Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen. Stefan Heijnk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefan Heijnk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783969100103
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Befunde im Zeitraum von Januar 2017 bis März 2018 die Daten von 50.000 getrackten Sites mit 50 Milliarden Page Impressions pro Monat ausgewertet.

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      Abb. 48:Hamburger-Menüs können sehr sinnvoll sein – sie können aber auch Reichweite kosten. Wenn Such-Optionen auf einer Site nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig genutzt werden, ist es besser, sie nicht zu verstecken. Quelle: lukew.com, eigener Screenshot.

      Auch wenn die absoluten Seitenlängen aus den Analysedaten nicht abzulesen sind, so lässt sich dennoch durchaus schlussfolgern, dass Nutzer auf mobilen Startseiten relativ fokussierter agieren und genauer hinschauen, bevor sie etwas anklicken und zu einer Artikelseite wechseln. Entsprechend ist es essenziell, die wichtigsten Inhalte möglichst weit oben zu positionieren. Eigentlich sollte das selbstverständlich sein, in der Praxis bleibt das aber immer wieder gern unberücksichtigt. Etwa dann, wenn viel zu große Corporate-Design-Fotos gleich die gesamte erste Bildschirmportion der mobilen Startseite füllen.

      Interessant ist in diesem Kontext, in welchen Zeitfenstern das Scrollen auf dem Smartphone abläuft, abhängig davon, ob die Seite schon geladen ist oder nicht. Für unvollständig geladene Mobilseiten gilt: Innerhalb der ersten 4 Sekunden starten 9 Prozent der Nutzer mit dem Scrollen, 21 Prozent innerhalb von 9 Sekunden, 47 Prozent innerhalb von 14 Sekunden. Ist die Seite hingegen komplett auf dem Schirm, starten die Mobilnutzer flotter ins Scrollen: Innerhalb der ersten 4 Sekunden sind es 11 Prozent, 37 nach 9 Sekunden und 90 Prozent innerhalb von 14 Sekunden (siehe Abb. 50). Das bedeutet: In den ersten vier Sekunden gibt es kaum einen Unterschied zwischen vollständig und unvollständig geladenen Seiten. Nach 14 Sekunden allerdings haben auf unvollständig geladenen Mobilseiten nur etwa halb so viele Nutzer weiter nach unten gescrollt wie auf vollständig geladenen Seiten. Die Studie von Scientiamobile macht leider keine Angaben zur jeweiligen Scrolltiefe. Es ist aber anzunehmen, dass die Nutzer auf vollständigen Seiten deutlich weiter nach unten gelangen – und mehr Inhalt rezipieren (können). Auf unvollständig geladenen Seiten wird eben länger gewartet. Vermutlich nicht mit guten Gefühlen.

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      Abb. 49:Durchschnittliche Scrolltiefe auf Desktop- und auf mobilen Startseiten im Vergleich. Mobil wird vor allem das erste Viertel betrachtet, auf dem Desktop das erste Drittel. Quelle: Chartbeat.

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      Warum sich die Nutzer mobil teilweise deutlich anders verhalten, lässt sich nur vermuten. Eine mögliche Erklärung für die relativ geringere Scrolltiefe auf den Startseiten, für die relativ kürzeren Visit-Verweilzeiten und für die relativ ähnlichen Seiten-Verweilzeiten könnte ziemlich naheliegend sein: Wer unterwegs ist und außerhalb der eigenen vier Wände ins Web geht, bringt per se einfach weniger Zeit fürs Sichten und Auswählen mit – und muss schneller entscheiden.

      Begünstigt wird dieses schnellere Entscheiden durch das kleinere Display: Mobil ist die zu scannende Oberfläche einfach deutlich kleiner als am Desktop, sodass weniger Optionen in die Auswahl gelangen. Der kognitive Aufwand ist mobil also geringer. Tieferes Scrollen ist mobil entsprechend kontraproduktiv, denn scrollen bedeutet, die Anzahl möglicher Auswahloptionen zu vergrößern – und den kognitiven Aufwand wieder zu steigern.

      Entsprechend wird im mobilen Website-Kontakt tendenziell wohl eher nicht so gern gescrollt. Ist man aber erst einmal am Ziel angekommen, dann wird mobil in ein Rezeptionsmuster umgeschaltet, das dem Verhalten am Desktopmonitor sehr ähnelt. Intensives Scrollen inklusive. Mit anderen Worten: Mobil wird bewusst oder unbewusst aus einem kleineren Angebot ausgewählt. Für die Anbieter bedeutet das: Themenauswahl und -präsentation müssen optimal abgestimmt sein auf die anzusprechende Zielgruppe.

