Ich und Du. Martina Meier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Meier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783990510339
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werden meine Eltern denken, wenn sie sehen, wie Ewald wandert?“, fragte ich skeptisch.

      Kichernd zog die Hexe ein grünes Beutelchen aus der anderen Tasche. „Eine Prise davon in den Morgenkaffee und sie werden dir es glauben, wenn du ihnen sagst, dass Ewald dort schon immer stand.“

      Ich schaute beide Beutel an. „Schwarz für Ewald und grün für meine Eltern“, murmelte ich.

      Ich bedankte mich herzlich bei der Hexe und radelte, zurück nach Hause.

      Im Garten war bereits Baumaterial aufgestapelt. Es musste in dieser Nacht geschehen.

      Meine Eltern blieben ewig wach. Aber kurz vor ein Uhr, wanderten sie endlich ins Bett. Leise öffnete ich mein Fenster und stieg hinaus. Das hohe Gras war mittlerweile gemäht worden und Ewald sah nun irgendwie verloren aus.

      „Ewald, Ewald, wach auf“, flüsterte ich.

      Die Äste und Zweige bewegten sich. Ein Knurren und Brummen ging von Ewald aus und dröhnte in der Nacht lauter als am Tag. Erschrocken zog ich den Kopf ein und klopfte sachte gegen Ewalds Stirn. Mit einem Ruck riss er seine Augen auf und blinzelte mich an.

      „Musst du nicht schlafen mein Kind?“, murmelte er.

      „Pssst, nicht so laut, ich habe hier was zu essen für dich, von der Hexe“, erklärte ich und zog das schwarze Säckchen hervor.

      „Wie hast du? Wo hast du?“

      „Psssssssssst“, zischte ich. „Das erkläre ich dir morgen, iss das. Danach kannst du laufen und dich umsetzen.“

      Mit einem Happ verschlang er die ganze Mixtur. Er kaute genüsslich und schmatzte laut. Es dauerte einige Augenblicke, ehe es unentwegt knackste und knarrte. Nach und nach zog Ewald seine Wurzeln aus dem trockenen Boden und wuchs dadurch noch mehrere Meter hoch.

      Starr vor Staunen schaute ich meinem besten Freund zu, wie er an den hinteren Rand des Gartens wanderte, sehr darauf bedacht, keine Blumen zu zertrampeln. Am Gartenzaun ließ er sich wieder nieder und streckte seine Wurzeln tief in den Boden. Ich rannte ihm hinterher und bejubelte ihn.

      „Danke mein Kind. Nun werden wir alle zufrieden sein“, brummte Ewald und schloss müde seine Augen.

      Ich verbrachte noch zwei Stunden damit, den Garten umzugraben. Zumindest einen Teil davon, damit meine Eltern nicht gleich Verdacht schöpften.

      Am nächsten Morgen stand ich vor allen anderen auf und brachte meinen Eltern einen Morgenkaffee ans Bett, gespickt mit jeweils einer Prise aus dem grünen Beutelchen.

      Während ich auf meiner Schaukel saß, die um einen großen Ast Ewalds hing, kamen meine Eltern auf die Terrasse und starrten auf die freie Fläche.

      „Was ist hier denn passiert? Wie ist der Baum da rüber gekommen?“, tönte es zeitgleich aus ihren Mündern.

      „Aber Mama, Papa, der Baum steht schon immer hier, ich habe nur schon mal angefangen, das Loch für den Pool zu buddeln. Überraschung!“, rief ich.

      Ein leises Klirren schwirrte um meine Eltern, dann patschten sie sich an die Stirn und sagten: „Ach, stimmt ja! Eine gelungene Überraschung!“

      Ewald und ich grinsten einander an. Er zwinkerte.

      Susanna Montua ist Jahrgang 1982, verheiratet und Mutter dreier Kinder. Sie wohnt in Walldorf, einer kleinen beschaulichen Stadt nahe Heidelberg. Schon in der Schulzeit zeigte sie viel Fantasie beim Verfassen von Aufsätzen. Diese Eigenschaft nutzt sie heute noch, um ihren Kindern spannende Geschichten zu erzählen.

      *

      Von großen und kleinen Kindsköpfen

      Opa Ludwig war eigentlich gar nicht Leons Opa.

      Trotzdem nannte er ihn immer so, denn er sah aus wie ein richtiger Opa. Er hatte eine dicke, schwarze Brille, die von einer großen, runden Knollennase getragen wurde. Seine Haare waren grau und schütter und er hatte Abertausende Falten im Gesicht. Beim letzten Versuch, sie zu zählen, kam Leon nicht weiter als einhundertsiebenundzwanzig. Am besten gefielen Leon aber die Falten, die Opa Ludwig um seine Augen und den Mund hatte, besonders wenn er spitzbübisch lachte. Dann leuchteten seine grün-blauen Augen auf und er kam einem überhaupt nicht alt vor. Mitten auf dem Kopf hatte Opa eine kreisrunde Glatze, einen echten Hubschrauberlandeplatz! Manchmal durfte Leon dabei zusehen, wie er sie mit einer Zahnbürste polierte, damit sie schön glänzte. Er war eben auch ein bisschen verrückt, der Opa Ludwig!

