Celtic. Dietrich Schulze-Marmeling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dietrich Schulze-Marmeling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730704103
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besteht aus verschiedenen Strömungen, deren wichtigste Lutheraner und Reformierte sind. Zu den Reformierten zählen auch die schottischen Presbyterianer, die sich in ihrem Land durchsetzen. Die reformierte (presbyterianische) Kirche Schottlands wird Nationalkirche, ist aber nicht wie die anglikanische Kirche in England Staatskirche.

      In Schottland feiert die Reformation einen Siegeszug wie in keinem anderen Land Europas. Der katholische Glaube ist bald nur noch spürbar in den gälisch sprechenden West Highlands, auf einigen der Hebriden-Inseln und in Banffshire im Nordosten zu finden.

      Obwohl der Katholizismus nur noch eine Randerscheinung ist, herrscht weiterhin ein militanter Anti-Katholizismus. 1790 sind in Glasgow zwar nur 39 Katholiken registriert, trotzdem gibt es 49 antikatholische Vereinigungen.

      1707 opfert das schottische Establishment im Act of Union freiwillig die politische Souveränität, um am wirtschaftlichen Aufstieg des Empires besser teilhaben zu können. Anders als im Falle von Wales ist die Union zwischen Schottland und England kein Produkt von Eroberung und Annexion, sondern von Verhandlungen zwischen zwei souveränen Partnern. Den Schotten wird gestattet, drei bedeutende zivile Institutionen – die presbyterianische Church of Scotland (auch „Kirk“ genannt), das schottische Erziehungs- und das schottische Rechtswesen – beizubehalten. Dies garantiert ein gewisses Maß an Autonomie und Eigenentwicklung.

      Mit der Reformation und dem Act of Union driften Schottland und das benachbarte Irland – der protestantische Teil Ulsters ausgenommen – auseinander. Diese Entwicklung wird durch die um 1760 in Schottland einsetzende industrielle Revolution noch forciert. Zwischen den beiden Völkern entsteht nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine wirtschaftliche Kluft. Während Schottland nun an der Seite Englands eine der ersten Industrienationen wird, verharrt die unverändert gen Rom blickende irische Insel in wirtschaftlicher Unterentwicklung und in Opposition zur englischen Kolonialmacht. Die Ausnahme bildet der Raum Belfast, wo sich im Zuge der Plantation – der britischen Besiedelung Irlands im 16. und 17. Jahrhundert – viele der schottischstämmigen Siedler niedergelassen haben. Durch die Einbindung in ein industrielles Dreieck mit Liverpool und Glasgow avanciert Belfast zu einem Außenposten der englisch-schottischen Wirtschaft.

       Industrielle Revolution

      Mit der industriellen Revolution erlebt Glasgow eine Bevölkerungsexplosion. Ende des 18. Jahrhunderts leben 47.000 Menschen in der Stadt, 1830 sind es bereits 200.000 und Ende der 1880er, zum Zeitpunkt der Gründung von Celtic Glasgow, etwa 800.000. Glasgow entwickelt sich zum „Workhouse of the World“ und zur „zweiten Stadt“ des Empires. Glasgow wird zur viktorianischen Stadt schlechthin. Zunächst zieht es die Highlander in die Stadt am Fluss Clyde, später folgen irische Einwanderer, wodurch die Zahl der Katholiken wieder zunimmt und der schottische Katholizismus einen neuen Charakter erhält: Er wird nun ein stark irisch geprägter. „Katholisch“ und „irisch“ sind nun zwei Seiten einer Medaille, und zum anti-katholischen Sektierertum gesellt sich ein anti-irischer Rassismus.

      Um 1800 gibt es in Glasgow nur wenige hundert Katholiken. Zu diesem Zeitpunkt ist Katholizismus noch primär ein Highland-Phänomen. Aber nun hält er wieder in den Städten Einzug. 1822 werden in Glenvilet, einer Hochburg des Katholizismus in den Highlands, 1.200 Katholiken gezählt, in Glasgow sind es bereits 15.000.

      Für das protestantische Schottland sind die irischen Einwanderer potenzielle Unruhestifter. Auch die katholischen Bischöfe betrachten die Neuankömmlinge mit Skepsis. Für die wachsende katholische Community werden zusätzliche Priester benötigt. Als Schottlands Bischöfe in den 1780ern diesbezüglich in Rom vorstellig werden, machen sie deutlich, dass sie keine irischen Priester wollen. Denn die könnten unter den Neuankömmlingen den Widerstand gegen den britischen Staat und das Festhalten an einer irischen Identität befeuern. Man befürchtete eine „Kolonialisierung“ durch die irischen Kollegen. Außerdem könnte eine Verbindung von katholischem Glauben und pro-irischen Manifestationen den Anti-Katholizismus in der Stadt anheizen.

