Ewig schön. Jeff Strand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jeff Strand
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783985229260
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      Die andere Frau war noch nicht tot. Olivia konnte sie atmen hören.

      Keine der Frauen in den übrigen Käfigen hatte irgendeinen Laut von sich gegeben, seit Olivia aufgewacht war und sich hier wiedergefunden hatte. Da es weder Fenster noch sonst eine Möglichkeit gab, nachzuvollziehen, wie viel Zeit wohl vergangen sein mochte, konnte Olivia sich nicht sicher sein, wie lange sie bereits eingesperrt war, doch sie glaubte nicht, dass sie schon einen ganzen Tag hier war.

      Da sie in dem Käfig kaum Platz hatte, sich zu bewegen, hatte ihr Körper zu schmerzen begonnen, was zunächst unaushaltbar schlimm wurde, bis irgendwann alles taub war. Jetzt spürte sie nichts mehr. Das bedeutete, dass sie einfach auf dem Boden zusammenbrechen würde sie, falls sie sich doch befreien könnte, unfähig, sich zu bewegen. Nicht, dass ihr das gerade Sorgen bereiten würde. Vor mehreren Stunden hatte sie aufgehört zu glauben, dass es eine Möglichkeit gab, dem Käfig zu entkommen.

      Ein Geräusch hinter ihr. Der Türknauf? Sie versuchte, den Kopf so weit zu verdrehen, dass sie hinter sich schauen konnte, doch ihre Muskeln wollten ihr nicht gehorchen.

      Sie hörte, wie eine Tür aufging und dann wieder geschlossen wurde. Danach ein Kreischen wie Fingernägel auf einer Kreidetafel. Das Geräusch kam näher und näher, bis endlich Greg in ihrem Blickfeld auftauchte, entweder glattrasiert oder schlicht ohne falschen Bart. Er zog einen Stuhl über den Betonboden. Der Verband um seinen Hals war weg, und keine Verletzung zu erkennen. In der freien Hand hielt er eine braune Papiertüte. Er platzierte den Stuhl etwa einen Meter von ihrem Käfig entfernt im Raum und setzte sich dann. Er blickte zu ihr hoch. Dann stand er wieder auf, rückte den Stuhl noch etwas näher an sie heran und setzte sich wieder.

      »Bitte …«, flehte Olivia.

      »Nein«, schnitt Greg ihr das Wort ab. »Kein Betteln, kein Flehen.« Er wies auf die Käfige. »Das hat bei den anderen Mädchen nicht funktioniert und wird auch bei dir nicht funktionieren. Frag mich nicht, was ich will. Frag mich nicht, warum ich das tue. Biete mir nichts an. Wenn ich dich vergewaltigen wollte, hätte ich das getan, bevor ich dich hier eingesperrt habe.«

      »Ich muss pinkeln.«

      »Ich werde dich nicht zum Pinkeln rauslassen. Du weißt das. Ich sehe auf dem Boden, dass du es nicht halten konntest, bevor ich herkam. Mach dir also keine Sorgen darüber, dass ich derjenige bin, der hier sauber machen muss. Tu einfach, was die Natur verlangt.«

      »Bitte. Es gibt Leute, die nach mir suchen werden.«

      Greg zuckte die Achseln. »Und? Ich habe ja auch keine Crack-Hure hinter einem Müllcontainer aufgesammelt. Natürlich wird jemand nach dir suchen. Diesen Teil genieße ich, denn ich kann mir ihre traurigen Gesichter in den Fernsehnachrichten ansehen. Wem bricht es wohl am ehesten das Herz, dass du fort bist? Deiner Mutter? Dem Vater? Dem Freund? Deinen Kindern?«

      »Ich habe Hinweise hinterlassen.«

      »Nein, hast du nicht. Ich glaube, du wusstest nicht einmal mehr, auf welchem Planeten du dich befindest. Wie gesagt, die anderen Mädchen haben schon jeden erdenklichen Trick versucht. Und dass du jetzt hier alles noch einmal wiederkäust, was die bereits gesagt haben, geht mir irgendwie auf den Zeiger.« Er rückte mit dem Stuhl ein Stückchen nach links. »Nicht, dass es einen Unterschied macht. Dein Schicksal bleibt dasselbe, ganz egal, was du tust. Nichts, was du machen könntest, wird etwas daran ändern. Stell dir vor, du wärst vom Dach eines hundertstöckigen Hochhauses gesprungen und würdest jetzt auf den Asphalt zustürzen. Das einzig mögliche Ende dieses Sprungs ist dein Aufprall auf dem Boden. Das einzig mögliche Ende hier ist dein Tod durch Verhungern in deinem Käfig. Wie bei allen anderen auch.«

      Er stand auf und trat zu dem Käfig neben Olivias hinüber, stieß ihn sachte an. Die Frau öffnete ihre Augen.

      »Oh, gut, du lebst ja noch. Vielleicht habe ich Glück und du bist hinüber, bevor ich gehen muss.«

      Die Frau erwiderte nichts.