       Maßnahme 4: Testen und messen

      Es führt wohl kein Weg daran vorbei: Webseiten werden künftig auf der Basis von Nutzerdaten in Echtzeit automatisch optimiert, also in eine Form gebracht, die die individuelle Verweilzeit verlängert und die Engagement-Signale positiv beeinflusst. Das gilt für mobile Seiten ebenso wie für Desktop-Seiten. Richten Sie Ihre Technik darauf ein. Dazu zwei Beispiele:

       Überschriften sind auf allen Startseiten zentrale Text-Positionen, wenn Nutzer darüber entscheiden, ob sie einen Artikel lesen wollen oder nicht. Wer das im Hinterkopf hat und dann eine Überschrift für einen Text verfasst, wird sich nie ganz sicher sein können, ob es vielleicht nicht doch noch eine bessere Überschrift gegeben hätte. Mehr Gewissheit in diesem Punkt bieten A/B-Tests. Für einen solchen Test werden zwei Überschriften verfasst, eine Version A und eine Version B – und dann werden sie für eine begrenzte Zeit gegeneinander ins Rennen geschickt. Auf der Website wird per CMS also einmal die eine Version, dann die andere Version ausgespielt und zum Schluss anhand festgelegter Kennzahlen entschieden, ob A oder B auf der Homepage bleiben darf. Für Wordpress etwa gibt es Plug-ins wie Optimizely, mit dem A/B-Tests nahezu beliebig konfiguriert und automatisch durchgeführt werden können.

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      Abb. 51:In A/B-Tests werden zum Beispiel Überschriften-Varianten gegeneinander ins Rennen geschickt. Die Überschrift mit den besseren Klickdaten bleibt auf der Seite. Quelle: optimizely.com, eigener Screenshot.

       Die Scrolltiefe gibt darüber Auskunft, an welcher Position einer Startseite die Nutzerinnen den Kontakt abbrechen. Wenn dazu die Live-Daten getrackt werden, lässt sich in Echtzeit erkennen, an welchen Stellen optimiert werden sollte. Entsprechende Tools sind inzwischen nichts Neues mehr. Traffic-Analyst Chartbeat beispielsweise bietet Tools an, mit denen die Nutzungsdaten für die eigene Website-Startseite permanent ausgewertet und visualisiert werden. So lässt sich beispielsweise live erkennen, wie viel Prozent der Nutzer, die die Startseite aufgerufen haben, an einer bestimmten Stelle der Startseite noch auf die Seite schauen. Als Redakteurin muss man im Tool dazu nur auf der Startseite nach unten scrollen, und ein von links einlaufender Balken zeigt dann die entsprechende Prozentzahl an. Ist dabei ein abruptes Absacken des Prozentwertes zu sehen, ist die betroffene Position zu überprüfen. Das redaktionelle Entscheiden wird also durch die Datenauswertung unterstützt. Schreiben muss man aber immer noch selbst.

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      Abb. 52:Im Chartbeat-Tool wird in Echtzeit angezeigt, wieviel Prozent der User bis zu einer ausgesuchten Position auf der jeweiligen Seite gescrollt haben. Quelle: chartbeat.com, eigener Screenshot.

       Navigation: Wann ist ein Interface nutzerfreundlich?

      Egal ob es sich um kleinteiligere Interface-Muster für Einzelinhalte oder um die Interface-Architektur einer Gesamtsite handelt: Um bewerten zu können, ob ein Website-Interface benutzerfreundlich ist oder nicht, braucht es handfeste Kriterien, an denen sich die Qualität des Interface messen lässt. In der Norm DIN EN ISO 9241-110 des Deutschen Instituts für Normung (DIN) sind diese allgemeinen Kriterien für Benutzerfreundlichkeit beschrieben. Interface-Architekturen sollten danach mindestens die folgenden Merkmale zeigen:

       1. Aufgabenangemessenheit

      Die Benutzer werden in ihrer Arbeitsaufgabe effizient unterstützt. Sie erreichen ihre Ziele schnell, ohne durch die Eigenschaften des Dialogsystems unnötig belastet zu werden. Die User