      Die Befürchtungen erweisen sich in jeder Hinsicht als zutreffend. Denn die irische Community begnügt sich nicht mit dem Kirchgang, sondern engagiert sich auch für katholische Emanzipation und irische Belange. 1823 gründet sich in Glasgow eine Glasgow Catholic Association, die ausschließlich aus irischen Einwanderern besteht und mit dem anti-englischen Nationalismus in der Heimat sowie dem Widerstand gegen die englischen Großgrundbesitzer, die Landlords, sympathisiert. Glasgows Iren folgen Daniel O’Connell, dem Vater der irisch-katholischen Emanzipationsbewegung, der in den 1820ern eine Kampagne für die Gleichbehandlung der Katholiken in Irland und im Vereinigten Königreich startet. 1829 sieht sich König George III schließlich genötigt, den Roman Catholic Relief Act zu unterzeichnen, der viele der erheblichen Beschränkungen für die römisch-katholische Bevölkerung aufhebt. Nun dürfen auch Katholiken ins britische Unterhaus einziehen.

      In den protestantischen Gebieten Ulsters und in Schottland ist die Opposition gegen die Emanzipation der Katholiken besonders groß. Hätte es ein Referendum über den Roman Catholic Relief Act gegeben, dann hätte Schottland mit einem klaren „Nein“ gestimmt.

      Glasgows Bischof Scott sieht sich genötigt, von der Kanzel aus die fehlende Loyalität seiner Schäfchen gegenüber dem britischen Staat und ihre Unterstützung irischer Geheimbünde zu verurteilen. Der Kirchenmann beschimpft die eigene Gemeinde als ignorant, schmutzig und ungehobelt.

      Aber die Bekämpfung pro-irischer Manifestationen ist bei weitem nicht so erfolgreich wie später in Liverpool, das ebenfalls eine große irische Einwanderergemeinde besitzt, weshalb die Stadt am Mersey auch „Irlands heimliche Hauptstadt“ oder „Englands Dublin“ genannt wird. Auch in Liverpool entsteht zunächst ein irischer Katholizismus. In den 1890ern gibt es hier mindestens neun irische Fußballklubs, die Celtic, Celtic Rovers, Liverpool Celtic, Liverpool Hibernian oder 5th Irish Club heißen. Aber Ende der 1890er existiert keiner mehr davon. Liverpools katholische Hierarchie begrüßt die Neubürger als Katholiken, aber nicht als Iren. Um im anglikanischen England wieder als Katholiken respektiert zu werden, versucht man, den Neubürgern ihre irische Identität auszutreiben und sie zu loyalen britischen Bürgern zu erziehen.

      In Liverpool ist die „De-Nationalisierung“ der Einwanderer also erfolgreicher als in Glasgow. Dazu trägt auch bei, dass nur 90 von 391 katholischen Priestern aus Irland kommen. Obwohl in Liverpool die demografischen Voraussetzungen für einen mächtigen „irisch-katholischen“ Klub à la Celtic Glasgow besser sind als in der schottischen Industriemetropole, kommt es hier zu keiner vergleichbaren Initiative. Liverpools irisch-nationalistische Politiker zeigen wenig Interesse an einer „irischen Alternative“ zum FC Liverpool oder FC Everton. Stattdessen fördert man die Gaelic Games, doch die überwiegende Mehrheit der Einwanderer zieht Soccer vor.

       Stadt der Slums

      Mit Glasgows Entwicklung zum „Workhouse of the World“ und der irischen Einwanderung kommen auch die Slums. Wie groß dort die Not ist, verdeutlichen einige Zahlen: In den 1840ern beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung in Glasgow 30 Jahre. Damit liegt sie unter dem Wert, der 150 Jahre später für die meisten großen Städte in der Dritten Welt gilt. 1843 erkranken zwölf Prozent der Bevölkerung Glasgows an Typhus, fast jeder dritte Infizierte stirbt. Im gleichen Jahr schreibt das englische Journal „The Artizan“ über die Stadt am Clyde: „Die arbeitende Klasse macht hier 78 Prozent der ganzen Bevölkerung aus und wohnt in Stadtteilen, welche in Elend und Scheußlichkeit noch die niedrigsten Schlupfwinkel von St Giles und Whitechapel, die Liberties von Dublin, die Wynds von Edinburgh übertreffen. (…) Die Häuser sind förmlich vollgedrängt von Einwohnern; sie enthalten drei oder vier Familien – vielleicht 20 Personen – auf jedem Stockwerke, und zuweilen ist jedes Stockwerk in Schlafstellen vermietet, so dass 15 bis 20 Personen in einem einzigen Zimmer aufeinandergepackt, wir mögen nicht sagen: untergebracht sind. Diese Distrikte beherbergen die ärmsten, depriviertesten und wertlosesten Mitglieder der Bevölkerung und sind als die Quellen jener furchtbaren Fieberepidemien zu betrachten, die sich von hier aus über ganz Glasgow verbreiten.“ Noch 1888 sind von den 11.675 Toten, die in Glasgow registriert werden, 4.750 Kinder unter fünf Jahren. Weitere 1.192 erreichen nicht das 20. Lebensjahr, und weniger als 2.000 überschreiten die 60. Neben Typhus grassieren Rachitis, Cholera, Pocken, Tuberkulose, Diphterie. Auch der Alkoholismus ist weit verbreitet,