      Greg wandte seine Aufmerksamkeit wieder Olivia zu. »Willst du etwas hören, dass dich echt fertigmachen wird? Ich hätte dich beinahe davonkommen lassen müssen. Ernsthaft. Du hast die ganze Zeit auf dein Getränk aufgepasst. Wenn diese Frau nicht an den Tisch gestolpert wäre und dich abgelenkt hätte, wäre ich das Risiko nicht eingegangen. Vielleicht dachtest du, sie wäre meine Komplizin, aber nee, du hast einfach bloß schreckliches Pech gehabt. Ein betrunkener Fan, der deinen Auftritt lobt, und jetzt bist du hier. Das Leben ist ganz schön seltsam.«

      Olivia zeigte keine Reaktion auf diese Enthüllung. Sie war an dem Punkt angelangt, an dem ihr Ironie gleichgültig war.

      Greg öffnete die braune Tüte und holte eine Wasserflasche und einen Strohhalm heraus. »Ich weiß, beim letzten Mal war es nicht so toll für dich, dir von mir ein Getränk ausgeben zu lassen«, erklärte er, »aber ich verspreche dir, das hier ist nur Wasser.« Er stellte die Flasche auf den Stuhl und verschwand aus ihrem Blickfeld.

      Wieder kratzte etwas laut über den Boden. Er war kräftig genug, um die Trittleiter hochzuheben, daher nahm Olivia an, dass er den gruseligen Lärm mit Absicht machte. Er stellte die Leiter neben den Käfig der anderen Frau, nahm dann die Flasche und stieg zu ihr hinauf. »Ich gebe ihr zuerst Wasser, weil sie dem Tod näher ist«, erklärte er.

      Er hielt der Frau die Flasche hin. Sie beugte ihren Kopf vor und begann, durch den Strohhalm zu saugen.

      »Langsamer«, mahnte Greg. »Du willst doch nicht, dass dir schlecht wird.«

      Doch die Frau trank nicht langsamer. Dann hustete sie und kotzte das Wasser wieder aus, das überall auf den Boden spritzte.

      »Langsamer diesmal«, sagte er.

      Sie winkte ab. Greg stieg die Leiter hinunter und schob sie neben Olivias Käfig. Er holte eine zweite Flasche Wasser aus der Tüte, öffnete den Deckel und steckte denselben Strohhalm hinein, den er auch für die Flasche der anderen Frau benutzt hatte. Er stellte den Fuß auf die erste Stufe der Trittleiter und blickte dann zu Olivia hoch.

      »Ich kann dich nicht davon abhalten, etwas Dummes zu versuchen«, sagte er. »Aber du musst wissen, dass es bedeutet, dass du kein Wasser bekommst.«

      »Ich werde nichts versuchen«, gab Olivia zurück.

      »Gut.« Greg stieg die Leiter hoch und hielt Olivia die Flasche hin. Sie zwang sich, langsam zu trinken. Greg wartete geduldig, während sie die gesamte Flasche kalten Wassers leer trank. »Willst du den Rest von Regina auch noch?«, fragte er.

      Olivia schüttelte den Kopf. Die Chancen, dass es ihr gelänge, ihn von der Leiter zu treten, sodass er sich auf dem Boden den Schädel brach, standen extrem schlecht. Sie hätte es trotzdem versucht, konnte ihre Beine jedoch nicht bewegen.

      Greg stieg wieder hinab. Er schleifte die Leiter aus dem Weg, setzte sich dann erneut auf seinen Stuhl. Er nahm ein Handy aus der Tasche, warf einen raschen Blick auf den Bildschirm, stopfte es anschließend wieder in die Tasche zurück.

      »Tust du mir bitte den Gefallen und bist eine Weile still«, bat er. »Wenn du weinen oder wimmern möchtest, ist das in Ordnung, aber sprich nicht, okay?«

      Olivia erwiderte nichts darauf.

      Greg saß einfach nur da und starrte die Frauen in den Käfigen schweigend an. Immer mal wieder huschte die Spur eines Lächelns über seine Züge, doch sonst blieb sein Gesicht ausdruckslos.

      Es fühlte sich an wie eine halbe Stunde, bevor er irgendetwas anderes tat, als zu starren. Er zog erneut sein Handy hervor, tippte darauf herum, als wolle er eine SMS versenden, und steckte es dann wieder ein, wirkte genervt.

      Er blickte ein weiteres Mal zu Olivia hoch. »Als ich dir sagte, dass mir deine Musik gefallen hat, habe ich gelogen, doch es war kein völliger Blödsinn. Du hast wirklich ein bisschen Talent. Ein Superstar wärst du nie geworden, aber wenn ich echt Musikmanager wäre, hätte ich dich wahrscheinlich in einem größeren Laden unterbringen können. Wenn du dich besser fühlst, wenn du singst, mach das ruhig. Sing ein paar Songs. Unterhalte mich.«

      Olivia würde auf keinen Fall für ihn singen. Da müsste