      Nur zwei Häuser entfernt von Leon, am Ende der Leopoldstraße, wohnte Opa Ludwig in seinem kleinen Häuschen. Sein Garten fiel völlig aus der Reihe, denn der Rasen wurde niemals gemäht und das Gras wuchs meist so hoch, dass es Leon bis zur Hüfte reichte. Man konnte darin prima Verstecken spielen, vor allem mit Opa Ludwig! Einmal musste Leon ihn richtig lange suchen, denn Opa hatte sich heimlich ins Haus geschlichen und in aller Seelenruhe seinen Sonntagskuchen verdrückt.

      Die Hauswände von Opa Ludwigs Häuschen waren derart von wildem Efeu bewuchert, dass man meistens kaum noch aus den kleinen Fenstern sehen konnte. Vielleicht lag das aber auch einfach daran, dass Opa Ludwig die Fenster nie putzte. Um das Häuschen herum wuchsen kreuz und quer duftende, wilde Blumen. Nach einem uralten Rezept hatten Opa und Leon sich in den Sommerferien einen magischen Kräutertrunk daraus gemacht, um die Ferien zu verlängern. Der hatte auch tatsächlich funktioniert, denn beiden wurde schließlich so schlecht, dass Leon die erste Schulwoche noch zu Hause bleiben musste. Seine Mama hat fürchterlich geschimpft und Opa schaute ganz betreten drein.

      In der Nähe des Gartentors hatte Opa einen kleinen Teich angelegt, der Frösche und Libellen beherbergte. Opa behauptete, auf dem Grund des Teiches läge ein Piratenschatz. Das wollte Leon natürlich genau wissen und so haben die zwei sich ein ganz kleines Floß gebaut, gerade so groß, dass es auf den Teich passte. Natürlich wehte vom Floß eine gefährliche Totenkopfflagge, die sie aus dem Vorhangstoff des Wohnzimmers geschneidert hatten. Leider waren beide auf einmal aber zu schwer für das Floß und nach einem wilden Kampf mit einer ganzen Horde gefährlicher Stechmücken kenterten sie kläglich und landeten im Wasser. Die Frösche erschraken gewaltig, denn einen von ihnen hatte Opa Ludwig wohl ausversehen verschluckt! Einen Schatz haben sie an diesem Tag leider nicht gefunden, aber Leon bekam für diesen außerordentlichen Verdienst von Opa eine goldene Medaille verliehen.

      Im Winter, wenn der schiefe Kamin schwarzen Rauch ausstieß, fuhr Leon manchmal auf dem Teich Schlittschuh. Er drehte Pirouetten und Opa mimte stets den Preisrichter. Aus dem geöffneten Wohnzimmerfenster spielte ein ururaltes Grammofon die passende Musik dazu. Im Wohnzimmer war es danach immer so kalt, dass sie sich in mindestens drei Wolldecken einkuscheln und mindestens fünf Wärmflaschen machen mussten.

      Eng aneinandergeschmiegt wärmten sie so ihre Füße am Kaminfeuer und Opa erzählte dann häufig von früher, als er noch jung war. Besonders gerne mochte Leon, wenn er von seinem Abenteuer auf dem Mond erzählte. Als Astronaut sollte Opa damals den Mond putzen, weil man ihn vor lauter Dreck auf der Erde gar nicht mehr richtig sehen konnte. Das Raumschiff war silbern und riesengroß und bis obenhin voll mit besonderem Putzmittel, um auch die hartnäckigsten Flecken entfernen zu können. Vor nicht allzu langer Zeit versuchten Opa und Leon, das Raumschiff nach zu bauen. Mit viel Alufolie und Silberstoff wurde aus dem Sofa im Wohnzimmer eine richtige Rakete, in die beide bequem hineinpassten. Bewaffnet mit Putzlumpen haben sie den Mond blitzeblank geputzt. Das Wohnzimmer hat danach richtig geglänzt! Während des Fluges zurück auf die Erde waren beide schließlich so hundemüde, dass sie noch in der Rakete einschliefen und erst am nächsten Morgen wieder aufwachten.

      Ein anderes Mal haben sich beide als Indianer verkleidet. Opa Ludwig malte Leons Gesicht mit Ruß rabenschwarz an und seinen Hühnern rupfte er eigens ein paar frische Federn für ihren Kopfschmuck. Leon und Opa legten sich hinter dem riesigen Rosenstrauch auf die Lauer, aber die beleidigten Hühner machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. Durch das laute Gezeter und Gegacker wurde jegliche Beute erfolgreich verscheucht und Opa Ludwig und Leon mussten mit leeren Händen