondert eingehen müssen. Offensichtlich hat sich unser Urinstinkt an die heutige Zeit angepasst und sagt sich: »Ich lebe im Zeitalter der Möglichkeiten. Warum soll ich mich also einschränken? Mir steht die Welt offen!« Genau das ist der Grund, weshalb Angst unter anderem in folgenden Formen im Alltag auftaucht:
Angst zeigt sich als Kaninchen-Feeling
Wie bitte? Kaninchen-Feeling! Das ist das Gefühl, dass Sie beschleicht, wenn bei Ihnen die Panik einsetzt. Es kribbelt von den Pfoten bis in die obersten Enden der Löffel – und Sie verharren stocksteif in der Schockstarre. Es ist ein bisschen so, als ob Sie im Lichtkegel vor einem Auto stehen bleiben, das auf sie zurast und nicht zu bremsen gedenkt. Besser wäre natürlich, schnell in den sicheren Schatten zu hüpfen. Das ist klar. Aber ist Ihnen das schon mal passiert, dass Sie so ein Fellknäuel auf der Straße vor sich im Scheinwerferfokus hatten?
In Hamburg gibt es viele Kaninchen, die sich auch im Stadtgebiet bewegen. Wenn sie nachts auf die Straße hoppeln, sind sie fast sicher dem Tod geweiht. Wir gehören beide zu der Spezies Autofahrer, die bremst, wenn ein Tier auf die Straße läuft. Also haben wir schon einige Zeit hinter Kaninchen im Schneckentempo verbracht und sie selbst mit Hupen und Fluchen nicht in den Schatten bekommen. Wenn sie überhaupt hüpfen, dann meist immer weiter im Hellen! Oft bleiben sie aber einfach wie angewurzelt stehen – deshalb Kaninchen-Feeling!
Angst macht Kopfkino
Getriggert von einem Ereignis oder einer Nachricht, spinnen wir in unserem Kopf einen ganz eigenen Plot darüber zusammen, was jetzt alles passieren kann. Es ist erstaunlich, wie kreativ wir dabei sind:
Zugegeben, wir übertreiben hier ziemlich.
Wer Angst vor Gewittern hat, dem reicht oft schon ein fernes Donnergrollen, um sämtliche elektrischen Geräte vom Strom zu trennen, alle Jalousien zuzuziehen und sich unter der Bettdecke zu verschanzen, wie ein Hund, der panische Angst vor Silvesterböllern hat. Man stelle sich nur vor, der Blitz schlägt tatsächlich in unserem Haus ein. Er fährt durch alle Stromleitungen und zerstört sofort unsere Computerfestplatte, unseren Fernseher und den Kühlschrank noch mit. Weil wir dummerweise gerade am Kommunikationskonzept für einen neuen Kunden gearbeitet haben, sind alle Daten »verschmort«, wir können die Präsentation am nächsten Tag nicht halten, verlieren deshalb unseren Job, können die Miete für die Wohnung nicht mehr bezahlen, enden nach einiger Zeit auf der Straße und landen schließlich mit einer Lungenentzündung im Bahnhofshospiz. Da es leider auch den Kühlschrank und das TV-Gerät erwischt hat, ist innerhalb von zwei Tagen alles Essen verdorben und wir bekommen nicht einmal mehr den Wetterbericht mit, der uns sagt, dass das Gewitter in fünf Kilometern Entfernung an uns vorbeigezogen ist.
Zugegeben, wir übertreiben hier ziemlich. Aber nach diesem Schema funktioniert unser negatives Kopfkino – ganz ohne Happy End.
Angst lässt uns zu Theorieentwicklern werden
Angst lässt uns die Praxis erst gar nicht erleben.
Wir neigen häufig dazu, schon bevor wir einen Schritt gegangen sind, vor lauter Angst, dass es der falsche ist, genau zu überlegen, was alles eintreten könnte, würden wir diesen Schritt denn tatsächlich gehen. So wird aus einer Befürchtung schnell einmal eine handfeste Theorie, die uns die Praxis erst gar nicht erleben lässt. Ein Beispiel:
Wenn ich nach New York reise, fühle ich mich etwas mulmig, weil ich immer wieder an 9/11 denken muss. Falls die Sicherheitsmaßnahmen nicht ausreichen, könnte es passieren, dass wieder ein Selbstmordattentäter ins Flugzeug steigt. Die sollen ja immer wieder auf neue Ideen kommen. Ich bleibe also lieber zu Hause. Das Abenteuer New York werde ich nicht erleben, solange ich schlimme Theorien über das, was alles sein könnte, entwickle. Doch so kann ich die Praxis nicht erfahren. Schade drum!
Angst ist ein Klischeebediener
Wünschen wir uns nicht alle hin und wieder, dass alles genau so bleibt, wie es ist? Dann können wir uns an Regeln und Klischees entlanghangeln, die uns vertraut sind. Klar, dann bewegt sich nichts. Dafür bekommen wir aber viel Bestätigung. Sätze wie »Das habe ich doch gleich gesagt, dass da nichts Gutes bei rumkommen kann!« festigen dieses Leitbild. Menschen, die sich so ausdrücken, lassen sich auf keinen Fall dazu bewegen, in der Zusammenarbeit mit der jungen und noch etwas unerfahrenen Kollegin etwas Positives zu sehen. Besser, wenn man alles weiterhin so macht wie bisher. Dann ist das Risiko überschaubar. Was man nicht selbst erledigt, wird ja auch nie so gut gemacht, wie man es haben möchte. Und die jungen Leute von heute, die können ja auch gar keine Verantwortung übernehmen. Wenn das Experiment dann tatsächlich missglückt und der jungen Kollegin ein Fehler unterläuft, wurde das Klischee bedient. Was aber eigentlich dahintersteckt, ist in der Regel nicht das vorausschauende Wissen, dass etwas schiefgehen wird. Vielmehr ist es die Angst davor, Verantwortung abzugeben. Denn dann könnte es passieren, dass man nicht mehr wichtig genug ist oder sogar entbehrlich. Plötzlich muss Anerkennung geteilt werden. Oder noch schlimmer: Andere stellen fest, dass man selbst den Job gar nicht so gut gemacht hat. Ein Horror!
Angst ist ein Komfortzonenstörer und Gewohnheitsdieb
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